§ 375 - N I C O L I N I

Unter den Grundsätzen, auf die Vico sich zu Beginn dieses Abschnittes /Paragraphen bezieht, kann es nur der XXXVI (§ 183) sein, obwohl er dort nur sagt, daß «die Phantasie ... um so kräftiger [ist] , je schwächer das Denkvermögen {il raziocinio}ist», nicht, daß die primitiven Menschen «kein Denkvermögen besaßen, sondern alle kräftige Sinne hatten und von äußerst starker Phantasie waren». Übrigens schwächt Vico an anderer Stelle dieses «kein» und dieses «alle» ab, indem er ihnen ein «fast - quasi» voransetzt (s. z.B. § 819 und vgl § 1377).  ¶  «Dies war die ihnen eigentümliche Poesie», insofern gemäß den Prinzipien Vicos eine nicht «rationale und abstrakte», sondern «sinnlich empfundene und vorgestellte {immaginata}» Metaphysik nichts anderes als Poesie sein kann. Aber auch hier verschmilzt und verwechselt Vico Poesie und Mythos (vgl. oben § 199 {auf Kommentar Nic. bezogen}).  ¶  Daß es der menschlichen Natur eigentümlich sei {sia insito nella natura umana farsi a ricercare...} , die Ursache für die Ereignisse zu suchen; daß, wenn diese Ursachen unsichtbar sind, der Mensch so oft so annimmt, wie sie ihm die Phantasie suggeriert; und daß deswegen die Unkenntnis der Ursachen der Ursprung der Vorstellung der Gottheit und somit der Weissagung gewesen sei: das sind Gedanken, die schon weitläufig von Hobbes entwickelt {ragionati} worden waren (Leviathan, cap. 12, und vgl. oben § 191 {Komm.Nic}).  ¶  Zu der Annahme, daß die Einwohner Amerikas vor seiner Entdeckung alle Dinge, die ihr geringes Fassungsvermögen überstiegen, «Götter» nannten (vgl auch § 437), konnte Vico durch ähnliche Gedanken von Justus Lipsius angeregt worden sein {poté essere indotto analogicamente da G.L.} , der gelegentlich der taciteischen Behauptung (Germ., 2), daß bei den Germanen die «carmina» das einzige «memoriae et annalium genus» waren, anmerkt: «Nec hispani aliter comperere apud Novos Indos»: vgl. C. Cornelii Taciti quae extant a Iusto Lipsio postreme recensita, in Lipsius, Opera IV (Anversa 1668), p. 434, nota 6.  ¶  Tacitus, Germ. 45, erwähnt nur, daß beim arktischen Eismeer der Glanz der Sonnenuntergänge den Glauben bestimmt habe, daß die Sonne, wenn sie ins Meer eintauche, göttliche Formen annähme {assumesse forme divine} und das Zischen des ins Wasser getauchten glühenden Eisens ertönen lasse {ed emetesse i sibilo...} {->RTF-KOMMENTAR} . (NICOLINI I, 132/33)