§ 94 - N I C O L I N I

Vicos Quelle für einen Gutteil des Paragraphen ist Marsham, pp. 150 sqq.  ¶  Laktanz, Div. Inst., IV, 2, erwähnt Isaias überhaupt nicht und wundert sich eher, daß {come} Pythagoras und Platon auf ihren Bildungsreisen {viaggi d´istruzione} überhaupt nichts von den Hebräern lernten. Aber andererseits bestand die allgemeine Meinung {luogo comune} der jüdisch-alexandrinischen Polemik, die dann in die Schriften vieler Hebraisten des sechzehnten-siebzehnten Jahrhunderts und sogar bei Selden übernommen wurde (vgl hier weiter unten, § 396), gerade darin, daß nicht nur Pythagoras und Platon, sondern alle bedeutenden Repräsentanten der griechischen Philosophie von den Präsokratikern bis zu den Stoikern, direkt - oder - indirekt aus dem Pentateuch, den Psalmisten und den Propheten geschöpft hatten. Siehe unter vielen einen sogenannten ~Aristobulo, der sowohl von Eusebios, Praep. evang., XIII, 12,2, wie von Clemens von Alexandrien, Stromata, I, 22 erwähnt wird; und außerdem von Flavius Josephus, Contra Apionem, I, 22; I, 16 und 36; Justinus Martyr, Cohortatio ad graecos, Paragraphen 22, 25, und 29-30 (Opera, ed. Migne, coll. 275-80, 285, 86, 295-300); derselbe, Apologia pro christianis, Paragraphen 59 und 60 (Opera, ed. cit., I, 407-409); Stromata, I, 1, 15, 19, 22; V, 5; VI, 3 (Opera, I, 771-72, 807-808, 893-94; II, 47-56, 243-52), usw. usw. (vgl. auch Marsham pp. 151-152).  ¶  Wahrscheinlich ist, daß Vico, indem er entschieden jene sowohl hochgepriesenen/-geschätzten wie imaginären Einflüsse des hebräischen Glaubens {delle credenze ebraiche} auf die griechische {ellenica} Kultur verneinte, irgendwie {in qualche modo}, obwohl er die sogenannte jüdische "Undruchdringlichkeit" zu sehr verabsolutierte, an Augustinus anknüpfte, der, nachdem auch er geglaubt hatte (De doctrina christiana, II, 28), daß Platon auf seiner Reise in Ägypten Jeremias gehört oder die Schriften der Propheten gelesen habe, seine Meinung geändert/sich eines besseren besonnen hatte (Retractationes, II, 4), nicht ohne hervorzuheben (De civ. Dei, XIII, 11), daß der Philosoph aus Athen mehr als hundert (ja sogar {anzi} hundertsiebzig) Jahre vor den Zeiten jener prophetischen Schriften geboren, und mehr als ein halbes Jahrhundert, bevor die Übersetzung der Septuaginta ihm die heiligen Bücher hätte zugänglich machen können, gestorben war. Dessen ungeachtet wurde diese besondere Einstellung Vicos {codesto particolare atteggiamento..} als unwissenschaftlich und antireligiös von einem seiner katholischen Kritiker zensiert/verurteilt (Romano, Apologia, p. l88).  ¶  Ende des siebzehnten Jahrhunderts (vgl. Hofmann, II, 38) wurde heftig diskutiert, ob Demetrius, Bibliothekar des Ptolemaios Philadelphos, also derjenige, der ihm riet, das Alte Testament auf griechisch zu übersetzen (Flavius Josephus, Antiqq., XII, 2), Demetrius von ~Phaleros wäre, oder der flüchtige peripatetische griechische Philosoph, oder ein anderer Demetrius: "Hebräer" war er ganz sicher nicht. Zu den fabulösen Anekdoten, die er über den Redner Theopompos aus Chios und den ~Dramendichter Theodektes aus ~Licia erzählte, s. wieder Flavius Josephus, Antiqq., XII, 3 (und vgl. Voss, De historicis graecis, I, 7, in Opera, ed. cit,. IV, 65). Aber nicht in den Antiquitates, sondern in Contra Apionem, I, 12, schreibt Josephus, daß die Hebräer ursprünglich {anticamente}, weder mit den Griechen noch den Phöniziern verkehrten, und fügt das "großmütige Bekenntnis" hinzu, das Vico nach der von Marsham, pp. 152-53, wiedergegebenen lateinischen Übersetzung paraphrasiert. Auch nicht etwa bei Laktanz, sondern wieder in Contra Apionem, l.c., findet sich die Bemerkung, die Vico wiederum erweitert/ verallgemeinert {ampliata} und verschärft, daß auch die besondere Sorgfalt, mit der die Israeliten ihre Gesetzte und die ihnen in Übereinstimmung mit diesen überlieferten religiösen Gebräuche beobachteten, dazu diente, die Kontakte der Hebräer {warum ebrei...-istraeliti?} mit den heidnischen Völkern einzuschränken. Das geht aus Marsham, l.c., hervor, der die Stelle transkribiert und dabei am Rand ein «ibid.» einfügt, das Vico durch ein Versehen {per una svista} auf die Divinae institutiones {Laktanz} bezieht, die Marsham auf der vorhergehenden Seite zitiert hatte.  ¶  Unabhängig von Marsham ist der Verweis auf "Pier Cuneo" oder Piet Van der Kuhn (vgl. schon § 20), der übrigens auch seinerseits zu die Stelle aus Contra Apionem wiedergegeben hatte, wobei er hinzufügte, daß aus der so strengen Abschließung der Hebräer gegen den Handel/Verkehr mit den fremden Völkern {al commercio straniero} die vielen durch andere Völker verbreiteten Lügen/Märchen {le tante fole...} über sie herrührten: v. De republ. hebr., ed. di ~Saumur, 1674, pp. 19-20; und vgl. {già - pleonastisch} Flavius Josephus, Contra Apionem, I, 24-35, der diese Kapitel der Widerlegung der "Verleumdungen " {calunnie} widmet, die über seine Volksgenossen {connazionali} Manetho, Chairemon und Lysimachus verbreitet hatten.  ¶  Daß nach Erscheinen der Übersetzung {versione} der Siebzig/ der Septuaginta eine dreitägige Finsternis in der Welt geherrscht habe, und deswegen das Fasten am achten Tebeth (18 Dezember) eingerichtet worden sei, ist eine späte, vom Talmud erfundene Geschichte {favola} : Vicos diesbezügliche Quelle war wieder einmal Marsham, p. 153, der seinerseits aus Peteau, I,, 396 schöpft, welcher seinerseits das diesbezügliche ~Lemma {lemma} des jüdischen Kalenders transkribiert hatte (vgl. auch Homann, IV, 146).  ¶  Von Causabon (Isaac) s. die zitierten Exercitationes, p. 180; von dem westfälischen Hebraisten Johannes Buxdorf dem Älteren (1564-1629) die Synagoga iudaica, fünfte Auflage {edizione} (Basel, 1712), p. 575; von dem anderen züricher Hebraisten Johannes Heinrich Hottinger (1620-67) den Thesaurus philologicus, sive clavis Scripturae, dritte Auflage (Zürich, 1659), p. 336.  ¶  Zu dem, was zu Zeiten Vicos über Aristeas oder ~Arsteos bekannt war oder eher vermutet und diskutiert wurde, s. Voss, De historicis graecis, in Opera, IV, 56-57 und 196, der von ihm ein Liber de LXX interpretibus nennt {cita}. Auf jeden Fall war er so wenig ein Jude, auch kein hellenistischer, daß er, als er von Ptolemaios Philadelphos die Befreiung aller Hebräer verlange (und erhielt), die damals in Ägypten als Sklaven lebten, darauf Wert legte, zu betonen, daß er zu dieser Bitte weder durch Blutszugehörigkeit {attenenza di sangue}, noch durch Ähnlichkeit der Geburt veranlaßt worden sei. Und streng genommen kann man ihn auch nicht "Haupt" der Übersetzung {versione} nennen, die er er gemäß einem traditionellem Bericht dem Ptolomaios lediglich vorgeschlagen habe (Flavius Josephus, Antiqq., XII, 2 und 3).  ¶  Zum Haß der jerusalemer Juden gegenüber den hellenistischen oder alexandrinischen, Marsham, l.c.  ¶  Vgl. schließlich § 1154. (NICOLINI I, 58-60)