§ 911 - N I C O L I N I

Die Dreiteilung der Tragödie in «alte», «mittlere-mezzana» (mittlere-media) und «letzte» (neue) modelliert Vico nach der traditionellen der Komödie.  ¶  Nicht besonders klar ist {Non è chiarissimo} , ob Vico mit der Behauptung, daß Aischylos «aus... eben dieser Satire», also aus der griechischen dramatischen Satire oder dem Satyrspiel «die Mittlere Tragödie», d.h. die wahre und wirkliche Tragödie «entwickelte» {H/J; SN «portò... nella tragedia mezzana»}, behaupten wollte, wie es den Anschein hat, daß von Aischylos an das Satyrspiel vom athenischen Theater verschwand {scomparisse: laß mal die Konjunktive}. Im bejahenden Fall würde Vico sein Unwissen darüber zeigen, daß in den tragischen Tetralogien, einschließlich derjenigen von Aischylos, Sophokkles und Euripides, der vierte Teil genau {appunto} ein Satyrspiel war, also eine Fabel, in welcher die Choreuten, statt, wie Vico zu Recht {giustamente} {auf den Chor in den anderen Teile der Tetralogien bezogen?} bemerkt, «Menschen» darzustellen, weiterhin als Satyrn maskiert auftraten. Wahr ist, daß von all diesem man zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts keine sehr genauen Vorstellungen hatte.  ¶  Daß die alte Kömödie von der aischyleischen [mittleren] Tragödie herkäme {derivasse} [oder deren «Anfang» wäre], ist eine Vermutung («mußte»), die gänzlich entgegengesetzt ist dem Zeugnis des - um nicht andere zu zitieren - Aristoteles, der , nachdem er hervorgehoben hat, daß auch die Komödie, gleichermaßen wie die Tragödie {al pari della..} , zuerst eine rudimentäre Improvisation war, hinzufügt, daß der Ursprung der Komödie in einem Chor zu suchen ist, das heißt in den «Sängern von phallischen Gesängen {Fuhrmann übersetzt t£ fallik£ mit «Phallos-Umzüge»}, die auch heute noch in vielen Städten Brauch sind» (Poetik 1449 a 10 sqq.). Es kann indes sein, daß Vico schlecht das deutete oder erinnerte, was kurz danach (1449 b {statt a, wie bei Nicolini} 40 sqq.) derselbe Aristoteles hinzufügt: daß nämlich erst später den Dichtern vom Staat {Archon} finanzierte komische Schauspieler oder Choreuten zur Verfügung gestellt wurden, bzw. daß erst nach dem tragischen auch das komische Theater eine staatliche Einrichtung wurde.  ¶  Daß in der alten Komödie nicht immer «berühmte Persönlichkeiten», oder «bekannte und lebende personen» (§ 806) in die Fabel eingefügt wurden, geht aus Aristoteles hervor, der unter anderem erwähnt, daß schon Krates {Cratete} {vgl. Nicolini zu § 906} {s. Fuhrmann, Fußnote 5, p. 108}, nachdem er die Komödie mit persönlichen Invektiven aufgegeben hatte, wahre/richtige Fabeln /Handlungen mit erfundenen Personen und Verwicklungen {vere favole con personaggi e intreccio d´invenzione} zu schreiben begann (Poetik 1449 b 7 {statt Nicol. 1445 b 6 sqq.}) . [Weiterhin geht aus Aristoteles hervor,] daß es vielmehr {anzi} unter den Tragödien welche gab, in denen die bekannten Personen nur eine oder zwei waren und die anderen erfunden {e gli altri d´invenzione} , und sogar {adirittura} eine wie der Antheus des Agathon {s. Fuhrmann Anm. 7, p. 114} (der Gastgeber {l´anfitrione} im platonischen Gastmahl), wo Personen und Handlungen gänzlich erfunden waren (ibid. 1451 b 20 {statt Nicol. 20}).  ¶  Statt Sophokles neben Euripides unter die Autoren dessen zu setzen, was Vico «letzte Tragödie» nennt, hatte Aristoteles bemerkt, daß die Teilname des Chors an der Handlung, die noch bei Sophokles vollkommen war, weniger vollkommen bei Euripides wird, und bei den späteren Tragiker dermaßen herunterkommt, daß die Chorpartien jeder Handlung {favola} angepaßt werden können /// {näher an Aristoteles: (?)} zu jeder Handlung passen {da rendere le parti corali adattabili a qualsiasi favola} (Poetik 1456 a 25).  ¶  Zur neuen Komödie, § 806. (NICOLINI II, 51/52)