§ 688 - N I C O L I N I

«Naturphilosophen-fisici» bezeichnet gewöhnlich für Vico jene Philosophen oder Dichter-Philosophen der Natur, die als Prinzipien/Ursprünge der Dinge die «mit/aus den zweiten /sekundären Qualitäten geformten/formierten/ gebildeten Körper» oder die sogenannten vier Elemente ansetzten: vgl Scienza nuova prima, III, 21, in Opp., III, § 297. Von diesen Naturphilosophen/Physikern/fisici wurde das Chaos als «die Vermischung der allgemeinen/universalen Samen der Natur» angesehen, insofern es entweder - wie bei Hesiod, Theog. 116-22 (vgl. auch 700) und in ähnlichen Fragmenten der orphischen Theogonien und in den entsprechenden {rispettive} Deutungen von ~Agostino Steuco, De perenni philsophia, passim, besonders I, 1 und VII, 10 (Opera, ed. cit., III, 26, 148 und index rerum zum Begriff {voce} Chaos), welches Werk in dieser Hinsicht wieder einmal die direkte Quelle Vicos war - als die formlose Materie {la materia informe} beschrieben wurde, aus der die Welt und die Dinge der Welt {cose mondane} ihren Ursprung nahmen; oder [aber] {ovvero}, wie z.B. von den Stoikern, mit dem Wasser identifiziert wurde {fu identificato NELL´acqua} (Plutarch, Aquane an ignis utilior, 1, Laktanz, Div. inst., I, 5; vgl. auch Justus Lipsius, Physiologia stoicorum, II, 2, und 8, in Opera, IV, 569 und 577). Jedenfalls stellt Vico sich eindeutig [nettamente] gegen christliche Tradition, wenn/indem er behauptet, daß das Chaos, bevor ein naturalistischer, ausschließlich {prettamente} ein sozialer Mythos war - also vor der «Welt der Natur» in der «politischen Welt» (§ 331) gesehen/ erblickt wurde (§ 331) {«die Physik der Welt der Völker» in diesem § 688} - und die «verbrecherische Liebe {venere nefaria}» oder die dem tierischen Herumirren eigene Vermischung der menschlichen Samen (§§ 369 ff...). Denn diese christliche Tradition lehrte, auch durch den Mund von protestantischen Theologen, daß die «antiquissimi graeci philosophi, qui omnia ex Oriente hauserunt», beim «blaterare {plappern} de Chao, Erebos, Nocte e Orco» lediglich, wenn auch mit Entstellungen und Abweichungen {con corruzioni e deviazioni} , den mosaischen Bericht der Erschaffung der Welt nachgesprochen {avevano ... riecheggiato} hatten. Siehe z.B. Van Heurn, Historia philosophica, pp. 119-20; und vgl. {e cfr.} Voss, De origine et progressu idolatriae, II, 25 (Opera, V, 158).  ¶  Zum «politischen Licht» und zu den «berühmt/incliti» genannten Heroen § 523 {von H/J zu § 533 korrigiert}. Ganz vichianisch ist die Verschmelzung {unificazione} oder Verwechslung {confusione} von Chaos und Orkus (vgl. schon § 604), wobei letzterer, nachdem er zuerst als eine der Hauptgottheiten der Toten angesehen und manchmal mit Pluto oder Charon identifiziert wurde (vgl. Hoffmann, III, 466), dann in erweiterter Bedeutung das Inferno/ die Unterwelt selbst bezeichnete (Lukrez, I, 115; VI, 765; Vergil, Aen., VI, 273 usw.).  ¶  Zu Vicos Interpretation des Mythos von Pan und der Satyrn {sic, Wahrig} s. schon §§ 649 und 654. Was die «Philosophen» angeht, so sind die Auffassung von Pan als «geformtes Weltall» {come DELL´ «universo formato»} oder genauer als {di} «haec universa corporum naturalium moles {Masse, Grundbau, (große) Maschine, (Riesen)bau}» (Natale Conti, f. 296 b {da fehlt Kapitelangabe, s. nächste Conti-Angabe}), oder als {della} «rerum universitas» (Voss, De origine et progressu idolatriae, I, 12, in Opera V, 35 und vgl. hier weiter unten {appresso} § 910), und die andere von Proteus als {della} «Urstoff/prima materia» oder, deutlicher, als {come del} «rerum omnium principium et deorum antiquissimus» (Natale Conti, VIII, 8 f, 245 b), stoisch-neoplatonischen Deutungen der alten orphischen Mythen von Phanes {LEXNAMEN.RTF} (erster und höchster Lenker {reggitore} der intelligiblen Welt) und von Proteus geschuldet. Siehe von den orphischen Theogonie vor allem {segnatamente} jene «der Rapsoden» genannte, und vgl. außerdem Sexuts Empiricus, Adversus dogmaticos, III, 4, 12; Macrobius, Saturn, I, 22; sowie Justus Lipsius, Manductio ad stoicam philosophiam I, 17 (Opera, IV, 453), und Hofmann, III, 523 und 923.  ¶  Mit Proteus in Ägypten kämpft nicht etwa Odysseus, sondern Menelaos (Od, IV, 365 ff, 455 ff.).  ¶  Was nun die neue von Vico vorgeschlagene Interpretation des Mythos dieses Proteus angeht, so sollte man sie, um sie richtig {bene} zu verstehen, im Rahmen der allgemeinen Lehre Vicos von den «poetischen Metamorphosen» (§§ 410-411) lesen. (NICOLINI I, 300-302)