§ 304 - N I C O L I N I

Von dem «etymologischen System» {SN «etymologico»}der «einheimischen Wörter» hat Vico im § 162 gesprochen: eine Probe von diesem ersehnten {vagheggiato} Etymologikon der «Wörter von zweifellos fremden Ursprungs» findet sich in der Scienza nuova prima, III, 41 (Opp., III, §§ 383-84) {vgl. dazu Jürgen Trabant, Neue Wissenschaft von alten Zeichen. Vicos Sematologie, Ffm. : Suhrkamp 1994, S. 101 ff}.  ¶  Daß Neapel ursprünglich «Sirena» (statt «Parthenope» {Partenope} ) hieß, ist ein Irrtum, in den Vico möglicherweise durch eine falsch verstandene Stelle des Plinius (N.h., III, 5) fiel: «Neapolis ... Parthenope a tumulo sirenis appellata», und vielleicht noch durch eine andere von Lutatius Catulus {<- LEXNAMEN.RTF unter Lutatius} (in Philagyrius {<- LEXNAMEN.RTF unter Philagrius} Ad Georgicam IV, 554): «dictam a Parthenope sirena».  ¶  Als syrisches Wort bestimmt {afferma} Vico «sirena» nach dem Etymologicon von Voss (ed.cit., II, 686), der es von «schir», «Gesang/ Lied /Hymne» {cantico} ableitete.  ¶  Eine den neapolitanischen Archeologen und Topographen des siebzehnten/achtzehnten Jahrhunderts teure Hypothese war, daß die Phönizier von Sardinien [aus] eine Kolonie auf der kleinen neapolitanischen Insel mit Namen ~Megaride (heute Castel dell´Ovo) gegründet hätten {deducessero} : ~wozu Vico selbst, in der Scienza nuova prima, II, 64 (Opp., III, § 239), betont hatte, daß, da unter den im antiken Neapel verehrten Gottheiten es mit Mithras eine iranische und mit Osiris eine ägyptische gab, und da «die Perser niemals Kolonien übers Meer gründeten /führten {traggittarono} , und die Ägypter zu jenen Zeiten eine abergläubische Furcht vor der Seefart hatten» {ebbero superstizione di navigare}», der Kult jener Gottheiten in neapolitanisches Gebiet nur durch die Gründung {deduzione} einer tyrischen oder phönizischen Kolonie habe eindringen können. Andererseits war es nahezu communis opinio zur Zeit Vicos, daß die Griechen aus Cuma am neapolitanischen Golf zuerst Parthenope {Partenope} , dann, nachdem sie dieses selbst zerstört hätten, die neue Stadt oder Neapel erbaut hätten. So erklärt sich, warum Vico überhaupt /wie V. denn {perché mai} an eine phönizisch-griechische Sprache hatte glauben können, die seiner Meinung nach in Neapel zur Zeit des römischen Reiches gesprochen wurde: als «eine Art hellenistische {ellenistica} Sprache» erklärt er sie besser/genauer {meglio} in der Scienza nuova prima, III, 42 (Opp., III, § 386), also als eine vorwiegend griechische, in der aber ein alter Fundus von phönizischen Worten geblieben sei. Aber daß Tiberius mehr als an dieser «griechischen neapolitanischen Sprache als an der attischen Athens» Gefallen gefunden hätte, wie {secondo} Vico sich klarer an dem zitierten Ort der ersten Scienza nuova ausgedrückt hatte, wird von keiner Quelle behauptet, und wahrscheinlich kontaminierte Vico ungenaue/ vage Erinnerungen an die von Sueton (Tib., 71) und Cassius Dio {=SN: Dio Cassius (s. § 308 u.a.); Cassius Dio Cocceianus, Schrift über Träume und Vorzeichen, Plan zu Gesamtgeschichte Roms - kl.Pauly «Cassius» 4.} gegebenen/ überlieferten Nachrichten {notizie date da...} über die mangelnde Sympathie des finsteren Imperators für das Griechische mit der Tatsache seiner großen Liebe zu Capri und also für die neapolitanische Gegend {plaga}.  ¶  Nicht als syrische sondern als trojanische Kolonie bezeugt {afferma} Strabon, IV, I, 4 Sereites oder Polieion, wobei er nicht von der «poliadischen» {«poliade»} {H/J Minerva Polias} sondern der «trojanischen» {«iliaca»} Minerva spricht. (NICOLINI I, 106/07)