§ 426 - N I C O L I N I

«Derartige ... Denksprüche» usw.: Vico betont (vgl. schon §§ 414-16) das natürliche Bestreben der Knechte oder Plebejer, den Adligen gleichgestellt zu werden; ein Bestreben - so fügt er hinzu - , das Äsop mythisch mit den Fabeln gefördert habe, so wie nach ihm Solon mit dem Ausspruch Gnwqi seauton. Und tatsächlich hätten - so fährt er ziemlich dunkel fort - die ältesten auf uns unter dem Namen Äsop gekommmenen populären Fabeln ursprünglich diese ausschließlich politische Bedeutung gehabt, und die einer jeden angehängten moralischen Deutungen wären spätere Zusätze gebildeter Zeiten, in denen diese ursprünglich in Hexametern, dann in jambischen Senaren geschriebenen Werke schließlich in Prosa umgesetzt wurden. Eine zweifellos phantasievolle Hypothese, die aber, indem sie zu Recht den sicher polygenetischen Charakter der uns unter dem Namen Äsop überlieferten Sammlung betont, zugleich folgende zwei Grundlagen hat: a) die Behauptung Quintilians V, 13, daß der erste Verfasser wenigstens einiger dieser Fabeln Hesiod war: woraus Vico den Schluß ziehen konnte, sie seien ursprünglich in Hexametern geschrieben worden; b) die in Frankreich an dem äsopischen Text durchgeführten Untersuchungen zuerst (1610) von ~~Isacco Nicola Nivelet, dann von dem gelehrten Jesuiten ~~Francesco Vavasseur (1605-1681), von denen Vico Kenntnis haben konnte durch das ihm sicherliche bekannte Dictionnaire von Bayle (ed.cit. II, 404, Anm I): in diesen Arbeiten war man, nachdem die schweren Anachronismen hervorgehoben worden waren, von denen die aus jeder Fabel gezogenen moralischen Maximen wimmelten, zu dem Schluß gekommen, daß der Überarbeiter des eigentlichen Textes und Intperolator dieser Maximen eben jener Autor gewesen war, der im 14. Jhdt. n.Chr. das sogenannte Leben des Äsop kompiliert und den auf uns gelangten Text rezensiert hatte, nämlich der konstantinopolitanische Mönch Maximos Planudes. Nicht klar ist indes, wo Vico die «Überlieferung» gefunden haben konnte, nach der die äsopischen Fabeln vor ihrer Prosafassung in senarischen Jamben geschrieben worden wären: vielleicht glaubte er eine Überlieferung dieser Art in der Tatsache zu finden, daß der senarische Jambus eben das von Phädrus benutzte Metrum war.  ¶  Daß die Griechen, noch bevor sie in Prosa sprachen, in diesen Senaren gesprochen hätten, wird Vico sich in den §§ 462-64 zu beweisen bemühen: zum senarischen Jambus als Zwischenform zwischen dem Hexameter und der Prosa, § 233. (NICOLINI I, 159/60)