§ 972 - N I C O L I N I

Die Legende, die Vico [hier] mitteilt, geht auf einen anonymen Annalisten aus Köln zurück, der 1170 schrieb, also dreißig Jahre nachdem Konrad III. von Hohenstaufen und sein Bruder Herzog Heinrich Weinsberg eingenommen hatten. Sie wurde dann, immer weiter mit dramatischen Einzelheiten angereichert, in den Bericht von anderen Einnahmen von Städten eingefügt {innestata} , die zu verschiedensten Zeiten und in verschiedensten Ländern (Deutschland {Germania} , Frankreich, Italien, Schweiz) geschehen waren. Wahrscheinlich entstammte die Sage {favola} dem historischen Bericht von der Übergabe von ~Crema, das 1160 von Barbarossa eingenommen wurde, der jedem Bewohner erlaubte, von seinen Haben {dei propri beni} soviel mitzunehmen, wie er auf den Schultern tragen konnte {quel tanto che potesse reggere sulle spalle} : da es nie an einigen Chronisten fehlen {gaicché non manca qualche cronista} , welche dann, wenn sie die Szene // solche Szenen rhetorisch ausschmücken {nel descrivere rettoricamente la scena} , auch //eben gerade {discorra appunto} von Müttern mit Kindern am Hals reden, von Gatten, die sich ihre Frauen aufladen oder auch von Frauen, welche sich die kranken Gatten aufbürden {s´addosano i mariti infermi} . Bemerkenswert ist jedoch, daß der Anonymus aus Köln, der auch die Einnahme von ~Crema erzählt, die Anektdote einer Frau hinzufügt, die mit Barbarossas Erlaubnis statt anderer Güter den ~schuldigen Gatten {il marito colpevole} trug. Alles führt also zu der Vermutung {Totto, dunque, induce a credere} , daß eben dieser Chronist, in seiner Begeisterung für die barmherzige Tat {invaghito (bezaubert von) del atto pietoso} , sie auch in den Bericht von der Einnahme von Weinsberg {Weisberg - sic} übertrug {traspiantasse...} und sie, um einen noch größeren Effekt zu erzielen {per ottenere effetto più mirabile} , auf eine ganze Bevölkerung von Frauen übertrug, um dann /folgerichtig /entsprechend die List hinsichtlich der Worte Konrads zu erfinden {e immaginando conseguentemente l´astuzia fondata sulle parole di Corrado} . Dies wenigstens ist das Ergebnis, zu dem die jüngsten Forscher {gli studiosi più recenti} gelangt sind, von denen allerdings einige die Historizität der Anekdote behaupten {tra i quali, tuttavia, qualcuno sostiene la storicità dell´aneddoto} . Bei gleicher Gelegenheit {Al medesimo proposito} («Pro scriptis verbis legum contra sententiam legislatoris») wiederholt Vico sie in den öfters zitierten unveröffentlichten Schulschriften, in denen er hinzufügt: «das spartanische Heer, als es unter dem Kommando des König Agesilaos kämpfte, verletzte ein Gesetz: so daß, kraft seiner //dieses Gesetzes, es gänzlich hätte zu Tode gebracht werden müssen. Um es nicht zu vernichten, erzeugte man mit einem anderen Gesetz den Anschein, daß es das verletzte nie gegeben habe. So sakrosant waren bei diesem Volk // bei dieser Gens {gente !} die Gesetze, daß, um nicht ungestraft eines verletzt erscheinen zu lassen {per non farne vedere violata impunemente una} , sie die geschehenen Dinge als ungeschehen fingierten /erdichteten {fingevano non fatte les cose fatte} .  ¶  Zum Hinweis auf Grotius, Selden und Pufendorf, § 329. (NICOLINI II, 75/76)