McLuhan DEV - Blätterfolge 1

DEV\BOLZ.PHO * 2.11.92

Doch auch von der bolschwistisch bereiteten klassenlosen Gesellschaft bliebe das religiös-utopisch Reich ewig durch einen Sprung geschieden. Deshalb sind des stets zwei "Karyatiden", die Blochs wahre Zukunft tragen: der nüchterne Sozialismus des Unwesentlichen und "der deutsche Radikalismus, hat er erst endlich die überführung in die große humanistisch-mystische Tradition der Ketzergeschichte, des christlichen Antriebs zu aller Revolution gefunden" {Fußn: a.a.O., S. 29. - Diese theokratische Dialektik zwischen Spiritualem und Profanem gehört zur Esoterik des Blochschen Werkes. Stets kündig der Einbruch absoluter Vokablen in die politische Diskussion die Wiederkehr der verdrängten Theokratie, d.h. der Einheit von Relition und Politik} Es ist die Aufgabe des 'Geists der Utopie', Marx in den "oberen Raum" der Liebeswelt und Wirbegegnung hinaufzuretten. (3/306) - Aufhebung der sozialistischen Konstruktion in Dostojewskis Neuer Welt. In Rußland haben Bloch und Lukács das wahre Philadephia hineingesehen: jenes Bruderreich der reinen Seelenwirklichkeit, das schon die täuferischen Sekten eines 'noch russischen' deutschen Spätmittelalters meinten. Liebeskommunistische Philadelphia heißt Brüderlichkeit als Nukleus der Neuen Welt - ein dem blöden Dasein inokuliertes Element des Endzustandes.

Wie gesagt: Benjamin hat es als das größte Verdienst von Blochs 'Geist der Utopie' bezeichnet, die politische Bedeutung der Theokratie geleugnet zu haben. Diese etwas orakelhafte Bemerkung mag mit BLochs Fazit der politischen Mystik - "die Organisation der Erde besitzt im philadelphischen Reich ihre letzhin ausrichtende Metaphysik" (3/307) - gerade noch kompatibel sein. Doch heißt es noch in der Ersten Auflage von 1918: "die Organisation der Erde besitzt im Geheimnis des Reichs ihre unmittelbar einwirkende, unmittelbar deduzierende Metaphysik." (16/411) Hier wird also doch die Ordnung des Profanen am Gedanken des Gottesreichs aufgebaut,

(aus Norbert Bolz, Mystische Theokratie. In : Religionstheorie und Politische Theologie, Hg. Jacob Taubes. Bd. 3: Theokratie. Teil von S. 306)