§ 79 - N I C O L I N I

In diesem und im folgenden Abschnitt polemisiert Vico, ohne ihn zu nennen, gegen Natale Conti (1520-80), Mythologia (1568, ~s.l.), f. 228 a, und vor allem gegen Van Heurn, pp. 234-35. Die communis opinio der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts hatte sich jedoch den traditionellen Berichten über Orpheus gegenüber viel weniger leichtgläubig gezeigt: vgl. Hofmann, III, 482 sqq.  ¶  Andrioton, nicht "Philosoph" sondern Historiker, der außerdem im dritten Jahrhundert vor Chr. lebte, teilt nicht eine persönliche, sondern eine seiner Zeit geläufige Meinung mit: vgl. {bmc schalter01.bmp Älian {Eliano} , Variae historiae, VII, 6.  ¶  Die sogenannten ~"orfici" oder Verse des Orpheus (vgl. § 128) waren schon von Marsham der Epoche der ~Peisistradiden zugeordnet worden.  ¶  Der legendäre Orpheus war von der Tradition nicht etwa tausend, sondern weniger als dreihundert Jahre nach Deukalion (§ 65) angesetzt worden, und nicht siebenhundert, sondern wenig mehr als zweihundert nach Hellen (§ 70). Hingegen {per contrario; vgl. §104} ließ die traditionelle Chronologie zwischen dem Beginn der Herrschaft der ~Inachiden (§ 75) und Orpheus nicht dreihundert, sondern an die siebenhundert Jahre verstreichen {intercedere} (Petau, II, 285, 287 und 291; Hofmann, III, 483).  ¶  Bei seiner Interpretation des Mythos von Deukalion folgte Vico mit einigen Retuschierungen der des Natale Conti, op. cit., f. 251 a, für den die Erfinder {foggiatori} des Mythos im Anklang an Genesis daran hätten erinnern wollen, daß die Menschen, die nach der allgemeinen Sintflut wieder roh und unwissend geworden waren und deshalb "lapides" genannt wurden, von Noah zu einer zivileren Lebensform geführt worden waren: vgl. auch § 523.  ¶  Schon Petau, II, 290, der gestützt auf das Zeugnis {sulla fede di} von Clemens von Alexandrien und Eusebius die argonautische Expedition neunundsiebzig Jahre vor den trojanischen Krieg legte, hatte bemerkt, daß dann Castor und Pollux entweder nicht an der Unternehmung des goldenen Vlieses teilnamen oder nicht die Brüder Helenas waren.  ¶  "Dieses chronologische Ungeheuer in der griechischen Geschichte": vgl. § 735.  ¶  Zu dem Hinweis auf Zoroaster und die beiden Mercurii Trismegisti §§ 55, 59, 66-68, 74.  ¶  Genauer besehen schrieb Cicero, De nat. deor., I, 38, daß das Bild des Aöden {Heyse, Aöde, M. (altgr. aiodós) der begeisterte Sänger und Dichter im herioschen Zeitalter} Orpheus ihm oft in den Sinn kam, obwohl Aristoteles und die Pythagoräer nicht an seine Existenz glaubten. (NICOLINI I, 51/52)