McLuhan MACH - Blätterfolge 7

MACH\HEILIG1.SCN * 22.12.91

Begriff des Politischen nach C.Schmitt: Onologisch! Ernstfall!.

Alle wesentlichen Begriffe in Carl Schmitts Rechtslehre sind polemisch: nicht nur, daß sie kritisch auf eine konkrete Gegenwartskonstellation bezogen sind, sondern vor allem darin, daß in ihnen eine Stellungnahme zur Gegenwart eignet, die diese in ihrer Veweisung auf den EXTREMEN FALL zu lesen ermöglicht. Die politische Rechte in Weimar hat denn auch nicht lange gebraucht, um zu erkennen, daß "Der Beg riff des Politischen" (erstmals 1927 veröffentlicht) ihren Anti-Weimar-Affekt auf den Begriff brachte. Woran lag es, daß der erste Satz der Schrift: "Der Begriff des Staats setzt den Begriff des Politischen voraus" als Bruch mit dem verachteten "Weimarer System" verstanden wrden konnte?

Die Gleichung Staatlich = Politisch, so Schmitts Ausgangspunkt, beanspruchte für die Gegenwart keine Plausibilität mehr. Sinnvoll sei diese Gleichsetezung dort gewesen, wo der Staat das Monopol des Politischen hatte. "Das war dort der Fall, wo der Staat entweder (wie im 18. Jahrhundert) keine ,Gesellschaft' als Gegenspieler anerkannte oder wenigstens (wie in Deutschland während des 19. Jahrhunderts und bis ins 20 Jahrhundet hinein) als stabile und unterscheidbare Macht über der 'Gesellschaft' stand." Im Zeitalter eines demokratisch organisiertn Gemeinwesens jedoch durchdringen sich Staat und Gesellschaft gegenseitig; es gibt keine gesellschaflichen Bereiche mehr, denen nicht das Attribut "politisch" zukommt. Ein Ausweg aus dieser so diagnostizierten Lage ist nach Schmitt nur dann möglich, wenn der Staat als Verwirklichung von Politik wieder begriffen werden kann. Kriterium von Politik ist aber die Unterscheidung von Freund und Feind. Diese Unterscheidung hat den Sinn, "den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation zu bezeichnen". Die behauptete von allen ökonomischen, psychologischen oder ästhetischen Konnotationen zu trennende eigene "seinsmäßige Sachlichkeit und Selbständigkeit des Politischen" konstituiert gerade in iher Leistung, Freund und Feind zu unterscheiden, Staatlichkeit.

"Feind ist ... eine wenigstens eventuell, d. h. der realen Möglikeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht". Insofern diese Gesamtheit von Menschen definiert wird vom Ernstfall her, nämlich Krieg, ist sie eine organisierte politische Einheit, Staat. "Politisch ist jedenfalls immer die Gruppierung, die sich an dem Ernstfall orientiert." Und der Satz: "Daß der Staat eine Einheit ist, und zwar die maßgebende Einheit, beruht auf seinem politischen Charakter", wird in seinem spezifischen, d. h. polemischen Sinne verständlich.(443) {Bolz?}