§ 817 - N I C O L I N I

Zu den «wahren Geschichten», die die sowohl die antiken wie die mittelalterlichen lateinischen Dichter sangen, § 471; zum Hinwei auf Turpin, 159; zu der Natur der Barbarei als «natürlicherweise wahrhaft, offen» usw. 516 und 708; zur Göttlichen Komödie als Erzählung von «wirklichen Taten», 786. Sicherlich {Di certo} schreibt Dante selbst, De vulg. eloq. II, 4, dem heiligen Gedicht den Titel «Komödie» (in der besonderen Bedeutung, die das Wort im Mittelalter hatte) gegeben zu haben auf Grund des Stils, der zwischen jenem der «Tragödie» und dem der «Elegie» gelegen sei. Trotzdem hatten schon Iacopo Mazzoni, Difesa della «Commedia» di Dante (Cesena 1587), Buch II, passim, besonders cap. 23, p. 308, und kurz vor Vico Gravina, Ragion poetica II, 10 (Opere, ed. cit. III, 51-52) genau aus dem von Vico angegebenen Grund die dantesche Komödie mit der aristophanischen Komödie vergleichen.  ¶  Von Pseudo-Longinus siehe De sublimitate, sez IX.  ¶  In der Rede zum Tod der Cimmino und in der Schrift über Dange (Vico, Opp. VII, 159-70 und 81) war Petrarca mit impliziter Vorliebe für den Canzoniere {pel canzoniere (nicht als Titel)} als unvergleichliches Beispiel für «zarte Dichtung {dilicata poesia} » angeführt worden. Aber da hier, in der zweiten Neuen Wissenschaft, das Prinzip zu den extremsten Folgen geführt wird, daß wahrhaft große Dichtung nur die historische vom homerisch-danteskem Typ ist, verwandelt Vico den Petrarca auf befremdliche Weise {stranamante} , gewissermaßen aus Angst, den Sänger von Laura zu einem Dichter zweiter Klasse zu degradieren, in einen heroisch-barbarischen Dichter der eben genannten Art, wobei er nun Africa und den Trionfi den Vorzug gibt, also gerade den Dichtungen, die nicht etwa heroisch und daher poetisch konfigurierte «Sammlungen ... geschichtlicher Erzählungen» sind, sondern nichts anderes als reflektierte, kalte und deshalb unpoetische Gelehrsamkeit.  ¶  Indem er die Satyre der Tragödie voranstellt /vorangehen läßt {Col preporre} und hinzufügt, daß diese «nicht nur wirkliche, sondern, mehr noch, bekannte Personen aufs Korn» nahm, verschmilzt und verwechselt {fonde e confonde} Vico das sogenannte griechische Satyrspiel {dramma satiresco greco} mit dem, was in den modernen Literaturen nach und nach die Satire geworden ist. Vgl. auf jeden Fall 910 und 912.  ¶  Mit dem Hinweis auf die Wiedergeburt der neuen Kompdie während des italienischen sechzehnten Jahrhunderts liegt natürliche eine Anspielung auf die literarische /gebildete Komödie in Nachahmung des Plautus und besonders des Terenz {alla commedia letterata d´imitazione plautina e specialmente terenziana} . Erstaunlich ist übrigens, daß weder hier noch anderswo Vico, der doch Neapolitaner war, jemals die Commedia dell´arte erwähnt, die, noch in Blüte zur Zeit, als er schrieb, mit der antiken griechischen Komödie nicht nur eine exzessive Freiheit der Sprache gemein hatte, sondern auch die {LEXSACHEN.RTF->} Parabase {parabasi} , also die direkten Anreden {i discorsi diretti} , die besonders der zweite {LEXSACHEN.RTF->} Zane {il secondo zani - s. ZING; Metzl.Lit.Lex} , also in Neapel der {LEXSACHEN.RTF->} Pulcinella {il Pulcinella} an die Zuschauer richtete.  ¶  «musikalisches Drama - dramma per musica - SN drami per musica» wird nicht nur in der allgemeinen Bedeutung von «Melodrama» oder «Oper» verwandt, sondern in der engeren von «Opera seriosa»: darin liegt klar eine Anspielung {con che è evidente l´allusione} auf die insgesamt tatsächlich historischen Melodramen des Metastasio, mit denen, ausgehend eben von Vico, der Abbate Galiani auch seinerseits die griechische Tragödie vergleichen wird (vgl. F. Nicolini, Gli studi sopra Orazio di Ferdinando Galiano Napoli 1910, p. 128 sqq.). Aber andererseits ist es sehr wahrscheinlich, daß Vico mit dem folgenden Hinweis auf die «Komödien», außer auf die in Prosa, sich auf die sogenannte «Opera buffa» in Musik {in musica} beziehen wollte, die 1709 in Neapel auf Initiative, so scheint es, eines seiner Mitarbeiter in mehr als einem poetischen Sammelband /Sammelband von Dichtungen (Nicola Corvo) erschienen war {sorta in Napoli...} , 1730 noch in höher Blüte stand, und die sicherlich nicht ihre Gegenstände «der Geschichte» entnahm.  ¶  Vgl. außerdem {poi} § 1333. (NICOLINI II, 27/28)