Über   die   Ursprünge   der   Poetischen   Diction ,
der Episoden , der Inversion , des Numerus ,
des Gesangs , und des Verses 
456 N |312| solcher Weise bildete sich die Poetische Sprache für die Völker, zusammengesetzt aus Göttlichen , & Heroischen Characteren , die späterhin ausgedrückt wurden in gemeinen Redeweisen ; und zuletzt aufgeschrieben mit gemeinen Characteren . Und zwar erwuchs sie ganz aus der Spracharmut , und Bedürftigkeit, sich verständlich zu machen : welches bewiesen wird mit den Hauptlichtern der Dichterischen Diction selbst , welches sind die Hypotyposis , die Bilder , die Aehnlichkeiten , die Gleichnisse , die Metaphern , die Umschreibungen , die Redensarten, welche die Dinge nach ihren natürlichen Eigenschaften ausdrücken , die Beschreibungen , die da entweder nach den detaillirtesten , oder nach den auffallendsten Erscheinungen zusammengereiht sind , und endlich durch die emphatischen , und selbst müßigen Beiwörter . 457           Die Episoden sind entstanden aus der Ungeübtheit der heroischen Geister , welche nicht das We|313|sentliche an den Dingen , das in ihren Plan taugt, abzusondern wußten ; wie wir sehen , daß sich derselben von Natur die Ungelehrten , und vornehmlich die Frauen bedienen . 458           Die Inversionen entstanden aus der Schwierigkeit, die Zeitwörter in den Zusammenhang zu bringen ; als welche , wie wir gesehn haben , das letzte der Spracherfindung waren : woher die Griechen , die da geistreicher waren , die Rede weniger umwendeten als die Lateiner , und die Lateiner weniger  als die Deutschen tun . 459           Der prosaische Numerus war spät begriffen von den Schriftstellern , in der griechischen Sprache seit Gorgias aus Leontium , und in der Lateinischen seit Cicero : indem man vorher , nach Cicero's eigener Angabe , die Reden numeros gemacht durch gewisse poetische Messungen : welche nicht weit von hier vielen Vorschub thun wird , wo wir von den Ursprüngen des Gesangs , und der Verse reden werden . |191|