§ 410 - N I C O L I N I

Aufgrund der schon erwähnten Verwechslung {confusione tra} von Poesie, Mythos und Sprache {eben!} (§ 400) verknüpft Vico mit den Tropen {riattacca ai tropi} auch die mythologischen Monstren und die «poetischen Verwandlungen», d.h. die ebenfalls mythologischen Metamorphosen.  ¶  Der Grundsatz, auf den dann verwiesen wird, ist der XLIX (§ 209).  ¶  «daher mußten sie nach ihrer Logik die Subjekte zusammensetzen, um ihre Formen zusammenzusetzen {SN comporre}» bedeutet, daß kraft ihrer {íhrer!!}Logik, gewirkt nicht aus Gedanken {contesta... ragionamenti} , sondern aus phantastischen Personifikationen, die primitiven Menschen, da sie nicht mit einem abstrakten Wort die Koexistenz von zweien oder mehreren «Formen» oder «Qualitäten», die verschiedenen «Subjekten» oder Individuun eigentümlich waren, in einem «Subjekt» oder Individuum ausdrücken konnten, mythisch ein zusammengesetztes «Subjekt» oder Individuum bildeten {foggiarono} , mit dem aller anderne «Subjekte» oder Individuen mit ihren verschiedenen «Formen» oder Qualitäten verschmolzen, also genau die mythologischen Monstren: vgl Scienza nuova prima, III, 9 (Opp. III, § 271). Analog läßt sich aus den ersten Worten des § 411 («Die Unterscheidung der Ideen brachte die Metamorphosen hervor»), kombiniert mit dem entsprechenden Passus der Scienza nuova prima (III, 10, in Opp., III, § 272) entnehmen, daß die noch dunkleren Worte «oder ein Subjekt zerstören, um seine ursprüngliche Form von der entgegengesetzten, die eingedrungen war, zu trennen», in dem Sinne zu interpretieren sind, daß dieselben primitiven Menschen, da sie nicht in abstrakten Worten ausdrücken konnten, daß das Verhalten {atteggiamento} eines «Subjektes» oder Individuum sich ins Gegenteil verwandelt hatte (z.B. das Fliehen ins wie angewurzelt Stehenbleiben), sie phantasierten, daß dieses «Subjekt» oder Individuum sich in ein anderes verwandelt hatte (z.B. die fliehende Daphne in eine Pflanze). Aber trotz dieser Klarstellungen wäre es unmöglich zu verstehen, wie Vico denn jemals ausgehend von den mythologischen Monstren dazu kommen kann, von «monstrum = Frucht illegitimer Libido» zu reden, wenn hier nicht der späterere § 608 sowie in der Scienza nuova prima, III, 9 und 14, die entsprechenden viel deutlicheren Stellen (Opp., III, §§ 271 und 279) Klarheit schaffen würden, in denen gesagt wird, daß die ersten Menschen, da sie nicht mit einem abstrakten Wort den ebenfalls abstrakten Begriff «lüsterner/ geiler Mensch {uomo libidinoso}» ausdrücken konnten, andererseits aber beobachtet hatten, daß unter den Haustieren das geilste der Ziegenbock ist, mythisch das Monstrum des Ziegenmenschen, also Pan und die Satyren bildeten.  ¶  Nicht der savoyardische Juriskonsult Antoine Favre (1557-1624), der in seiner jugendlichen Iurisprudentiae papinianeae scientia, Ausgabe Genf 1624, etwas ganz anderes schreibt, sondern der neapolitanische Advokat Domenico Caravita - als Hundertjähriger 1770 gestorben, zu ihm s. Vico, Opp., V und VIII, Namensindex - ~~hatte in einer seiner ~Gutachten {s. zit aus DU, hier unten} /~~Auslassungen /~~Zirkulare {in una sua allegazione} {lat. allego (1) jd. (in Privatangelegenheiten) absenden, abordnen.... 3. (nkl.) etw. vorbringen, geltend machen;} , in der Favre zitiert wurde, zu schreiben {ebbe a scrivere} , daß in den römischen Gesetzen die Söhne der Prostituierten «monstra» genannt wurden: vgl. Vico, Note al «Diritto universale», dissertatio IV, § 56 (Opp , II, 692), hier ungenau zusammengefaßt {riassunto} . Jedenfalls wird von modernen Untersuchungen bestätigt, daß die «portenta und «monstra», d.h. die monströsen Neugeborenen, die die alte römische Gesetzgebung verurteilte, in den Tiber geworfen zu werden, nicht nur die «insignes ad deformitatem puieri» (§ 566) waren, sondern ebenso die unehelichen, aus Ehebruch entstandenen oder von einer Vestaling geborenen Kinder/Söhne {figli} .  ¶  Vgl. schließlich § 1222. (NICOLINI I, 152/53)