§ 1 - B A T T I S T I N I

«Erklärung des ... Gemäldes»: die Umstände, die zur Niederschrift dieses Teils anstelle einer urpsprünglichen Novella litteraria werden von Vico selbst in der Vita p. 80 geklärt.  ¶  «an den Anfang gestellt» : ital. proposta: preposta, anteposta.  ¶  «dem Frontispiz vorangestellt» : auch die Eröffnungsseite wird [von Vico] nicht vernachlässigt, denn mit der kanonischen Anzeige der bibliographischen Grenzen des Buches erscheint eine Imprese, welche die Ikonologie des Bildes vorwegnimmt: die geflügelte Frau, der konvexe Spiegel, der Altar, die Weltkugel. All dies hat angemessen M. PAPINI hervorgehoben, «Ignota latebat». L´impresa negletta della «Scienza nuova», in BSCV, XIV-XV (1984-1985), pp. 179-214, für den die weibliche Gestalt die menschliche Natur darstellt, die mittels der Geschichte den letzten Sinn der eigenen Existenz erforscht, weshalb sie mit der Wissenschaft der Metapyhsik zu identifizieren wäre. Den symbolischen Unterschied zur Metaphysik des «Bildes» hat dann D.P. VERENE beleuchtet, Vico´s «Ignota latebat», in «New Vico Studies» V (1987), pp 79-98.  ¶  «Kebes»: Schüler des Sokrates und des Pythagoräers Philon, Gestalt des Kriton und des Phaidon ¶  «aus Theben»: die Überlieferung weist diese in Wahrheit zweifelhafte Stadtbürgerschaft zu, indem sich sich auf einen für Boötien typischen Ausruf gründet, der im Phaidon 62a dem Kebes zugeschrieben wird.  ¶  «den moralischen Dingen»: Diogenes Laertius, Leben der Philosphen II, 16, 125 schreibt Kebes den pinax zu, einen Dialog, der die Bedeutung des menschlichen Lebens in einer Synthese zusammenfassen will. Der Text, der so als Tafel des Kebes in die Geschichte eingegangen ist, ist in Wirklichkeit das Werk eines späteren Autors des 1. Jahrhunderts n.Chr. (vgl. K.K. Müller, De arte Cebetis tabualae adhibenda scripsit, Würzburg, C.J. Becker, 1877 und K. PRAETCHER, Cebetis Tabula quanam aetate conscripta esse videatur, Marburg, Karlsruhe, Braun 1885). Er wurde unter vielen anderen ins Lateinische von Hugo Grotius und 1627 von Agostino Mascardi ins Italienische übersetzt. Die philosophische Bedeutung des Zitats durch Vico wird analysiert von F. SFORZA , Vico e la Tavola di Cebete in BCSV, XIV-XV (1984-1985), pp. 253-269 und von D.P. VERENE, Vicos Frontispiece and the Tablet of Cebes, in: versch.Autoren, Man, God, and Nature in the Enlightement, Newark, Colleagues Press, 1988, pp. 3-11.  ¶  «der politischen Verhältnisse»: Die Neue Wissenschaft untersucht nicht die Ethik des Einzelnen, sondern das anthropologische Verhalten des in einen sozialen Kontext eingelassenen Menschen.  ¶  «die Idee des Werkes vor der Lektüre zu erfassen»: das Bild ist eine Synopsis, die in einem einzigen Rahmen alle Materialen zusammenfaßt, die analytisch über die fünf Bücher der Neuen Wissenschaft verteilt sind.  ¶  «im Gedächtnis»: zum anhaltenden Erfolg der mnemotechnischen Mittel ist inzwischen die Erwähnung von F.A. YATES obligat geworden, L'arte della memoria... und von P.ROSSI, Clavis universalis, Bologna, il Mulino, 1983 (2). Die Vicoforscher haben hin und wieder als Vorläufer der Praxis, ein Buch mit einem allegorischen Bild zu eröffnen, das dessen Inhalt zusammenfaßt, den Leviathan von Hobbes, das Novum Organum von Bacon und die Second Characters von   Shaftesbury angegeben. Aber diese Gewohnheit wird nicht allein von den «Modernen» geübt: man sehe zum Beispiel alle Werke von Athanasius Kircher (über ihn s. Anm. 12 zu p. 714) und besonders, was das Spiel der leuchtenden Reflexion durch eine Art konvexen Spiegel angeht, ziemlich ähnlich dem Zickzackweg des «Lichstrahls der göttlichen Vorsehung» Vicos, die Ars magna lucis et umbrae (1646). (BATTISTINI 1477/78)

ZUSATZ: weitere Literatur: Michael Groblewski, "Imagination und Hermeneutik. Frontispiz und Spiegazione der Scienza nuova von Giambattista Vico." Idea, Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, VI (1987) : pp. 53-79. Paolo Rossi: Il passato, la memoria, l'oblio, Bologna, Mulino, 1991; in weiterem Zusammenhang: Horst Bredekamp, über Hobbes "dipintura" im Leviathan (1999).  ¶  Paolo Rossi: vgl. meine Übersetzung von P.Rossis Clavis universalis