McLuhan ABJ - Blätterfolge 1

ABJ\ABJ_01.WP * 27.10.1993

Zwischen zwei Meisterschindern, aus deren Mund je eine Schriftrolle herausragt. Auf der einen geschrieben "zu alt, um hier mehr zu werden", auf der anderen "zu wenig, um hier alt zu werden". Dazwischen das monströse exegetische Ding, ein hermeneutischer (das wäre die erste Behauptung) Polyp unter dem Namen McLuhan Associates Ltd (1974_03, 27) , der in den sechziger Jahren über alle medialen Kanäle die Vereinigten Staaten von Amerika besetzt hatte, nun aber als ein nur noch bibliothekarisches Gespenst in längst vergriffenen Büchern und nur über fernste Fernleihen erreichbare Artikel hausend. Wartet dieses Gespenst etwa auf seine Wiederkehr? Taucht es nicht immer wieder bei gewissen Entwicklung und Verkauf von Medientechnologien fördernden Veranstaltungen in aufmunternden Zitaten auf? Ist es es nicht in jüngerer Zeit in der Schreibstube von Norbert Bolz mit Walter Benjamin, Ernst Jünger und Carl Schmitt unter dem unheimlichen Segen von Jakob Taubes in die Wochen gekommen, um sich als deutsches Medienorakel zu reinkarnieren?.........

"Jetzt ist Mittag" - schreibt er, "zum Tag und zur Tätigkeit gibt es keine Alternative mehr... Ich sitze am Schreibtisch, als wäre er ein Orchesterpult, zu einem Aktivwortschatz von fünfzigtausend Zeichen habe ich Zugang... kein Problem ist vor der Kenntnisnahme durch mich sicher, das Gehirn arbeitet wie die Fernschreiberzentrale der UNO. Umgeben von Monitor, Telefon, Zeitschriften und Bücherwänden geniße ich meine Einkreisung durch eine zur Information aufbereitete Wirklichkeit. Der Problemkosmos umlagert meinen Schreibtisch, nicht weit von der Höchstform. Wie ein Bischhof amtiere ich in einer Kathedrale aus Schwierigkeiten." (Sloterdijk Weltfremdheit, zit L.Lütkehaus, Die Zeit 41, 8.10,1993, S. 45)

So nicht, sondern McLuhan Associates Ltd auf eigenen Neuronen wieder zum Laufen zu bringen. Unter dem Druck der zwei Meisterschinder das Gespenst wiederbeleben, um zu beobachten, wie seine Mundöffnung sich auftut und etwas von sich gibt. Um dieses Etwas geht es. Als ob man einen jener alten monströsen und schon heute prähistorischen Computer aktivieren wollte, um selbst als Programm auf ihm zu laufen. Was wird die Sprachausgabe - nehmen wir an, es gab sie im ersten Versuchsstadium - krächzend von sich geben (alles mit Lovecraft: pulverisierter Urahn in Enkel wiedererstanden)...... Also wieder: die Mundöffnung. Sie soll sich öffnen, wenn sie etwas zu sagen hat. Einen Satz, der damals euphorisch untergegangen ist, der immer wieder zu sagen bleibt, den das Gespenst einmal doch endlich sagen muß, um endlich zur Ruhe (wenigstens meiner) zu kommen, und diese alte Kiste wäre endlich abgeschaltet. Und die Öffnung öffnet sich und heraus kommt statt des Odems, der damals einer Nation einblies, das Medium sei die Botschaft, ein Aschenregen, schwarzer Holzkohlestaub, pulverisierte Druckerschwärze. Sie öffnet sich als Organ einer Rede, die schon immer nur lebendig werden konnte, indem sie sich in ihrerem Auftun auftat, um Scheidendes und Entscheidendes auszuscheiden, nämlich die Botschaft, daß das, was sie ausscheidet, Asche, Kohlenstaub, pulverisierte Druckerschwärze, die Botschaft sei, die das Medium ist. Das Medium ist die Botschaft, aber die Botschaft ist die Ent- und Ausscheidung : der Schrift, das Medium ist entscheidend, indem es ausscheidet: Schrift. Die Mundöffnung hat sich aufgetan, um die Öffnung aufzutun und das Ausscheidungsorgan selbst von sich zu geben. Das Medium ist die Botschaft, entscheidend ausscheidend: Schrift. Na sowas.