§ 1057 - N I C O L I N I

Vgl § 1391.  ¶  Wie Vico im vorigen Kapitel von den wiedergekehrten göttlichen Zeiten oder den ersten Jahrhunderten des Mittelalters gesprochen hat, so geht er in diesem Kapitel - man vergegenwärtige sich dazu die §§ 262-63, 437 und 599 ff. - dazu über, die wiedergekehrten heroischen Zeiten (ungefähr von Karl dem Großen an), und am Ende des Kapitels die wiedergekehrten menschlichen Zeiten (Vorrenaissance, Renaissance und Moderne) zu behandeln.  ¶  Die «Unterscheidung fast verschiedener Naturen» besteht in der Wiederkehr der Unterscheidung zwischen Heroen und Famuli bzw. Knechten (passim, besonders §§ 533 ff.), die sich im mittelalterlichen Feudalsystem als Unterscheidung zwischen Herren und Vasallen darstellt.  ¶  Zum Hinweis auf Hotman (siehe von ihm auch De feudis, lib. I, Einleitung, in Opera., ed. cit II(2), col. 1180) vgl. § 437.  ¶  Von den synonymen Wörtern «hominium» und «homagium» ist das erste älter: siehe Ducange ad vv.; Hofmann II, 857, und vgl. schon Hotman, Disputatio de feudis, in Opp. II(2), 857. Es ist jedoch nicht  Helmold - ein deutscher Geistlicher, der zur Zeit Friedrich Barbarossas lebte, Autor einer Historia sclavorum{GAFFIOT: Sclavini, Sclavorum, peuple voisin des Bulgares [les Esclavons]. JORD.} bzw. der ~Dalmatiern{dei dalmati; nicht nur Hunderasse!} von ihrer Bekehrung zum Christentum an, die zur Zeit Karls des Großen stattfand, bis 1168 - sondern Cujas, der schreibt, daß «hominium» ein «treffenderes - concinnior» [Vico: «più elegante»] Wort ist als «homagium» und dann allerdings hinzufügt, daß es unter anderen von ihm zitierten Autoren auch von Helmold benutzt wird (De feudis, l.c., in Opera II, 1178). Was dann die Etymologien von «hominium» und «homagium» angeht, so scheint erstere ganz vichianisch zu sein; die zweite wurde schon von Hofmann, l.c. aufgestellt.  ¶  Unter den «gelehrten Feudisten» paraphrasieren einige, z.B. Budé, «hominium» mit «obsequium»; andere sprechen von einem «hominium obsequiale». Zu letzteren gehört Hofmann, l.c., auf den Vico sich besonders berufen zu wollen scheint, und der, nachdem er hominium in obsequiale, feudale, und sociale unterschieden hat, ersteres als «veneratio cum promissione obsequii et operae militaris» definiert: was genau die Art von hominium ist, von der Vico spricht.  ¶  Wenn Vico dann erklärt, daß das obsequium zuerst - d.h. in den heroischen Zeiten des Altertums, also in der ursprünglichen Bedeutung, die das Wort im klassischen Latein hatte - die Bereitschaft bezeichnete, mit welcher der «Mensch», also der famulus oder cliens, dem Heroen folgte, «wohin er ihn immer führe, um seine Ländereien zu bebauen», paßt er die traditionelle etymologische Definition «"Obsequium" proprie dicitur quo quis id sequitur et facit quod alteri placiturum novit» (Forcellini ad v.) seinen Zwecken an, um dann daraus die ganz eigene Folgerung zu ziehen, daß im Wort «obsequium», wie es im klassischen Latein verstanden wurde, schon die Vorstellungen bereitlagen, die dann in der lehnsrechtlichen Terminologie des Mittelalters mit den Wörtern «hominium» (oder «homagium») und «fidelitas» ausgedrückt wurden. Allerdings schwur der Vasall bei der [mittelalterlichen] Zeremonie der Investitur dem Baron nicht «die Mannschaft und die Treue - l'omaggio e la fedeltà», sondern nur letzteres, und unter den «gelehrten Feudisten» stritt man sich über die alte Frage «an homagium sine iuramento, vicissimque iuramentum fidelitatis sine homagio praestari possit» (Hotman, l.c.). Gesetzt nun, daß «obsequium» die Pflicht des famulus bedeutet, dem Heroen zu folgen, wohin dieser es befiehlt, ist es nur natürlich, daß Vico hinzusetzt, daß bei den Römern dieser «Gehorsam - ossequio» auch den Kriegsdienst betroffen hätte; dabei dachte er wahrscheinlich an die verschiedenen Formen des «sacramentum militare», die Justus Lipsus in De militia romana I, 6 (Opera, ed.cit. III, 27) gesammelt hatte.  ¶  Schon vor Vico hatten Budé (Opera III, 270), Zasius (in usus feudorum epitome, in Opera ed. cit. IV, 244) und vielleicht noch andere die Mittelalterlichen Lehen ansatzweise mit den römische Klientelen verglichen (vgl. auch Hotman, Disputatio cit., cap. II, in Opera II(2), 808). Aber vor Vico hatte keiner dieser letztlich unklaren, ungenauen und rein äußerlichen Vergleiche der eben erwähnte Schriftsteller sich zu der Theorie aufgeschwungen, daß die primitiven Vergesellschaftungen in jeder Hinsicht (religiös, mitlitärisch, rechtlich, ökonomisch usw.) auf einem Lehnsverhältnis zwischen den Heroen (Patrizier oder Herren) und den Knechten bzw. Famuli (oder Klienten oder Vasallen) gegründet waren.  ¶  Zu den Klientelen des Romulus, § 105 etc.  ¶  Der danach angeführte Gundsatz ist der LXXXII (§ 263), der auch für die behauptete Synonymie von «clientela=feudum» heranzuziehen ist. (NICOLINI I, 122-124)

ZUSATZ: «die Mannschaft und die Treue - l'omaggio e la fedeltà» vgl. Übersetzungsvarianten.