§ 371 - N I C O L I N I

«Aboriginer» ist nach den lateinischen Philologen der Name der ursprünglichen Bewohner Latiums, nicht der aller «alten Völker».  ¶  Vico nennt «emei» und «sanzommei» {Hösle/Jermann: «die Emiter und Samsummiter»} jene, die Genesis, XIV, 5 und Deuteronomium, II, 10 und 20-21 «enim» und «zomzommin» und «zuzim» nennt. Aber unter den «gelehrten Kennern der heiligen Sprache» schrieb gerade der Pariser Kapuziner Jacques Boulduc (ca. 1575- 1650), auf den Vico sich § 374 beruft und der, im Gegensatz zu dem, was Vico sich vorstellte, überhaupt nicht an die historische Existenz der Giganten glaubte «non gigantes, sed primi post diluvium mundi ac pietatis restauratores» (De Ecclesia ante Legem, Lyon 1626, pp. 71 sqq.) Andererseits wurde deren Historizität in einer anonymen Exercitatio contra Iacobum Boulduc de nephilinis, gigantibus vulgo dictis» geltend gemacht, die Damiano Romano, Apologia, pp. 119-20 zitiert.  ¶  Nimrod wird in der Bibel weder Emiter noch Samsummiter genannt und schon zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts stand mehr oder weniger fest (vgl. Boulduc, l.c.; Bochart, Phaleg et Chanaan, col 46) daß die Legende eines Riesen Nimrod allein einer Übertreibung und Inkongruenz der Septuaginta zu verdanken war, der es gefällt, in ihrer Fassung Genesis (X, 8-9) erzählen zu lassen, daß Nimrod ein gigaV auf Erden zu sein anhob und daß er ein gigaV Jäger vor dem Herr war, so daß sprichwörtlich wurde «wie Nimrod der gigaV Jäger im Angesicht des Herrn»: Drei gigaV, aus denen «gigas» in der alten Lateinischen Fassung des Alten Testamentes geworden war und darüber auch bei Augustinus (De civ. Dei, XVI, 11), die aber, wenigstens diesmal, von Hieronymus in der Vulgata emendiert wurden: das erste in «potens», die beiden anderen zwei in «robustus».  ¶  Ähnliches ist zu den «Giganten vor der Sintflut» zu bemerken, nämlich zu jenen, die zweimal die Septuaginta (Genesis, VI, 4), die alte Lateinische Fassung, über sie Augustinus (De civ. Dei, XV, 23,2) und das erste von beiden Malen auch die Vulgata giganteV und «gigantes» nennen. Bleibt zu erwähnen {Né va dimentaicata poi} die phantasievolle Fabel/Geschichte {favola immaginosa}, die vom biblischen «gigantes erant super terram in diebus illis» ausgehend, von dem apokryphen Buch Henoch gebildet wurde, daß nämlich zwanzig Engel, auf Erden hinabgestiegen, mit bildhübschen Mädchen ungeheure Riesen gezeugt hätten, die, von ihren Vätern in der Magie, der divinatorischen Astrologie und anderen ähnlichen Künsten gelehrt und nach und nach den schändlichsten Praktiken und sogar der Menschenfresserei ergeben, großes Wehklagen {??? alti lai} der übrigen Menschheit, eine Inspektion auf Erden durch die vier höchsten {dai quattro arcangeli maggiori} Erzengel, den Zorn des Herrn und die nachfolgende Sintflut bewirkt hätten (vgl. unter anderen Bang, op. cit., pp. 25-29). Jedoch wurde diese Fabel, obwohl teilweise von Augustinus (De civ. Dei, III, 5 und XV, 22-29) verteidigt, von Boulduc, was die Giganten angeht, zurückgeweisen, der, obwohl er glaubte, daß ein später ~zerstreutes {disperso} und gefälschtes Buch wirklich von Henoch geschrieben worden sei, andererseits auf der Tatsache beharrte, daß diese vorsintflutlichen Giganten nicht wegen ihrer Körpergröße, sondern «virtute, sanctitate, animi magnitudine, constantia ac bonis operibus, excellentes» (op. cit., pp. 70-71) {gewesen seien}.  ¶  Wenn Vico phantasiert, daß die Hebräer aufgrund der Gewohnheit, sich zu waschen, von richtiger Körpergröße geblieben seien, denkt er wieder einmal an die im § 170 erwähnten Stelle von Caesar und Tacitus, ohne doch zu bedenken, daß Caesar grade von den suevischen Giganten erzählt, daß sie in den Flüssen zu baden gewohnt waren.  ¶  Zu den hebräischen Gesetzen bezüglich der Sauberkeit der Körper (Exodus, XXIV, 4; XXX, 18 und 21; Leviticus passim) war Vicos direkte Quelle Marsham, pp. 164-65.  ¶  Von den römischen Opfern {lustrazioni-Reinigungen!!} vorangehenden Waschungen sagen die Quellen nichts: vielleicht interpretierte Vico weitläufig eine Stelle von Hofmann (I, 275), wo gesagt wird, daß bei etlichen heidnischen Völkern die Priester die beim Opfer anwesenden Personen und die Opfergeräte mit geweihtem Wasser sprengten.  ¶  Vom Gebrauch und symbolischen Wert von Wasser und Feuer bei den römischen Hochzeiten (vgl auch § 562) handeln Varro, De l.l., V, 10, 61; {LEXNAMEN.RTF->} Paulus Diaconus, {LEXNAMEN.RTF->} Festusepitome, ad v. aqua et igni; und andere antiken Schrifsteller, deren Stellen Vico wahrscheinlich in De veteri ritu nupiarum et iure connubiorum des französischen Juriskonsulten/Rechtsgelehrten/Juristen ~Barnabas Brisso (1531-91) fand: s. die Ausgabe Amsterm 1662, pp. 78 sqq. Vgl. außerdem § 549.  ¶  Zur «interdictio aqua et igni» §§ 610 und 957.  ¶  Daß die ursprüngliche Bedeutung von «lustra» «ferarum in sylvis cubilia» sei, las Vico im Etymologicon von Voss, II, 411: jedoch bedeutet «lustrare», aktiv und ohne Deponens, weniger «spiare», sondern «considerare», «esaminare» (Forcellini, ad v.).  ¶  Daß die Griechen die Jahre nach dem von Herkules an den nemeischen Wald gelegten Feuer an gezählt hätten (vgl. §§ 3 und 540) ist bloße Konjektur Vicos, die auf der anderen beruht, daß Herkules als erster die Olympiaden eingerichtet (§ 87) und ~Ifito sie nur verändert habe.  ¶  Die römischen Lustren erhielten diesen Namen nicht von den imaginären heiligen Waschungen, die den lustrationes vorangegangen seien, sondern von der Tatsache, daß die fünjährige Zählung {censimento} der Bürger von dem Opfer oder der Reinigung, «lustra» genannt, begleitet wurde, wie Vico selbst im Diritto universale (Opp., II, 421 und 633) hervorgehoben hatte.  ¶  Zum Vorrang des Wassers vor dem Feuer § 1192.  ¶  Das zweifelnde «vielleicht» zeigt, daß nicht einmal {nemmeno} Vico allzusehr an die phantastsische Korrelation zwischen der politeia und der Sauberkeit {puliza - Vico: «politus»} glaubte. Jedenfalls {Comunque} drückt «politus» weniger die Reinlichkeit sondern eher die Glätte oder Eleganz aus (Forcellini, ad v.). (NICOLINI I, 129-131)