§ 856 - N I C O L I N I

Zu Hesiod, §§ 97 und 855. Nun mag es seltsam erscheinen, daß Vico nicht daran dachte, wie man doch in gewisser Weise/irgendwie/langsam/immer mehr {in qualche modo} zu seiner Zeit zu tun begann, den jüngeren Autor der Werke und Tage, also, sollte man meinen {parebbe}, den wahren Hesiod, vom älteren Autor der Theogonie zu unterscheiden. Andererseits wird diese Unterscheidung, zumindest implizit, am Ende eben dieses Paragraphen gemacht, indem bei der Annahme, daß in gewisser Weise Hesiod früher als Homer gelebt haben könne, sicherlich nicht seine Werke und Tage, sondern eben nur seine Theogonie {Hesiod, «der lauter Mythen von Göttern erzählt»} angeführt wird.  ¶  Der Vergleich der Zykliker mit den Rhapsonden gründet auf der Konjektur, daß kukloV von dem «im Kreis» versammelten «gemeinen Volke», das auf diegleiche Weise wie bei den Rhapsoden zusammengekommen {accorsa} wäre, um diese Zykliker «an Festtagen» zu hören. Und natürlich wurde Vico zu der Formulierung einer solchen Hypothese, in der ihm der Abbé Galiani folgte (vgl. Nicolini, Gli studi sopra Orazio die Ferdinando Galiani cit., p. 121), von der übergroßen Begeisterung veranlaßt, die zu seiner Zeit (und auch noch für etwa weitere eineinhalb Jahrhunderte) in Neapel die sogenannten {VicoNet.HLP : §856 REFER (Gregovorius; mach MISZ draus! 13.12.99) ->} «Rinaldi» hatten (und haben werden/haben sollten {avranno}), die auf der ~Hafenmole {sul Molo}, so wie in diesem Paragraphen erzählt wird, die Ritterepen vorlasen {leggevano} und paraphrasierten. Aber schon am Ende des siebzehnten Jahrhundert galt als gesichert (vgl. Hofmann, I, 1058 und 1059; III, 463-64) daß mit kukloV und seinen Ableitungen {e derivati} ursprünglich auf die «ununterbrochene Erzählung» {«racconto continuo»} oder eben den «Zyklus» der griechischen mythologischen Geschichte angespielt wurde, den ein Gelehrter der alexandrinischen Schule (es scheint Xenodotos gewesen zu sein) zusammenstellte, indem er alte {antiche} Theogonie, Titanomachien, Gigantomachien, Argonautika, Thebaiden, Iliaden usw. in einem einzige corpus zusammenstellte; und daß erst nachdem von diesem Zyklus wegen ihrer Vortrefflichkeit die Werke von Homer und Hesiod getrennt wurden, der Ausdruck «zyklischer Dichter» den verächtlichen Wert von «Trivialdichter» annahm.  ¶  Zum horazischen «vilem patulumque orbem» s. den Brief an die Pisonen, v. 132, und vgl. Vico, Opp, VII, 63-64. Aber Dacier wirft, genauer besehen, Daniel Heinsius vor, diesen «vilem patulumque orbem» als einen «vain circuit de paroles, qui ne font rien au sujet, [de?] toutes sortes d´épisodes étranges» zu interpretieren und meint, daß orbis «le circuit, n´est autre que de faire entrer dans la tragédie toutes les parties du poème d´Homère» (Oeuvres d´Horace en latin, traduites en français par M. Dacier et le père Sanadon, avec les remarques critiques, historiques et géographiques de l´un et de l´autre, VIII, Amsterdam, 1735, p. 133). Jedenfalls vgl. auch § 1336.  ¶  «So nennt Horaz in derselben Dichtkunst selbst ausdrücklich »zyklische Dichter« einen trivialen und für den Markt taugenden Dichter»: Epist. ad Pis., v. 136, und vgl. Vico, Opp, VII, 64.  ¶  Von Langbaine siehe die Nummer 8 der seiner kommentierten Ausgabe des Pseudolonginus (Liber de grandi eloquentia seu sublimi dicendi genere, usw, Oxford 1636) vorangestellten Bibliographie. Siehe schließlich § 1336. (NICOLINI II, 35/36)