McLuhan MACH - Blätterfolge 2

MACH\BRUCH.WP * 17.7.91

In Assoz zu "Mnemosyne" (Hg A.Assmann): vom aufgebrochenen philologischen Raum ausgehend. (s.. Benjamin) Als technologischer EINBRUCH. Formen des Einbruchs und der Aufnahme-Abwehr. Es tritt hervor die Einbettung (Rahmen) des universitären Textes.

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19.7.91 MATURANA: Die neue Unschuld des Wissenschaftlers: die beobachtete Welt mit den schmutzigen Händen nicht mehr berühren wollen. Nicht sich nicht die Hände schmutzig machen, sondern die Welt vor den schmutzigen Händen schützen.

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24.7.91 Der Ursprung der Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssiturationen zwischen 1450 und 1650. LWS BAe 988/2

"Zweifellos ist diese Forschungsrichtung motiviert von der Erfahrung des späten XX.Jahrhundert, am Ende des Buchzeitalters und damit vielleicht auch am Ende eines - funktionalen - Zeitalters von Literatur und historischem Bewußtsein zu stehen: ein Eindruck, für den der abschließende Beitrag von Friedrich Kittler weitterreichende Frageperspektiven erschließt. [...] daß die techn. Entwicklg u.d.ges.Institutionalierung neuer Medien als 'evolutionäre Errungenschaften' und mithin als Epochenschwelln markierende Ereignisse anzusehen sind. Für eine an diesem PARADIGMA ausgerichtete LITERATURwissenschaft könnte die Gesschichte der Medien in dem Sinne zur Nachfolgerin traditioneller Formgeschichte werden, wie sie schon seit Jhren die Funktionasgeschichte von Literatur eine auf die Vermittlung eines wie immer gearteten literarischen Gehalts zielende Interpretationsroutine abgelöst hat."(9)

Medientheoretisch interzeptierende (Kittler im selben Band) Spurensicherung (Bolz in Armaturen der Sinne) findet in Literatur nicht mehr Schriftstücke sondern Apparate. Keine Akte, keine be-hördlichen Stücke.

Gumbrecht im gleichen Band: KÖRPERTHEMA. Verschwinden des Körpers. Der aber schon 'individualistisch' gedacht. Nichts KORPORATIVES.

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causa formativa: nach franz. Philosophielexikon in Philosoph. Seminar (2 Exemplare, eines davon 2bändig) causa efficiens, formalis, .... (4 stück) bei Aristoteles, aber nicht als feste Doppel-Begriffe. Dies erst bei Scholastik. CAUSA FORMALIS spielt bei Fr. Bacon wichtige Rolle (lat. Zitat), geht dann aber in Bedeutungslosigkeit unter, obwohl bei Bacon doch Funktion für mechanistisches Denken. Lebt sie nun bei McLuhan wieder auf?

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25.7.91 "écriture" heißt nicht nur Schrift, Handschrift, sondern: Geschriebenes, Stil, Eintragung, Buchung, (Geschäfts)Bücher, Prozeßschriften, Akten. (Frz-Dtsch, Weis)

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20.7.91 Die Stadt durch den Elbtunnel verlassen, um sie von einer anderen aus als fremde anzublicken. Das Buch wird also verschwinden. Aber gemach. Solange wir es lesend in den Händen halten, wird es sich nicht aus ihnen davonmachen. Wir können es auch ruhig zwischendurch neben unseren Fernsehapparat legen, um uns an dessen erfrischender Schriftlosigkeit zu erquicken. Er wird es nicht verschlungen haben, wenn es uns gelungen ist, ihn wieder auszuschalten. Selbst neben unserem Schreibcomputer können wir getrost unser Buch legen Er wird sich ihm gegenüber nicht so aufführen, wie die Katze des Oberstleutnant Lukacs es vor ihrem Mitbewohner tat, einem Harzer Roller, dem sie, als der brave Soldat Schweijk ihn ihr vor die Nase hielt, um beide miteinander vertraut zu machen, ohne weiteres den Kopf abbiß.

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25.7.91 István Hajnal. L'enseigenment de l'écriture aux universités médiévales.

Die Schrift als Erbe der Antike muß erst verschwinden, um aus den fest etablierten mündlichen Gebräuchen (incl. technischer Fortschritt gegenüber der Antike) und den mündlich getragenen Lebensformen - d.h. getragen von im kollektiven Gedächtnis verankerten Gebräuchen, bis zu strikt formalisierten mündlich tradierten und ausgeübten Rechtsformen - sich als die später die ganze Gesellschaft erfassende Schrift ausbilden zu können.

Voraussetzung war der Untergang der antiken Kursivschrift, die nicht auf allgemeine Lesbarkeit angelegt war und nur in Spezialistenzirkeln gepflegt wurde (mystischer Einschlag). Verdrängung (schon) durch die karolingische Minuskelschrift. Die auf LESBARKEIT angelegte (gotische) Schrift als Gedächtnisstütze. Die Grammatik diente dem Ziel der Herstellung von Lesbarkeit, d.h. dem Ziel der lauten Lektüre vor großer Zuhörerschaft. "le texte devint, dans láctivité intellectuelle, le concomitant des diverses méthodes mnémotechniques et des symboles suggestifs."(27)

KM: dann zielte aber die Kirche auf die Eroberung der "mémoire collective organisée" (30), zu deren Unterhalt, so Hajnal, selbst die "thèses scientifiques"(30) und die rituellen Promotionsverfahren (wo?) dienten.

Hajnal: Tendenz ähnlich Ivins (der mit Bezug auf L. Whyte, technolog. Fortschritt im MA heraushebt) : "l' éssor techniques industriel des XIIe et XIIIe siècle"(33)

Also: Oralität und Schriftentwicklung gekoppelt. Führende Rolle der säkularen (aber tonsurierten) clerici (clercs). Diese auf Schriftlichkeit als Lesbarkeit orientierte Oralität für Hajnal die Voraussetzung für spätere allgemeine Unterrichtung in écriture courante. Diese Art von Oralität also VORAUSSETZUNG für durchgreifende gesellschaftliche Verschriftlichung. Sie ist gekoppelt an orale Lebensformen, die erst technischen Fortschritt gegenüber der Antike ermöglichen. (denke an Rolle des Handwerks für wissenschaftl. Entwicklung). Kommt das Fernrohr etwa aus den Büchern, der Druckkunst? Hajnals 'Oralität' keineswegs a-technologisch, mythisch im Sinne McLuhans. Paritizipatorisch, aber im Sinne gegenseitiger Hilfe ("réciprocité")

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NB: Stilles Sitzen vor Fernseher oder Radio - für McLuhan neue ORALITÄT - undenkbar ohne Jahrhunderte von Buchtraining und später stiller Zeitungslektüre.

NB: für Hajnal wichtig: Zentrum der universitären Ausbildung in den Studentenunterkünften. Dort réciprocité, Abfragen, Disputieren, Training der "RECORDATIO".