§ 806 - N I C O L I N I

«Starke Bedenken» {HJ} oder starken Zweifel {Nico & Vico: forte dubbio} ob nicht Homer statt des behaupteten göttlichen Poeten {che s´asserisce}, «ein ganz gewöhnlicher Mensch» wäre/sei {fosse} - ein Zweifel, den Vico auf die Weise löst, die man im § 873 sehen wird - hatten schon, aber nicht als Zweifel, sondern als absolute Sicherheit, Boisrobert und D´Aubignac geäußert, denen zufolge der Sänger von Achilleus und Odysseus nur einer der vielen alten Bänkelsänger {cantastorie antichi} gewesen sei, die ihre Ware einem Publikum anbieten ,das sich überhaupt nicht von den «faquins» und «portefaix» des Pariser Pontneuf unterscheidet. Ebenso ist wahr, daß diese These Verneinungen und Proteste nicht nur, unter anderen Homerophilen, bei Boileau (Réflexions sur Longin, in Oevres, ed. Paris, 1824, II, 254), sondern sogar bei dem wilden {fiero} Antihomeristen Lamothe (Discours sur Homère, im Vorwort zu seiner französischen Übersetzung {premesso alla sua...} der Ilias, Paris, 1713, p. x) hervorgerufen hatte. Die «verzweifelte Schwierigkeit» des Horaz (die, natürlich, bei dem Dichter nicht jenes verzweifelte und rein vicosche Pathos hat) wird zum Ausdruck gebracht in den berühmten Versen «Difficile est proprie communia dicere», usw. (Epist. ad Pisones, 128 sqq.), die bei den Exegeten so heiß umstritten waren und von Vico (Opp., VII, 62 sqq.) in dem Sinn gedeutet werden, daß es schwierig sei, aus den philosophischen Gattungsbegriffen poetische Gattungsbegriffe oder Charaktere zu bilden {che sia difficile DI SUI generi filosofici fingere...}.  ¶  Was Vico von der Griechischen Komödie hinzufügt (und mit weiteren Ausführungen {con amplificazioni} im § 911 wiederholt) ist die Frucht nicht immer genauer Erinnerungen an bekannte Stellen klassischer Schriftsteller, die zu seinen Zeiten Gegenstand unzähliger Diskussionen waren. Vgl., unter anderen, Aristoteles, Poetica, 5, p. 1449 a-b; Cicero, De rep., IV, 10 (ein Fragment, das, da Augustinus es mittgeteilt hatte, folglich zu denen gehörte, die bekannt waren, bevor Mai den berühmten Palimpsest entdeckte, in dem übrigens das vierte Buch fehlt); Horaz, Satiren, I, 4, 1-5 und Epist. ad Pis., 281-84 (und vgl. Vico, Opp., VII, 72); Quintilian, X, 1, ecc.  ¶  Das «athenische Gesetz» ist jenes berühmte, das um 404 v.Chr., zur Zeit der Dreißig Tyrannen {dei Trenta tiranni}, veröffentlicht wurde, und den komischen Schriftstellern sowohl die Benennung lebender Personen mit ihrem Namen verbot, wie auch die ~Parabase {la parabasi}, bzw. die direkte Ansprache der Zuschauer durch die Person des Chorführers {corifero, richtig wohl: corifeo (Koryphäe!!)}, um so die Komödie ihrer vornehmsten Eigenschaft als politische Satire zu berauben. Jedoch diesem Gesetz unterstanden {sottostettero} im vierten Jahrhudnert v.Chr. nicht nur Menander und die anderen Autoren der sogenannten Neuen Komödie, sondern auch die der Mittleren Komödied und sogar, in den letzten Jahren des vorangehenden Jahrhunderts, Aristophanes selbst in seinen letzten Schöpfungen. S., unter anderen Schriftstellern des siebzehnten Jahrhunderts, ~Samule Petit, Leges atticae citate, p. 151; und vgl. Hofmann, I, 944-45.  ¶  Zu der anderen, am Ende des Paragraphen mit einer leichten Ungenauigkeit {con una lieve inesattezza} transkribierten Stelle von Quintilian vgl. Inst. orat, XII, 10, 30. (NICOLINI II, 23/24)