§ 803 - N I C O L I N I

Von Pseudo-Longinos s. De sublimitate, Abtlg. IV, wobei übrigens hinzuzufügen ist {aggiungendo, per altro, che...}, daß Älian {Eliano} {inaktiv}, Variae historiae, II, 20, ganz im Gegenteil die zeitliche Priorität der Odyssee gegenüber der Ilias vertrat. Einige der vielen und so unterschiedlichen Meinungen der antiken Schriftsteller zum Zeitalter Homers werden von den gewöhnlichen chronographischen Quellen Vicos berichtet: s., z.B., Petau, II, 38; und vgl. Hofmann, II, 553. Dennoch neigten schon im sechzehnten-siebzehnten Jahrhundert die Gelehrten zu der Behauptung des Herodot, II, 53, wonach der Dichter vierhundert Jahre vor ihm, und somit zwischen dem X und dem IX Jahrhundert gelebt hätte.  ¶  Wie im § 865 deutlicher erklärt wird, will Vico sagen, daß unter den vielen Meinungen zum Zeitalter Homers die einander am meisten entgegengestzten die sind, die aus dem Dichter eine Zeitgenossen respektive des trojanischen Krieges und von Numa Pompilius machen: was einen Unterschied von maximal vierhundertsechzig Jahren ergäbe. Jedoch als Zeitgenosse des trojanischen Unternehmens wurde Homer von niemandem behauptet: vielmehr {bensì} läßt ~Cratete - zitiert von Diodor Siculus, Fragmente des Buches VII (vgl. griechisch-lateinische ed. von Didot, I, 312 Anmerkung {in nota}) und, noch genauer, von Eusebius, Praeparatio evangelica, X, 11 (Opera, ed. Migne, III, 817 sqq.) sowie von Clemens von Alexandrien, Stromata, I, 21 (Opera, ed. Migne, I, 943 sqq.), - den Dichter vor dem reditus {Rückkehr, Heimkehr} der Herakliden zum Peleponnes leben (s. oben § 77): ein Ereignis, welches die Chronographen des sechzehnten-siebzehnten Jahrhunderts, gegeneinander polemisierend, unterschiedlich sechzig oder achzig Jahre nach dem traditionellen Datum des Falls von Troja ansetzten. (vgl., unter anderen, Petau, II, 34-36 und 291; Marsham, pp. 228-30), d.h. sechzig oder achtzig Jahre nach 1184 vor. Chr. nach Petau (II, 291), oder im Jahre 2830 {chron.Tafel: 2820 = Königreich Alba; trojan Krieg nach Tafel: 2820!!! - da steig einer durch)} der Welt oder 1154 vor Chr. der chronologischen Tafel zufolge: obwohl von diesen achtzig Jahren a Troja capta ~Cratete nicht gesprochen hatte bezüglich des erwähnten reditus, sondern der Zeit, in der Homer gelebt hätte. Jedenfalls zitiert Eusebius auch ~Eratostene, der den Dichter hundert Jahre nach der trojanischen Expedition leben ließ; ~Aristarco, der ihn auf hundertvierzig brachte; ~Filocoro, der ihn hundertachzig erklimmen ließ; ~Apollodoro, für den es zweihundervierzig waren; andere noch, die aus dem Sänger von Achilleus {Voß} und Odysseus direkt einen Zeitgenossen von Archilochos {Archiloco} : womit aus den vier Jahrhunderten fünf wurden. Und Clemens Alexandrinus, erwähnt außer den schon erwähnten Meinungen von ~Filocoro, ~Aristarco und ~Erastotene jene von ~Eutimene und ~Archemaco, denen zufolge Homer auf ~Chios etwa zweihundert Jahre nach dem Fall von Troja geboren worden sei; von ~Sosibio, der implizit von neuzig Jahren vor der Gründung der Olympiaden sprach, also vor 776 vor Chr. nach Petau (II, 297); von ~Teopompo, der mit der Berechnung von fünfhundert Jahren a Troia capta, implizit aus dem Dichter einen Zeitgenossen nicht etwa des Numa Pompilius machte, sondern von Tullius Hostius (671-639); nicht zu vergessen {nonché} von ~Euforione, der ihn in der achtzehnten Olympiade (688-85 v.Chr.) leben ließ: womit man genau auf die Jahre kam, die die Tradition der Herrschaft von Numa Pompilius (714-671) zuschrieb und damit, wenn nicht genau auf die vierhundertsechzig Jahre a Troia capta, die Vico nennt, doch auf weniger als vierzig Jahre mehr (genau 496). Wahr ist, daß zu Zeiten Vicos, den Autor der Ilias und Odysse in eine so junge Epoche zu setzen {Nico: in eine so niedrige Zeit hinabsteigen zu lassen} {fare scendere ... a epoca così bassa} als «Delirium» angesehen wurde. Vgl. Petau, II, 38, 299 und 301; Saumaise; Plininae exercitationes, I, 607-608; Marsham, p. 437; Hofmann, II, 488 und 533; IV, 520.  ¶  Mit der hinzugefügten Bemerkung {osservazione} zu Psammetichus III will Vico sagen, daß, wenn man annimt, Homer habe persönlich Ägypten gekannt, man ihn erst leben lassen könnten, nachdem 650 v. Chr. jener König die Tore seines Reiches den Griechen aus Ionien und Karien öffnete (vgl. § 90): weswegen, um dem Dichter eine weniger rezente Epoche anzuweisen, man annehmen muß, daß er von Ägypten, so wie von Lybien, auch von Phönizien und den anderen nicht griechischen Gebieten nur aus zweiter Hand, nach Berichten von phönizischen Reisenden, erzählte: eine Beobachtung, die man schon bei Bochart, Phaleg et Chanaan, passim findet, und die von der heutigen Forschung {Nico: stui odierne} ausgebaut worden ist {è stata ampliata}. Aber andererseits sind nicht «unzählig», sondern nicht mehr als ein paar die Stellen, wo der Dichter den phönizisch-griechischen Handel erwähnt; und alle Stellen der beiden Epen, an denen von den Phöniziern und Phönizien (besonders von ~Sidone) gesprochen wird, belaufen sich sogar {anzi} auf weniger als zehn (Il., VI, 291; XXIII, 743 sqq.; Od., IV, 83 sg., 618; XIII, 272 sqq.; XIV, 291; XV, 118, 415 sqq.).  ¶  Wie aus den Notae zum Universellen Recht (Opp., II, 680) zusammen mit den §§ 89, 90, 688 und 1153 hervorgeht, kannte Vico von den homerischen Stellen zu Ägypten jene, die betrafen das hunderttorige Theben, das der Helena von der ägyptischen Polidamna, Gattin des Thons {alle Namen Voß, Od., IV, 227 ff.} (vgl. auch hier unten § 1153) geschenkte Zaubermittel {nepente - nhpenJeV}, den Kampf zwischen Menelaos und Proteus, die fünf Tage Fahrt (mit günstigem Wind) zwischen Kreta und Ägypten sowie die höchst übertriebene Entfernung, die der Dichter zwischen die Insel {l´isoletta} Pharos und das feste Land legt (Il., IX, 381 sqq.; Od., IV, 227 ff; 354 sqq., 454 sqq.; XIV, 253 sqq.): anscheinend kannte er indes nicht (oder berücktsichtige zumindest nicht) die ziemlich zahlreichen Hinweise auf den Nil {i parecchi accenni}, vor allem im Bericht des Menelaos an Telemach (Od., IV, passim) und die anderen noch häufigeren {gli altri, pure frequenti} auf Ägypten im Allgemeinen, vor allem in dem Gespräch zwischen Odysseus und Antinous (Od., XVII, 424-28).  ¶  Statt «so vieles» von Lybien zu erzählen, erwähnt Homer es nur zwei mal flüchtig (Od., IV, 85; XIV, 295).  ¶  Zu Phönizien, vgl. schon § 89 und 90, sowie die angeführten Notae (Opp., l.c. und vgl. unten § 1153), wo, durch ein aus der Tatsache herrührendes Versehen, daß gerade Phönizien sich unter den Ländern befindet, die Menelaos besucht zu haben erzählt (Od., IV, 83), von Vico behauptet wird, ein imaginärer phönizischer König hätte der Helena die Geschenke gemacht, die, so der Dichter, Menelaos von Polybos, König des ägyptischen Thebens, erhalten hatte und Helena von dessen Gattin Alkandre {Namen nach Voß} (ibid., 125-32).  ¶  In den Notae, l.c., befand sich unter der Zahl der Gegenden, von denen Homer aus zweiter Hand erzählt hätte {discorrerebbe}, auch Äthiopien, oder die sehr unbestimmte Region, die die Alten mit diesem Namen bezeichneten: wobei Vico an das Gespräch zwischen Thetis und Achilleus {Voß} (Il., I, 423-28, und vgl. oben § 712) und die Aufteilung des Landes in West und Ost (Od., I, 23-24) gedacht hatte {aveva rammentato}. (NICOLINI II, 21-23)