1) Friedrich A. Kittler in der Einleitung der von ihm herausgegebenen Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften. Programme des Poststrukturalismus. Paderborn, München, Wien, Zürich 1980. S.12.
2) Oder auch einer 'heißen Maschine', die nicht entschärft wurde. Den Begriff "Höllenmaschine" zitiert Kittler selbst, mit Blick über die Golden Gate Bridge auf "unsere hyperreale Zukunft", nach dem Anti-Ödipus von Deleuze/Guattari: »Und vielleicht ist es das, was heutzutage die Wut einiger Linguisten auf Lacan und nicht weniger den Enthusiamsus seiner Schüler besellt: die Kraft und die Ernsthaftigkeit, mit der Lacan den Signifikanten auf eine Quelle, seinen wahren Ursprung, die despotische Epoche zurückführt und eine Höllenmaschine montiert, die den Wunsch an das Gesetz schmiedet.« (Friedrich Kittler. Draculas Vermächtnis. In: Zeta 02, Mit Lacan. Berlin 1982. S. 103-133. Hier S. 133). Die Spur der Höllenmaschine läßt sich noch weiter verfolgen. Zu Lacans Le temps logique et l'assertion de certitude anticipée. Un nouveau sophisme (Écrits, Paris 1966, S. 197-213) hat Franz Kaltenbeck (Wahrheit als Ursache. In: Lacan lesen. Ein Symposion, Hgg. Norbert Haas u.a., Berlin 1978, S. 38-48) sozusagen eine Abbildung des Sophisma von den drei Gefangenen auf die Automatentheorie von Edward F. Moore geliefert. Moore erörtert die theoretischen Voraussetzung von Experimenten an endlichen Automaten, die Aufschluß geben über ihre Zustände, ohne einen Einblick in ihre Konstruktion haben zu können. Als Beispiel für die Wichtigkeit solcher Überlegungen werden in Kriegszeiten vom Feind erbeutete oder gestohlene geheime Vorrichtungen erwähnt, nämlich Apparate, die eine kryptographische Vorrichtung, oder aber "eine Bombe, Mine oder andere Höllenmaschine" sein können.(E.F.Moore. Gedankenexperimente mit sequentiellen Maschinen. In: Studien zur Theorie der Automaten. Hgg. C.E.Shannon u. J.McCarthy, München 1974, S.151-179, Hier S.153)
3) Editorial der Herausgeber Friedrich A. Kittler, Manfred Schneider und Samuel Weber in Diskursanalysen 1. Medien. Opladen 1987, S.7.
4) Norbert Bolz. Die Schrift des Films. In: Diskursanalysen 1. Medien. Hgg. Friedrich A. Kittler, Manfred Schneider, Samuel Weber. Opladen 1987. S.26-34. Hier S. 26. Jacques Lacan spricht in einem gar nicht so entferntem Zusammenhang von "souffler dans la baudruche nietzschéenne" (Écrits S. 130).
5) In Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer (Hgg). Paradoxien, Dissonanzen, Zusammenbrüche. Situationen offener Epistemologie. Frankfurt/M 1991. S.515-533.
6) Die dann soweit gehen, jede Möglichkeit von Medientheorie selbst zu kassieren. Siehe weiter unten.
7) und auch auf die Gefahr hin, einiges vor einer schon länger wirksamen Kittler-Rezeption zu wiederholen.
8) Unter anderem auch in dem Interview Kittlers durch Khosrow Nosratian in Spuren Nr.19 (Juni 1987), S. 41-47. Dort sagt Kittler: "Aber ich denke, ein Begriff wie Diskursanalyse bei Foucault, also Analyse der diskursiven Formationen, hat schon der Sache nach etwas zu tun mit einem Begriff wie Content Analysis, die im 2. Weltkrieg in Washington entwickelt wurde, um auf Computern abzulaufen und um aus den Themen der feindlichen Zeitungen zu entnehmen, wohin der strategische Wind blies. Auch die Diskursananlyse bei Foucault ist ein Verfahren der Reduktion von Datenmengen, das Grenzen, Prämissen und Präuppositionen anzeigt, ohne die Daten nochmals zu vervielfältigen.(S. 46)
9) Im referierten Text auf S. 379.
10) Im referierten Text S. 363.
11) Verschwinden z.B. (mit Foucault) in dem Referat Nr. 8 zugrundeliegenden Text auf S. 79 (in dessen Seitenzählung). Ausräuchern in Draculas Vermächtnis a.a.O. S. 124.
12) So z.B. an Heinrich von Ofterdingen von Novalis in Aufschreibesysteme 1800/1900 herausgearbeitet.
13) Grammophon, Film, Typewriter im Folgenden als GFT abgekürzt. Das Beispiel findet sich auf den Seiten 249 ff.
14) Es handelt sich um die Phase der Arbeiten Kittlers, die man als die 'erlöste' bezeichnen könnte. Also die Arbeiten an und nach der "Erlösung vom Joch der Subjektivität" durch Kriegs- und Medientechnologien und speziell durch übergabe der Subjektivität an Waffensubjekte. Man kann sich dort nicht des Eindrucks einer Art von schleichend fortschreitender Entropie der Systeme erwehren, nachdem an ihnen jener Reibungswiderstand, oder das "Joch", an dem sich Aufschreibesysteme 1800/1900 aus dem Jahre 1985 als Höhepunkt der Entwicklung mit der Verbindung von Diskursanalyse und Medientheorie und allem Einsatz von Scharfsinn, Archivarbeit und dekonstruktiver Energie geschärft hatte, vernichtet zu sein scheint. Oder aber in der Terminologie des Exorzismus der Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften1: Die "Besessenheit", nachdem sie die "Gegenden des Wissens" verlassen hat, und zu den "Legionen der Wiedergänger" der alten Dämonen "abgefallen" ist, nämlich zu den postrukturalistischen Programmen, deren "Name Legion ebenfalls [wäre]"2, diese "Besessenheit" muß nach der endgültigen Exorzierung oder Austreibung des Geistes am erledigten 'Der Mensch' immer wieder die die alte Nadelprobe vornehmen, um als schmerzunempfindlich Stellen oder sigilli diaboli nur noch Technologien vom letzten Stand zu finden. Oder aber der Krieg der Dämonen der neuen Besessenheit kann als nach Lacan »geglückte Paranoia«3, nämlich als "die ungeheure Produktivität der Wissenschaften", die darin läge, "von der Wahrheit nichts wissen zu wollen", nur noch als Krieg der Sterne 'erträglich' gefunden werden.
1 s. Fußnote 1; die folgende Zitatmontage aus der Einleitung S. 7-12 2 Die Austreibung der Geister durch den Geist betrieb "die Bildungsreform der Jahre 1770 bis 1800 in ihrer Gewalt und Vergessenheit".(a.a.O. S. 8) Die (Gegen)Austreibung an den Geisteswissenschaften hingegen geschieht im Namen von Geistern, die "ihr Begehren am Vielen haben" (a.a.O. S.7). Auf ihren "Namen Legion" hört "eine wirkliche Ballung von Macht, die bald gestreut, bald gesammelt und in Kriegs- oder Lagerzeiten nicht recht abzählbar ist".(a.a.O. S. 7). 3zit a.a.O. S. 12.
15) Jaques Lacan. Écrits. Paris 1966. S. 672/673.
16) In dieser Form auch in Das Seminar von Jacques Lacan. Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse. Olten/Freiburg i.Br. 1980. S. 142.
17) 1956. Nachdruck New York 1979.
18) alle Zitate GFT S.251.
19) Letzeres nach Bernhard Siegert. Der Untergang des römischen Reiches. In s. Fußnote 5. S. 495-511, hier S. 511.
20) Signal-Rausch-Abstand S.343 und Fußnote. Der Text liegt Referat Nr. 7 zugrunde.
21) Unconditional Surrender S. 522. In: s. Fußnote 5.
22) Im Kontext des Mediensystems des Römischen Reiches: Bernhard Siegert. Der Untergang des Römischen Reiches. a.a.O. S. 495-511, hier S. 511
23) Kitter a.a.O. 530 mit Bezug auf Siegert.
24) "Unconditional Surrender heißt Technologietransfer." (Kittler a.a.O. 525)
25) a.a.O. 258 und 259.
26) Introduction théorique aux fonctions de la psychanalyse en criminologie. Écrits, Paris 1966. S. 138.
27) ebd.
28) Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt/M 1968. S.389
29) Foucault, Psychologie und Geisteskrankeit. Frankfurt a.M. S.123
30) Bezugspunkt ist Lessings Nathan der Weise und die aufklärerisch-pädagogische Beziehung Nathans zu seiner Adoptivtochter Recha. Vgl. F.A.Kittler. Erziehung ist Offenbarung. Zur Struktur der Famlilie in Lessings Dramen. In: Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 21, S. 111-137.
31) Vertreten durch die Goethestudie Kurt Robert Eisslers: Goethe, A Psychoanalytical Study, 1775-1786. Detroit 1963.
32) Das folgende ist eine Zusammenfassung der Arbeit Kittlers über Die Irrwege des Eros und die "Absolute Familie". Psychoanalytischer und diskursanalytischer Kommentar zu Klingsohrs Märchen in Novalis' »Heinrich von Ofterdingen«. In: Psychoanalytische und Psychopathologische Literaturinterpretation. Hgg. Bernd Urban u. Wilfried Kudzus. Darmstadt 1981. S. 421-470
33) Michel Foucault. Archäologie des Wissens. Frankfurt/M. 1973. S. 23
34) Edgar Morin. Le cinéma ou l'homme imaginaire. Essai d'anthropologie sociologique. Paris 1956.
35) Zelluloid so real wie "das Reale von Neurophysiologie"(133)?
36) Kittler verweist auf Hugo Münsterberg, Grundzüge der Psychotechnik. Leipzig 1914. "(siebenhundersiebenundsechzig ebenso großartige wie vergessene Seiten)".
37) Verweis auf Hugo Münsterberg. The Photoplay: A psychological study. New York 1916. Nachdruck, hg. Richard Griffith: The Film: A psychological study. The silent photoplay in 1916. New York 1970.
38) "Hugo Münsterberg erscheint heute nur noch in Freud-Biographien - mit dem falschen Vornahmen Werner und als einer von vielen Zuhörern der psychoanalytischen Amerikatournee von 1908".(135)
39) Den anfänglichen Seufzer ruft hervor das »mit heißem Bemühen« betriebene Studium von »Philosphie,/ Juristerei und Medizin,/ Und leider auch Theologie«, also "der universitäre Diskurs aller vier Fakultäten und in jener historischen Formation, die auf den Namen res publica litteraria hörte".(11) Diese Gelehrtenrepublik aber ist "systematische Verhinderung" dessen, was Schiller ersehnte: "des Glückfalls, daß der lebendige Geist dem Geist erscheinen kann". Vielmehr sitzt "der Magister oder gar Doktor Faust in einer Bibliothek ohne Neuerscheinungen, liest, exzerpiert und kommentiert, um dann im Kolleg seinen Schülern zu diktieren, was alte Bücher ihm diktiert haben. Die Gelehrtenrepublik ist endlose Zirkulation, ein Aufschreibesystem ohne Produzenten und Konsumenten, das Wörter einfach umwälzt."(11)
Es wird von Faust bei seiner Bestandsaufnahme dieses Aufschreibsystems keiner genannt "der Schreiber, Schöpfer, Autor eines Buches wäre", auch keiner, "der eins der Bücher verstehen, verdauen, verarbeiten würde. Mit einem Wort: die alte Gelehrtenrepublik betrügt Den Menschen um Den Menschen" und "die Deutsche Dichtung [beginnt] mit dem faustischen Experiment, an alle möglichen Leerstellen eines obsoleten Aufschreibesystems versuchsweise Den Menschen einzusetzen."(11)
40) "Der Anfang des Evangeliums nach Johannes ist ein einzigartiges Gewebe oder textum von Wörtern, das völlig autonym das Wort den Anfang nennt. Der Anfang mit dem Wort »Wort«, dieser Anfang in seiner unsäglichen Reduplikation, den alle Diskurse, da selber aus Wörtern gemacht, nicht einholen können, hat bis ins Europa der Frühneuzeit die Form des Kommentars gezeitigt."(16)
41) Zitat Friedrich Paulsen, Die deutschen Universitäten und das Universitätsstudium. Berlin 1902. S.77.
42) Zitat Friedrich Paulsen. Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgange des Mittelalters bis zur Gegenwart. Mit besonderer Rücksicht auf den klassischen Unterricht. 3., erw. Aufl. hg. Rudolf Lehmann. Berlin-Leipzi 1919-21. II, S. 93.
43) Erklärung: "Der großgeschriebene und gestrichene Artikel indiziert in der Schreibweise Lacans, daß die Frau als Eine nicht existiert, weil umgekehrt Frauen, so es sie gibt, im Plural stehen und damit der phallischen Funktion (Universalität) nicht einschreibbar sind."(31, Fußnote)
44) "Pädagogiken und Fibeln an diese neue Adresse schließen einen Instanzenweg kurz. All die Dinge, die Leute in Europa zu lernen haben - Benehmen, Wissen, Lesen und Schreiben -, sind vor 1800 in unterschiedlichen Gruppen und Ständen weitergegeben worden; es gab keine von Natur her legitimierte Zentralstelle für Kulturisation. Zumal der Schatz gelehrten Wissens brauchte zu den Kindern einen langen Weg und viele, jeweils repräsentative Instanzen."(33) Dieser Kurzschluß es allerdings für Kittler zugleich eine Umleitung der unmittelbaren Beziehung 'alteuropäischer' Kulturisationtechniken auf den Körper. Die Seele wird zwischengeschaltet.
45) Von diesen, so Foucault, werde die Sprache »als eine Gesamheit von phonetischen Elementen behandelt«. »Die Sprache ist nicht mehr so sehr jenes mehr oder weniger entfernte, ähnliche und arbiträre Zeichen, für das die Logik von Port-Royal als unmittelbares und evidentes Modell das Portrait eines Menschen oder eine geographische Karte vorschlug. Sie hat eine vibrierende Natur angenommen, die sie vom sichtbaren Zeichen löst, um sie der Musiknote anzunähern.«(zit 39)
46) Unter späteren technischen Bedingungen tritt allerdings, wie man sehen wird, eine andere (Sound)Maschine wiederum an die Stelle der Mutterstimme.
47) In der mir zugänglichen Ausgabe: Herders Werke. Hg. Heinrich Kurz. Leizig o.J. Bd. 4 S. 573 und 574.
48) In Herders Abhandlung vom Ursprung der Sprache entsteht Sprache aus der Wahrnehmung eines Lammes, über das das instinktunsichere Mängelwesen Mensch sich nicht hermacht, sondern dessen Blöken ihm als Namen zur Wiedererkennung dient »He! Du bist das Blökkende!«. (zit 45) Kittler setzt für das Lamm Die Frau ein. Dann kann abgeleitet werden: Die dem noch tierischen Menschen "in aller Drastik" zugeschriebene "Sprache aus Weinen und Schreien, aus ermattendem Hauchen und halben Seufen, die ihrer Alphabetisierung und Niederschrift spotten"(46), sei die der Frau. Das sage nicht Herder, sondern Mephisto, für den diese Naturlaute "bekanntlich Symptome der »Weiber« und »aus einem Punkte zu kurieren«" seien. Aber die "Kur unterbleibt". Ein "unüberschreitbarer Abstand" und Einschnitt, Inzestschranke bei Stephani oder bei Herder Instinktmangel des Menschen, trennt Naturlaut von Sprache und macht sprechen statt blöken. "Mephistos Rat bleibt unbefolgt, damit aus Lauten Sprache wird. Mutter und Frau sind eben Instanzen der Diskursproduktion." Über die "Maschinenoperation" Sch/ä/fin bleiben dann für Herder die Naturlaute in den Sprachwurzeln der Sprache aufgehoben. "So liegt vor jedem Diskurs immer noch, dunkel und unartikuliert, ein anderer, ein Diskurs, der zu den artikulierten und artikulierenden Signifikanten wie ihr Signifikat steht. Unterm Titel Sprache durchmißt das Aufschreibesystem von 1800 diese Differenz."
49) "Schlegels Brief, 1799 geschrieben, ruft ein neues Jahrhundert aus" und den Menschen, der "als Autor [...] ganz und gar sein Wesen [ist]".(71)
Nun geht nach Lacan "der universitäre Diskurs vom Diskurs eines Herrn aus" und "die Lehre vom Sein" gehorcht "dem Imperativ eines Signifikanten. Philosophie war nie anders." Aber an dieser Stelle macht die "Philosophie im Aufschreibsystem von 1800" eine "ganz neue Volte" und bringt - das muß Schlegels Abhandlung bezeugen - das Kunststück zustande, ihr Schreiben eben aus Natur als "Quelle allen Schreibens" hervorgehen zu lassen. Voraussetzung dafür ist ein "Selberlesen", das Schlegel seiner Geliebten empfiehlt. Nur "stille Lektüre verhindert, daß Sprache dem Diskurs des Anderen gehorcht [...]", und so entsteht "eine Metaphysik des leisen Lesens"(72). Der Spracherwerb durch Lesenlernen erzeugt "Innerlichkeiten", in denen "die von keinem Mund je gesprochene Sprache der klassisch-romantischen Texte" entstehe. "Statt faktisch ergehenden Reden zu hören, »glaubt man zu hören, was man nur lieset«". (zit Schlegel) "Das Philosophenamt Schreiben gehorcht also einem Herrn und einer Herrin zugleich" und "die Philosophie im Aufschreibesystem von 1800 ist gelöste Geschlechterdifferenz".(73) Sie vermittelt "die zwei sonst nirgendwo in ihrer Vernetzung aufgeschriebenen Instanzen Staat und Mutter". Der philosophische Schreiber (Schlegel) tritt als "wahrer Mensch" zwischen Erziehungsbeamte als Verwalter der komplexen Funktionen des Schreibens und Mütter als Verwalterinnen der elementaren Funktion der Alphabetisierung. Er ist also in der Mitte zwischen Männlichem und Weiblichem heimisch. So kann der philosophische Diskurs "in seinem Auftrag, das Ganze aufzuschreiben" die "Beziehung zwischen den Geschlechtern" als "Bedingungsverhältnis von Schriftsteller-Bürokratie und Frauen"(74) formulieren. Dieses Verhältnis ist ein zweifaches "zwischen Produktion und Distribution und zwischen Distribution und Konsumtion". Das schließt aus, philosophische Schriften wie Schlegels Abhandlung im Muttermund wieder verschwinden zu lassen. Sie sollen gelesen werden. Schlegels Brief setzt die Frauen als Die Mutter an den "Diskursursprung" und verpflichtet sie zugleich, "sofern es sie im Plural gibt [...] auf Lektüre". Insgesamt aber trägt "Schlegels Brief [...] zwei Geschlechter je zweimal ins Aufschreibesystem von 1800 ein". Die Geliebte ist es, die ihm eigentlich seine Worte als Die Frau oder Natur souffliert hat. Als Adressatin ist sie zugleich Leserin. Neben sie tritt der scheinbare Autor als Leser seiner selbst, der sich in der Relektüre seiner Schrift bestätigt, "die ihm soufflierte Philosophie durch Aufschreiben unbewußt sich selber mitgeteilt"(75) zu haben. So erreicht er "eine Dopplung von Autor- und Leserschaft, also erste Zirkulation des Ursprungs. Sie hat den Effekt technischer Verstärkung." Der Brief geht - "Leserschaften im Visier" - in Druck. Nachdem "die Liebe Schrift geworden ist, kehrt sie zurück zur Welt mit ihrer Ewigkeit, Allgemeinheit, Universalität und - Universität", und Schlegel bereitet "auf dem Weg gedruckter Liebesbriefe [...] eine Philosophiedozentenlaufbahn vor".
50) Lindhorst als schreibenmachender Idealvater, denn Lesenlehrmethoden sind Domäne der Mütter, Schreibuntericht bleibt die der Väter.
51) "Aber weil die Stimme das Reale von Sprache ist, das über Mundhöhle und Atemsäule an den Körper anknüpft, hat das Aufschreibesystem von 1800 im Mündlichen leichteres Spiel. Das Konstrukt Urschrift, dem nichts Reales vorangeht, muß, um überhaupt möglich zu werden, am Muttermund parasitieren." Und so konstruiert Kittler dann die "Konstruktion der Urschrift": "Damit Zeichen verstehbar und nicht bloß lesbar heißen können, ist ihnen erstens die Bildqualität von Naturwesen und dieser Bildlichkeit zweitens die Mutterstimme unterlegt."(92)
52) wie Manfred Frank es möchte.
53) "Die Tragödie Faust [...] findet 1790, beim Erscheinen des Fragments, unter Literaten ziemlich kühle Aufnahme. [...] Eben darum wird dem Programm eine Rückkopplungsschleife zugefügt, deren Stellglied die Philosophen und deren Effekt zu Philosophie und zu Faust bekehrte Autoren wie der reife Schiller sind." Die "wechselseitige Stabilisierung von Dichtung und Philosophie"(166) garantieren zugeschaltete philosophische Kanäle wie die Philosophischen Vorlesungen über Goethe's Faust des Hegelschüler Hinrichs (166 f).
54) Die Operation erinnert merkwürdig an Kittlers Ersetzung von »Lamm«/»Schaf« in Herder Abhandlung vom Ursprung der Sprache durch "Schäfin" und von "Schäfin" durch "Die Frau" auf S. 47 ff.
55) Kittler setzt "an die Stelle organisch wachsender Schneekristalle Morgensterns »große Papierschnitelschneezentrifuge der amerikanischen Naturschauspielimitationskompagnie Brotherson & Sann« (zit 216) setzen.
56) Aber Serpentinas Stimme "verlautete gar nicht; sie entstand als utopischer Schattenwurf sehr realer, aber unleserlicher Zeichen. Weil Die Frau nicht existiert und plurale Frauen im Bildungssystem keinen Platz hatten, mußte eine imaginäre Frauenstimme die Schreibpflicht angehender Autoren oder Beamter zugleich anmahnen und in Kindersexualität verzaubern."(232)
57) Kittler zitiert: »Le Verbe divin semble avoir fait peu d'état des côtes extérieures de l'écriture et de la parole. [...] Toujours est-il qu'il a permis seulement qu'on imprimât son Evangile, et non qu'on le phonographiât. Cependant, au lieu de dire: `Lisez les Saintes Ecritures!' on eût dit: 'Écoutez les vibrations sacrées!'«(zit 236)
58) Exemplifiziert an Unterricht und Sprechmaschine (1913) von Ernst Suhrkamp.
59) Folgt ein Zitat aus der Rede des Betrunkenen aus dem Text Kafkas.
60) Kittler verweist auf Kafkas Maler Titorelli und dessen ewiggleichen Heidelandschaften.
61) Über Ziehen, der als Assistenzarzt Nietzsche behandelte und später als Ordinarius an der Charité Benns Chef war, läuft die "Verschaltung Nietzsche/Benn". (Kittler im Interview mit K.Nosratian in Spuren 19, Juni 1987, S. 43)
62) Zwei Ausnahmen vom "literarische[n] Bilderverbot" geben Stefan George (256 f) und Apollinare (257 f).
63) Den Tod des Autors stellt bekanntlich ein Autor fest ebenso wie den Tod des Menschen eine Instanz verkündet, die sich Menschliches dennoch nicht verkneifen kann, nämlich anderen Autoren eins auszuwischen. So ist Mattenklotts Einordnung der Buchschrift Georges als Allegorie für Kittler "so unwahr wie benjaminesk". "Man nimmt die Technologien seines Jahrhunderts einfach nicht zur Kenntnis. Daß die Schreibmaschine es unumgänglich macht, Handschriften zu typisieren; daß das Projekt einer »Weltletter« an der Zeit ist, schon um Gedächtnisse zu entlasten; daß Signifikantenlogik goethezeitliche Bedeutsamkeit sprengt - sämtliche Tatsachen fallen einer Allegorie von Allegorie zum Opfer."(267)
64) "[...] George ist praktisch genug, im monatlichen Verkehr mit der Deutschen Bank die Scheckunterschrift Stefan George seinem Lieblingsjünger zu überlassen", da er selbst sie nicht mehr von seiner eigenen unterscheiden konnte.
65) "Während Übersetzung alle Singularitäten einem allgemeinen Äquivalent zuliebe ausfällt, verfährt die Medientransposition punktuell und seriell. Gegeben sei ein Medium A, organisiert als abzählbare Menge diskreter Elemente Ea1...Ean, dann besteht seine Transposition ins Medium B darin, die internen (syntagmatischen und paradigmatischen) Beziehungen zwischen seinen Elementen auf die Menge Eb1...Ebm abzubilden. Daß die Elementaranzahlen n und m und/oder die Verknüpfungsregeln kaum je identisch sind, macht jede Transposition zur Willkür oder Handgreiflichkeit. Sie kann nichts Universales anrufen und muß, heißt das, Löcher lassen. Schon der elementare und unumgängliche Akt EXHAUSTION stößt auf die Grenze von Medien.(271)
66) Daß ein Gedicht von George, in dem es heißt »Kein ding sei, wo das wort gebricht«, d a s diskursive Ereignis von 1919 sei, beweist "Heideggers untrügliche Lesekunst", die diese Zeile entziffert hat als Aufforderung: »Laß fortan kein Ding als seiendes zu, wo das Wort gebricht.« (zit 272).
67) "Die Fühlenden", unter ihnen Lyotard, mögen das "mit dem modischen Bannfluch strafen, Freud habe eine Ökonomie libinöser Verausgabung mit mosaisch obsoleten Bilderverboten belegt". "Es ist aber nur eine von wenigen Optionen, die Schreibern im Aufschreibesystem 1900 bleiben. Gegenüber einer Konkurrenz, die Ersatzsinnlichkeiten durch realen Datenfluß ersetzt, schwören die Verwalter von Wörtern auf das Wort."(281)
68) Und weiter:"Benutzen heißt mithin abnutzen: aus industriell garantierter Similarität wird kaputtes, aber singuläres Zeug. Und weil dieses Zeug, wenn es nur lädiert ist, ganze Fallgeschichten zur Gleichzeitigkeit bündelt, haben die Spurensicherer Holmes und Freud gewonnenes Spiel."(287)
69) "Die Couch macht Unsinn am zeitgenössischen Unsinn, daß nämlich einer ausgerechnet m und n durcheinanderbrachte [das tat der "Wolfsmann" genannte Patient Freuds, KM], signifikant, ja zum Signifikanten selber. Eine Letternopposition ergibt den Minimalsignifikanten eines sexuierten Körpers. Fortan weiß der Patient, daß Alphabetisierung nur ein Deckbild seiner Sexualität und Sexualität nur eine Metapher der Elementaropposition ist. An Freud skandalisiert kein Pansexualismus, sondern die Rückführung einer Erotik, wie sie um 1800 als Geist-und-Natur die sogenannte Welt durchzog, auf sehr luzide und handgreifliche Buchstabenspiele. So unsinnig und blockschriftlich wie der kleine Strich, den das m dem n voraushat, ist auch der Phallos. Alle Individualhandschriften müssen vor dem einen, alle Illusionen im Geschlechterkrieg vor dem anderen Unterschied aufgeben."(288) Folgt ein Lacanzitat.
70) "Der Stimmphysiologie (ausgerechnet seins Lehrers Brücke) steht Freud fern wie sonst nur Kinobilderfluchten. Hysterikerinnen, diese geborenen Starlets, dürfen auf der Couch statt den einen Ach die vielen realen Lüste und Nöte des Sprechens durchspielen - von spastischer Sprachstockung über Stottern, Schnalzen, Luftschnappen bis zu Verstummen - der angeblich filterlose Receiver aber filtert sie sämtlich aus."(290)
71) "Es ist der Ort der Initiation. Über die Schwelle Pschoanalyse müssen Stimmen und Traumbilder laufen, wenn sie signigikantenlogisch statuiert werden sollen; über die Schwelle Psychoanalyse müssen umgekehrt auch Zeichenrituale und Psychophysiken laufen, wenn sie Einzelkörpern eingeschrieben werden sollen. Das Aufschreibesystem von 1900 stellt Diskurse allesamt vor den Hintergrund eines weißen Rauschens; in der Psychoanalyse taucht der Urbrei selber auf, aber nur, um artikuliert und d.h. in Schriftlichkeit sublimiert zu werden."(294)
72) "Bei Schriften unterbleibt mithin jene Verortung, die Psychoanalyse im Aufschreibesystem von 1900 definiert - einfach weil sie bei Schriften schon stattgehabt hat. Wenn die diversen Teilzentren hinphysiologischer Lokalisationlehren zur Schreibvmaschine zusammengeschaltet sind, so kehrt die Psychoanalyse, ihren neurophysiologischen Anfängen rätselhaft treu, nur das Fundierungsverhältnis um. Ihre Texttheorie setzt anstelle jenes Körpers ein schreibmaschinelles Korpus."(296)
73) Sie wird von Kittler erklärt: "Etwas weiter ausholend, sei also zunächst erklärt, daß Strahlen nervensprachliche Informationskanäle sind, wie sie unter weltordnungwidrigen Bedingungen Schreber und Flechsig (bzw. desse Inkarnation Gott) psychotechnisch material verschalten. Statt erst bei Leichen aktiv zu werden, hält Gott Schrebers Nervensystem besetzt, indem er alle Sprachteilzentren der Hirnphysiologie unter Ausschluß der äußeren Sprachwerkzeuge innverviert, d.h. als guter Aphasieforscher nur sensorische und motorische Wortbilder erregt. Kein Wunder also, daß die Nervensprache wie halluziniert wirkt, kein Wunder auch, daß sie sternenweite Entfernungen überbrückt. Laut Flechsig, der den Nervenbahnen eine epochemachende Monographie gewidmet hat, besteht »der größte Theil des menschlichen Gross-Hirnmarks thatsächlich aus nichts anderm als aus Millionen wohlisolirter, ingesamt tausende von Kilometern messender Leitungen«. Auf solchen gleichsam entflochtenen Kabeln wandern nun alle Daten über Schreber die Tausende von Kilometern zu entfernten Weltkörpern. Sie laufen ein, werden registriert und liegen anderen Strahlen, die in die Gegenrichtung laufen, für vorherige Relektüre vor. Der Neurologengott von 1900 ist ein einziges Aufschreibesystem.(304)
74) Kittler zitiert Hugo Balls Kommentar (dem aber gleichzeitig das Wesentliche entgehe) zu dem Auftreten von Huelsenbeck, Tzara und Janko am 29.3.1916 im Café Voltaire mit einem »poème simultan«. »Das ist ein kontrapunktisches Rezitativ, in dem drei oder mehrere Stimmen gleichzeitig sprechen, singen, pfeifen oder dergleichen. [...] Die Geräusche (ein minutenlang gezogenen rrr, oder Polterstöße oder Sirenengeheul oder dergleichen), haben eine der Menschenstimme an Energie überlegenen Existenz. Das 'Poème simultan' handelt vom Wert der Stimme. Das menschliche Organ vertritt die Seele, die Individualität in Irrfahrt zwischen dämonischen Begleitern. Die Geräusche stellen den Hintergrund dar; das Unartikulierte, Fatale, Bestimmende. Das Gedicht will die Verschlungenheit des Menschen in den menchanistischen Prozeß verdeutlichen. In typischer Verkürzung zeigt es den Wiederstreit der vox humana mit einer sie bedrohenden, verstrickenden und zerstörenden Welt, deren Takt und Geräuschablauf unentrinnbar sind.«(zit 308) Kittler kommentiert: "Er [Schreber] simuliert - und das tun Huelsenbeck, Tzara und Janko ja auch - genau die Geräusche, die seine Stimme an Energie überbieten. Er selber tritt auf Seiten des Unartikulierten, das Hintergrund aller modernen Medien ist. Die da brüllen, heulen oder pfeifen, liefern keine larmoyanten Theorien über Den Menschen in einer technischen Welt; sie erzielen diskursive Effekte gegenüber stimmten und feindlichen Diskursen."(308)
75) Und weiter: "Während der Anspruch, nicht zu delirieren, unter hirnphysiologischen Diskursbedingungen notwendig ins Delirium von Originalität und Autorschaft führt, erlangt der umgekehrte Anspruch diskursive Positivität. Aufschriebene Delirien koinzidieren ja mit dem, was Wissenschaften und Medien selber treiben.[...] Gegenüber Texten, die gar nicht mehr vorgeben, Sinn zu machen, sondern auf ihr reines Geschriebensein pochen, sind alle experimentellen Maßnahmen oder Wunder machtlos. [...] Delirante Texte treten ins Gebiet der Literatur über, seitdem Literatur selber den Wahnsinn simuliert."(311)
76) Freud, Gesammelte Schriften X, S.125-136.
77) "Sache des Schreibens sind Nachbarn, die irgendwie ins Gehör geraten, dort auskriechen, in einzelnen Fällen bis ins Gehirn vordringen und verheerend wie Pneumokokken gedeihen. Sache des Schreibens sind irre Könige, deren Fleisch von den Amuletten, die es bedecken, und den Würmern, die es zerfressen, ununterscheidbar wird. Sache des Schreibens sind Tote, die haufenweise auf Schlachtfeldern liegen, ineinandergewunden wie ein ungeheurres Gehirn; sind Sterbende, denen alle vereinbarten Bedeutungen schwinden und statt dessen ein großes Geschwür im Hirn aufgeht - wie eine Sonne, die ihnen die Welt verwandelt. Es gibt also nur eine Sache des Schreibens: hirnphysiologischen Urbrei. Was Freud interessiert, ist bekanntlich seine Gliederung; was Brigge interessiert, die Aufzeichnung selber."(325/26)
78) Jacques Lacan. Le Séminaire, livre XX. Encore. Paris 1975. S. 15 u.13.
79) Zit. Otto Burghagen. Die Schreibmaschine. Illustrierte Beschreibung aller gangbaren Schreibmaschinen nebst gründlicher Anleitung zum Arbeiten auf sämtlichen Systemen. Hamburg 1898. S. 1.
80) Was nebenbei dem - nach Derrida - "philosophischen Phantasma des Sich-Sprechen Hörens als Substrat aller Bewußtseinstheoreme strikt entgegensteht" und zugleich der "Einsatzpunkt" wäre, "um Wagner mit Lacan zu lesen".(107)
81) "Nach ihnen zu fragen macht Sinn erst, seitdem zweierlei klar ist: Es gibt erstens keinen Sinn, wie Philosophen und Hermeneutiker ihn immer nur zwischen den Zeilen gesucht haben, ohne physikalischen Träger. Es gibt zum anderen aber auch keine Materialitäten, die selber Information wären und Kommunikation herstellen könnten. Als zur Jahrhundertwende jener hypothetische Äther, mit dem Hertz und viele Zeitgenossen die Ausbreitung seiner drahtlosen Hochfrequenzsignale, des künftigen Radios also glaubten erklären zu müssen, in theoretische Nichts versank, sind Nachrichtenkanäle ohne jede Materialität zum Alltag selber geworden. Elektromagnetische Wellen als moderne Überbietung aller Schrift befolgen einfach Maxwells Feldgleichungen und arbeiten auch im Vakuum."(342)
82) Fußnote: "Daß Person, Individuum, Subjekt und andere Titel »des Menschen« nicht »die Einheit eines Gegenstandes«, sondern schlicht eine Adresse bezeichnen, wäre ihren überlieferten Definitionen zu entnehmen, spätestens durch Dekonstruktion. Für eine eleganter Herleitung vergleiche Luhmann (1988)." (= Wie ist Bewußtsein an Kommunikation beteiligt?. In diesem Band S. 884-905).
83) Zur Erklärung verweist K. auf zwei Titel, darunter den eigenen Ein Subjekt der Dichtung in: Festschrift für Gerhard Kaiser zum 60. Geburtstag. Hg H.Turk, G.Buh, F.Kittler. 1988. Meines Wissens ist der Beitrag in der inzwischen erschienen Festschrift nicht abgedruckt.
84) Vgl. Aufschreibesysteme von Kittler, in dieser Folge des Referateservice referiert.
85) "der nicht nur als Hauptmann in Goethes Wahlverwandtschaften, sondern auch als erster Chef des Generalstabes der preußischen Armee" hervortrat.
86) Hans Magnus Enzensberger. Mausoleum. Siebenunddreißig Balladen aus der Geschichte des Fortschritts. Frankfurt/M. 1975. S. 115.
87) vgl. das Referat dazu in der zweiten Folge des Referateservice.
88) Zitiert nach einem Zitat bei Hodges.
89) Hans Magnus Enzensberger. Mausoleum. Siebenunddreißig Balladen aus der Geschichte des Fortschritts. Frankfurt/M. 1975. S. 115.
90) vgl. das Referat dazu in der zweiten Folge des Referateservice.
91) Zitiert nach einem Zitat bei Hodges.
92) Hugo Münsterberg. The Photoplay. A Psychological Study (1916). Nachdruck als: The Film. A Psychological Study. The Silent Photoply in 1916, herausgegeben Richard Griffith, New York 1970. S. 55.
93) Wie kann etwas Zerhacktes wieder zusammengesetzt werden, wenn "Summen wie viele andere mathematische Ausdrücke die unangenehme Eigenschaft [haben], keine Rekonstruktion ihrer Summanden zu erlauben"(371)? "Also läuft bei der Sprachsynthese im Computer alles auf eine Sprachanalyse hinaus, die eben dieses Rekonstruktionsproblem löst. Etwas schlechthin Unwiederholbares, etwa dieser eine Sopranvokal, ist erstens auf eine Periodik zu bringen, die zweitens selber als Summe aus vielen verschiedenen Perioden durchsichtig werden muß. Nichts anderes heißt Fourieranalyse." Den einfachen Fall, periodische Signale "wie die Schwingungen einer Geigenseite, kann die Fourierreihenentwicklung in eine Summe aus lauter Einzelschwingungen zerlegen, die alle nur ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind. [...] Insofern macht die Fourierreihenentwicklung als mathematischer Zaubertrick, den es erst seit 1820 gibt, einen der seltenen, im Computerzeitalter aber bitter notwendigen Übergänge zwischen ganzen und reellen Zahlen, also zwischen Analysis und Kombinatorik. Wenn Signale nur überhaupt Perioden haben, also Musik und nicht Geräusch oder Poesie und nicht Prosa sind, kann ihre Regel angeschrieben werden:
? s(t) = a(0)/w + ( [a(f) cos(ft) + b(f) sin( ft)] " f=1 ??