§ 1041 - N I C O L I N I

«von der Überlegung, daß in solchen öffentlichen Versammlungen die Geister der einzelnen Menschen, deren jeder von leidenschaftlichem Interesse für den eigenen Nutzen erfüllt ist, sich vereint fanden in einer leidenschaftslosen Idee eines gemeinsamen Vorteils» ist vielleicht eine Anspielung auf die ~Art der ~Untersuchung, die in der Politeia angestellt {carattere della ricerca compiuta nella Repubblica} wird, und zwar besonders an den Stellen, wo Platon sich mit dem Begriff der Gerechtigkeit beschäftigt (I, 351 a; IV, 433 b) {finde dort keine einer solchen Anspielung entsprechende Aussage}. Aber die Theorie, daß die Menschen vom privaten Vorteil zur Vorstellung des gemeinsamen Vorteils geführt würden, kann nicht Platon zugeschrieben werden, sondern ist eine Interpretation Vicos, die nach Stoizismus schmeckt. Vgl. auch § 341.  ¶  «die Menschen sind als einzelne von ihren Privatinteressen geleitet, aber als Gemeinschaft wollen sie Gerechtigkeit›» ist ebenfalls eine Glosse Vicos.  ¶  Daß Vico mit den folgenden Worten «[Plato erhob sich...] zur Erforschung der vollkommensten intelligiblen Ideen der geschaffenen Geister, die getrennt sind von diesen geschaffenen Geistern» auf die Ideenleere anspielen wollte, die Plato passim, aber vor allem im Parmenides» entwickelte, sagt er selbst in De uno, cap. 185, § 4 (Opp. II1, 209). Aber es handelt sich wie gewöhnlich um ein einen ziemlich vagen und ungenauen Hinweis, der sicherlich nach dem Gedächtnis gemacht wurde und auch nicht aus ersten Hand stammt. Vgl. jedenfalls Parmenides 130 b-c, wo man lesen kann, daß unter den Ideen, die Plato als «empfangene» {idee concepite}, und Vico als «getrennt ... von diesen Geister» bezeichnet, — also unter denjenigen, die dem menschlichen Geist erscheinen, ihn aber zugleich transzendieren — auch die des Gerechten ist. Daß aber die Ideen, wenn sie nicht aus dem Geist der Menschen (oder der Engel) stammen, in Gott sein müssen, ist keine Lehre Platons, sondern patristische Platointerpretation.  ¶  Zum «philosophischen Heros» Platons vgl. schon § 515; wobei anzumerken ist, daß Vico die platonische Vorstellung des «Daimon» mit der des «Philosophen» verwechselt {contaminando}, von dem in der Politeia die Rede ist, und so dem griechischen Denker die Vorstellung eines «philosophischen Heros» zuschreibt, der wie ein Gottt «mit Freuden über die Leidenschaften gebietet» (eine stoische Lehre): es ist aber dieser Heros eher der von der intellektualistischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts erträumte und ersehnte. (NICOLINI II, 114)