§ 437 - N I C O L I N I

Schon im § 432 hatte sich Vico, als er die hieratische und die hieroglyphisch-chirologische Schrift zu einem einzigen Schrifttyp verschmolz, der Bezeichnung «heilig oder göttlich» für diese Sprache» bedient»: Adjektive, die man noch als Synonyme von «hieratisch» verstehen konnte und die deswegen Anlaß zu der traditionellen Deutung geben konnte, daß diese Sprache (oder Schrift) zur Behandlung göttlicher oder heiliger Themen benutzt wurde. Indem er aber hier den Ausdruck «Sprache der Götter» einführt und vor allem die im folgenden zitierten Stellen Homers anführt, zeigt er deutlich, daß er diese Sprache als «heilig oder göttlich» in einem ganz subjektiven und persönlichen Sinn versteht, nämlich als «von den Göttern gesprochene Sprache», also als die Sprache der Menschen, die während des Zeitalters der Götter sich für Götter hielten und sich selbst so nennen ließen (§ 377). Vgl. jedenfalls Grundsatz XXIX (§ 174).  ¶  An der vierten der fünf Stellen Homers (Il. I, 403-404, XIV, 74; Od. XII, 61, X, 305) fügt Vico ein petraV hinzu, daß sich bei Homer nicht findet. Außerdem entgeht ihm eine sechste Stelle (Il. II, 811-13), wo gesagt wird, daß er Hügel in der Ebene bei Troja von den Menschen Batieia und von den Göttern MurinniV genannt wurde. Der Kommentar Platos zu diesen Stellen findet sich im Kratylos 11 und 12, 392 sqq.; daß, wie Vico behauptet, Dion Chrysostomos (Reden XI, 157 (vgl. auch X, 149) den Plato «bezichtigt», reduziert sich auf das Scherzwort, daß Homer, nicht zufrieden damit, in seinen Gedichten die verschiedenen griechischen Dialekte vermischt zu sprechen, auch den «göttlichen» sprechen wollte.  ¶  «wie bald weiter unten gezeigt werden wird»: im § 449.  ¶  «Homini» = «Vasallen» findet sich tatsächlich im mittelalterlichen Latein (Ducange, ad v.). Aber nicht François Hotman, Disputatio de feudis, in Opp. ed. cit, II2, 928-29, der nur von hominium und homagium spricht, sondern Cujas, Observationes VIII, 14, in Opera omnia, ed. Neapel, 1758 III, 203, bemerkt, daß «hominium appellatione continentur vasalli».  ¶  Zu den «wunderbare[n] Geheimnisse[n] in der Medizin», die während des Mittelalters die großen Herren besaßten, vgl. Vico, Opp. VII, 47-48, 269-70. Und daß zumindest in Neapel, worauf Vico sich wahrscheinlich beziehen wollte, vor der spanischen Eroberung die Medizin, wenn sie auch nicht gerade die den Adligen eigene Profession war, so doch auch von ihnen ausgeübt wurde, wird von der hochadligen Familie Capece-Galeota bewiesen, deren Mitglieder während des fünfzehnten Jahrhunderts über drei Generationen hindurch sich der Heilkunst widmeten (vgl. B. Capasso, in Arch. stor. per le prov. nap. XIV, 1899, p. 118).  ¶  Der danach zweimal angeführte Grundsatz ist der XXX (§ 175).  ¶  Zum Hinweis auf die «Amerikaner» vgl. § 375.  ¶  «Daher müssen die Götterythen der Lateiner und der Griechen dasselbe wie die ersten wahren Hieroglyphen, das heißt heiligen oder göttlichen Charaktere, der Ägypter gewesen sein» will besagen, daß die einen wie die anderen dengleichen Ursprung hatten, da beide von dem Bedürfnis bestimmt waren, in Bilden oder sinnlichen Zeichen, d.h. in «poetischen Charakteren» abstrakte Ideen auszudrücken. Ein Vergleich, zu dem Vico auch von dem Vorwort zu De sapienta verterum von Bacon angeregt worden sein konnte: «Ut hieroglyphica literis, ita parabolae (=Mythen) argumentis antiquiores». (NICOLINI I, 174/75)