§ 427 - N I C O L I N I

Mit der Behauptung, daß die Philosophen der gebildeten Zeiten ihre eigene Philosophie den sogenannten Weisen des Altertums/der Urzeit {antichità} zuschrieben, spielt Vico nicht nur auf einen Brauch der Neoplatoniker der Antike {antichità} und der itialienischen Renaissance an, sondern vor allem auf sich selbst, der im Liber metaphysicus die eigene Metaphysik, die eigene Gnoseologie und die eigenen Naturphilosophie auf eine uralte ägyptisch-italische Weisheit hatte zurückgehen lassen. Wahr ist auch, daß er durch die Präsentation seiner neuen Philosophie in der Scienza nuova als Geschichte der dunklen und mythenhaften Zeit, ohne es zu bemerken und sogar während er es beklagte, in einen analogen Irrtum verfiel. Siehe ~jedenfalls zu Zoroaster, zu den zwei Mercuri Trismegisti und zu Orpheus §§ 55 und 59, 66-68 und 74, 79-81. Was nun Konfuzius angeht {quanto poi a Confucio...}. (zu ihm vgl. schon § 50), so ist natürlich die Hypothese, daß er, weit entfernt, der "Sokrates Chinas zu sein", wie er in Europa im siebzehnten Jahrhundert genannt wurde (Hofmann I, 957), ein bloßer Gesetzgeber, ja sogar eine mythische Personifikation der uralten chinesischen Gesetzgeber wäre, reine Phantasie. Indes, auch an der historischen Person des Konfuzius hat der Mythos nicht wenig gearbeitet und als Tatsache steht nur fest {e, del resto, sta in fatto ch´egli...} , daß er aktiv als Minister an der Regierung des eigenen Landes teilnahm und dabei eine utopische Rückkehr zu den Sitten der Zeit der dritten Dynastie Chou (1050 ff. v. Chr.). Ein Detail, von dem Vico Nachricht gehabt haben konnte vielleicht nicht so sehr aus den oben anläßlich des § 50 zitierten Büchern als vielmehr von einem jungen, hochgelehrten Chinesen, den Ripa (§ 99) mit sich nach Neapel gebracht hatte (Vico, Opp. VIII, 262 {=Autobiographie?}).  ¶  "Wie unten gezeigt werden wird": vgl. § 1087, wo aber in Wahrheit kaum mehr gesagt wird als hier. Jedenfalls haben, angefangen mit Platone in Italio (1804-1806) von Vincenzo Cuoco, der sich direkt an Vico inspirierte, und noch expliziter mit der Abhandlung von Krische, De societate a Pythagora in urbe Crotoniatarum condita scopo politico {Die von Pythagoras in der Stadt Crotona gegründete Gesellschaft in politischer Hinsicht ??} (Göttingen 1831), nicht ohne von den in den Biographien von Pythagoras von Jamblichos (Kapitel 130, 172 und 251) und von Porfyr (Kapitel 21 und 54) überlieferten Auskünften zu profitieren, die modernen Untersuchungen immer stärker den vorwiegend politischen Charakter des Pythagorismus bestätigt. Jedoch wurden sie nicht "sämtlich", sondern nur an die vierzig bis dreihundert in Kroton in einem durch eine Verschwörung von ihnen ausgelösten Tumult getötet, zur gleichen Zeit, wie das Haus von ~Milon, Sitz ihrer Bruderschaft (die sogenannte "Schule von Kroton") angezündet wurde. S. Polybos II, 39; Justinus XX, 4, 1, der unter anderem anachronistisch diese blutige, zwischen 460 und 450 v. Chr. vorgefallenene (das Datum ist kontrovers) Revolte mit der von ~Cilone um 510 etwa ~promovierten/angestifteten antipythagoräischen Bewegung vermischt, die das Exil von Pythagoras in ~Metaponto und die zeitweilige Vertreibung seiner Anhänger zur Folge hatte. Wahr ist ferner, daß man von all dem zu Zeiten Vicos sehr konfuse Vorstellungen hatte, die erst, und das nicht einmal gänzlich, durch neuere Arbeiten geklärt wurden, von denen eine Zusammenfassung sich in T. J. Dunbabin, The Western Greeks, the history of Sicily and South Italy from the fondation of the greek colonies to 480 B.C. (Oxford 1948) findet.  ¶  Zum dem "Goldene[n] Lied", zu den Zoroaster zugeschriebenen Orakeln, zum Poimander und die orphischen Theogonien vgl §§ 128, 100 und abermals {nuovamente} 128.  ¶  Genauer gesagt fügte Scheffer, op. cit. pp. 2-4, nachdem er eine Passage von Eusebius Contra Hieroclem, in Opera, ed. Migne, IV, 816 b) transkribiert hatte, in der erwähnt wird, daß Philolaos einige Abhandlungen von Pythagoras schriftlich niederlegte, hinzu, daß diese zweifelsohne "philosophiam pythagoricam comprehendebant", auf diegleiche Weise {nämlich} wie die Abhandlungen von Epiktet, von ~Arriano überliefert, die Lehre des Stoizismus . Vgl. auch § 1225. (NICOLINI I, 160/61)