McLuhan ABJ - Blätterfolge 15

ABJ\ABJ_15.WP * 16.2.1994

Medienfragen: Woher das unbändige Vertrauen, daß ein Manuskript, dem Setzkasten überlassen, dennoch, vielleicht in tausenden von Exemplaren, in mehreren Auflagen usw, als getreue Wiedergabe beim Leser anlangt. Woher dessen Vertrauen in das Buch in seinen Händen, daß in ihm genau das stehe, was am anderen Ende des 'Setzkastens' der Verfasser geschrieben hat. So gestellt allerdings, würde die Frage eher den Frager selbst in Verdacht bringen, er wüßte etwas, was das Vertrauen erschüttern könnte, er verfüge über Kenntnisse, die ihn jenseits von Treue und Redlichkeit von Kommunikation stellen könnte. So wäre richtiger zu fragen nach Vorstellungen, Fabeln, Mythen usw, in denen das Unglaubliche thematisiert wird: daß und wie, von wem angezettelt, angestiftet, verbrochen usw, mit welchen Mitteln ins Werk gesetzt, genau das geschieht, daß bösartige, verworfene oder dämonische Manipulation an den vielen Schwachstellen der verzweigten und dennoch treu bewahrenden und weiterleitenden Kommunikationskanäle

Rolle des Dienstleistungsbereichs 'Juden-Buchstaben' in der Druckkultur

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SCHNEIDER, Luther mit McLuhan. Aber das Unfaßliche ist doch, daß Gottes Wort durch eine institutionelle und technische Maschinerie hindurchlaufen kann, in Tausenden Exemplaren vervielfältigt, und dennoch der einzelne Gläubige vor der Schrift sitzt und Gottes Wort ohne Störgeräusche, ohne Zeichengeflimmer lesen kann, Buchstabe für Buchstabe (Einleitung zu Werken), und daß in unzähligen Haushalten Gott zu unzähligen frommen Lesern aus zahllosen deutschen Hausbibeln in ihrer eigenen hellen und klaren Muttersprache Seine eigene Ursprache spricht. [Kittler, Aufschreibesysteme, kann das Unglaubliche nur unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden apotropäischen Exorzismen einsetzen].

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Samstag den 19. Februar 1994. --- So deucht doch Herrn Knallbohm, daß die durch die litterale Produktivkraft Buchdruck ungemein gesteigerte Reflexivität konsequent zu einer Reflexion der Reflexivität führen muß, die sich angesichts des Gewürms und Geschwärmes der zahllosen Bücher (Luther) mit dem Lesen selbst sich beschäftigt, und in dieses eine Ordnung zu bringen sucht, die sie dann, bei geeigneter Größe des eigenen Kopfes, als eine neue Ordnung der Welt auffassen kann [nach Fichte, Wissenschaftslehre: das Sehen im Bild] die aus dem eigenen, sein eigenens Lesen reflektierenden Kopfe aufsteigt. Voraussetzung ist, in einem Lande zu leben, in dem man nur in Unannehmlichkeiten gerät, wenn man nicht liest, in einem Land also, das, klein, unbedeutend und unentwickelt, eine Auswanderung in die endlosen Räume des Typographeums nahelegen kann.