McLuhan MACH - Blätterfolge 5

MACH\GILMAN2.WP * 3.9.91

Gilman ff. : Vorwort : G. untersucht, wie eine Gruppe, die sowohl von der Gesellschaft als auch von sich selbst als abweichend (different) definiert wird, auf eine sehr spezielles Stereotypie reagiert, nämlich auf das Bild ihrer Sprache und ihrer Rede (discourse). Stereotypie: 1. Herstellung von Druckplatten aus Bleilegierung, <Psychiatrie> krankhafte dauernde Wiederholung bzw. Beibehaltung immer derselben Bewegungen, Handlungen und Gedanken 2. Druckplatte aus Bleiglegierung [zu griech stereos - starr,fest + typos - Abdruck]

Das Etikett "self hatred" soll die Antwort von Schriftstellern auf den Vorwurf kennzeichen, unfähig zu sein, Sprache oder Rede oder beides der Welt, die sie bewohnen, zu beherrschen. (alles IX) Dabei geht es auch um das wachsende Wissen von Juden um die Funktion dieses Etiketts und seine Bedeutung für die Bildung jüdischer Identität. Dabei soll gezeigt werden, die dieser Begriff einer jüdischen Sprache alle westlichen Bilder des Juden (wie alle anderen Bilder von Außenseitern) durchdringt. "It is pernicious..." (X)

Die Periodisierung anti-jüdischer Einstellungen erwies sich bei der Beschäftigung mit jüdischem Selbsthaß als inhärent falsch. Es geht nicht um eine Oberflächenrhetorik, in die universelle Einstellungen gegenüber dem Anderen gekleidet sind. Vielmehr kann im Nachspüren der Kontinuität eines einzelnen Attributs, das den Juden zugeschrieben wird, die Tiefenstruktur der Einstellungen gegenüber Andersarteigkeit/Abweichung (difference) gesehen werden.

Auch wird eine der wichtigsten Quellen der Rhetorik des "Selbsthasses" aufgezeigt, nämlich die "medicalisation" der jüdischen Rede. Diese Medikalisierung der Jüdischen Rede (discourse) vom Mittelalter an, wie auch das Auftreten des "Jüdischen Selbst-Hasses" in der gleichen Periode wiederlegt den Gemeinplatz, daß die Medikalisierung des Außenseiters erst mit dem Auftauchen der Wissenschaft im neunzehnten Jahrhundert hervortrat und das "Jüdischer Selbsthaß" ein Produkt der bürgerlichen Emanzipation im achtzehnten Jahrhundert gewesen sei. (X)

Kapitel Eins. Was ist Selbsthaß.

Von all den seltsamen Erscheinungen, die die Gesellschaft erzeugt, ist sicher eine der verwirrendsten der Selbst-haß. Wenn man die Geschichte von abendländischen Einstellungen gegenüber denen untersucht, die als anders wahrgenommen werden, seien es nun Schwarze, Juden oder Homosexuelle, erscheint Selbsthaß ein beißendes Oxymoron zu sein. Warum sich selbst hassen, wenn so viele bereit sind, es für dich zu tun! Aber die Allgegenwärtigkeit von Selbsthaß kann nicht geleugnet werden.

Gegenwärtige Studie untersucht eine Manifestation von Selbsthaß, Jüdischen Anti-Semitismus, in komparativer Weise. Jüdischer Antisemitismus bildet ein "self-contained" Problem, das bestimmte Grundstrukturen widerspiegelt, die allen Erscheinungen von Selbsthaß bestimmen. So ist Jüdischer Selbsthaß sowohl einzigartig wie auch repräsentativ, denn seine Tiefenstruktur ist universell. "Jüdischer Selbst-Haß" (austauschbar mit "Jüdischem Antijudaismus" oder "Jüdischem Antisemitismus") soll als Kennzeichen für eine bestimmte Art von Selbst-Negierung gelten, die die Juden in ihrer Geschichte begleitet hat.(1) Als Kennzeichnung (Etikett) hat es eine sehr spezielle Geschichte und Ideologie. Der Begriff muß in Terms eines spezifischen Kontextes verstanden werden, und G. will zeigen, daß, wenn der Kontext sich ändert, die Rhetorik des Begriffs/Konzepts sich ändert, aber nicht seine Struktur. Wie bei der angenommenen Unterscheidung von "Anti-Judaismus" und "Anti-Semitismus" in der Geschichte des Umgangs mit Juden in Europa handelt es sich um Wechsel in der Artikulation von Wahrnehmungen, nicht um die grundlegende Wahrnehmung selbst.(2)

ff S. 2 u. 3 englisch lesen.

Die illusionäre Definition des Selbst, die Identifikation mit dem Trugbild [mirage] der Bezugsgruppe, wird KONTAMINIERT von den PROTEUSARTIGEN Variablem, die innerhalb dessen bestehen, was dem Außenseiter die homogene Gruppe an der Macht zu sein scheint.(2) Was ist hier PROTEAN?? Die in der Illusion enthaltene polare Opposition?

Die sekundäre Projektion ist somit ebenso PROTEISCH als die primäre.(4) Sekundär: Projektion der Otherness auf eine EXTENSION seiner selbst (3). Jede Stereotypie ist Janus-Gesichtig. Positives und Negatives Element. Keines dieser Elemente entspricht der Komplexität und Diversität der Welt, wie sie ist.(4)

Selbsthaß entsteht, wenn die Trugbilder der STEREOTYPIEN mit Realitäten in der Welt verwechselt werden, wenn der Wunsch nach Akteptiertwerden zur Anerkennung der eigenen Andersartigkeit zwingt.(4)

Wir sind alle Andere für einige Gruppen. Aber pernicious sind die kulturell bestimmten Muster von Anderssein/Otherness, wenn sie sich auf Gruppen beziehen.(4) Referenzgruppe untersscheidet veränderliche Kategorien von Differenz und solche, die als inhärent und unveränderlich angesehen werden, wie ethnische Identität oder Rasse. Diese sind einfach MYTHEN ÜBER DIE NATUR VON DIFFERENZ, die aus solchen realen Gegebenheit wie Haut, Farbe oder Alter gesponnen werden. Die MYTHEN sind indes mächtig genug, um an die Stelle von Realität zu treten. Aussenseiter sehen sich selbst als marginal und sind deshalb abhängig von solchen realen oder imaginierten Kategorien, um die Grenzen der Akzeptabilität zu bestimmen, die überschritten werden müssen hin zu der Welt des Privilegs, das der Referenzgruppen zugeschrieben wird.(4/5)

Grundmuster: um aktzeptiert zu werden, muß der Aussenseiter seine Marginalität akzeptieren. Dies kann er nur, indem er vorgegebene Kategorien oder Differenzmythen übernimmt. Die Kennzeichnung der Kategorien/categories von Differenz ist nicht zufällig. Die Struktur von Andersheit ist relativ homogen. sie reflektiert die Mythen der Gesellschaft als auf die Basisstrukturen der Menschheit angewandt. [Was heißt das? G. spricht doch nicht von Basisstrukturen der Menschheit, sondern von Gesellschaftsmythen, die von der Gesellschaft als Basisstrukturen verstanden werden?]

Was aber ist die "structure of Othermness"? Externe Referenzen (Sprache, Kleidung, soziale und hygienische Codes) und sogenannte interne aspekte (Geschlecht, Haut, Farbe oder Physiognomie). Beim Codieren von Otherness wird zu gegebenem Moment in der Geschichte der AKZENT VERSCHOBEN je nach den Bedürfnissen der Referenzgruppe und nach der Wahrnehmung dieser Bedürfnisse des Aussenseiters in diesem Moment oder diesem Kontext. Was an dem Trugbild von Andersheit wechselt ist lediglich ein Wechsel in der Betonung. Alle Qualitäten von Andersheit sind ZU ALLEN ZEITEN GEGENWÄRTIG.

Die dem "guten" und "schlechten" Aspekten des Anderen zugeschriebenen Qualitäten werden als real empfunden. Natürlich sind es Chimären. Die PROTEUSARTIPGE Natur dieser Codierung bedeutet, daß jede Eigenart im nu eine andere Eigenart werden kann, selbst ihr eigenes Gegenteil. So wie James Joyce 'tabulierte'"wer war wer wenn jeder jemand anders war" (Finnegans Wake). Die Gewalt einer solchen beständig wechselnden Menge von Eigenarten kann man an der anscheinend unveränderlichen Qualität von Andersheit studieren: Hautfarbe. Sie hat mythische Eigenheiten. [to go west: vor die Hunde, flöten gehen]