McLuhan MACH - Blätterfolge 8

MACH\HOERISCH.SCN * 27.12.91

Nach Maßgabe ihrer kritischen Einsicht in die Bedingungen, die ein von hypostasierten Gewalten freies Selbstverständnis von Subjektivität hintergehen, begreifen die Frühromantiker »glückliche Dichtungen« als »Geschichtszeichen«. Weil Poesie den Stand des Fortschritts im Bewußtsein der Freiheit, den sie selbst inaugurierte, als »symptomatische Dichtung« (N II, p. 535) zugleich indiziert, ist sie »absolute Wissenschaft« (KA XVIII, p. 498; VII, 271). Mit dem Begriff des »GESCHICHTSZEICHENS« hatte Kant im zweiten Abschnitt seiner Schrift "Streit

der Facultäten" metakritisch auf Schlegels Rezension seiner früheren Abhandlung "Zum ewigen Frieden" repliziert. In seiner "Versuch über den Begriff des Republikanismus" betitelten Kant-Besprechung hatte der Frühromantiker daran Kritik geübt, daß Kant die Zweckmäßigkeit der Natur zum Garanten der Möglichkeit ewigen Friedens erkläre, ohne auf die »notwendigen Gesetze der Erfahrung« von Geschichte (KA VII, p. 23) zu rekurrieren. Kants Replik begegnet dem Einwand Schlegels, nicht die - noch so zweckmäßig organisierte - Natur, vielmehr »die Gesetze der politischen Geschichte, und die Prinzipien der potitischen Bildung (seien) die einzigen Data, aus denen sich erweisen läßt, "daß der ewige Friede keine leere Idee sei, sondern eine Aufgabe, die nach und nach aufgelöst, ihrem Ziel [201/202] beständig näher kommt." (Kant, J.H.) (KA VII, p. 23), mit einer terminologisch subtilisierten Übernahme. Da »an irgend eine Erfahrung . . .« - wie an Kant nun Schlegel konzediert - »doch die wahrsagende Geschichte des Mensehengeschlechts angeknüpft werden« muß, sucht Kant Begebenheiten zu eruieren, die symtomatisierend auf die Ursache des menschlichen »Fortrückens ... zum Besseren« und auf die Wirkung dieser Ursache zugleich verweisen. Sie nennt er »Geschichtszeichen«. Weil das Geschichtszeichen - wie an Kants Beispiel, der moralischen und affektiven »Teilnehmung« »in den Gemüten aller Zuschauer« an der »Revolution eines geistreichen Vo1ks«, erhellt - die Wirkung einer Kausalität »unbestimmt in Ansehung der Zeit« indiziert, spricht ihm Kant die Funktion eines »signum rememorativum, demonstrativum, prognosticon« zu.

Sie reklamieren Schlegel und Novalis der Poesie. Damit revozieren sie die pejorative Semantik von defizienter Fiktion, die Kants Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht dem Titel ›Roman‹ zukommen ließ, um die Kompatibilität von Geschichte und »Plan und Absicht« der Natur zuungunten der Idee von Geschichte als »vérité à faire« ins Recht setzen: »Ein philosophischer Versuch, die allgemeine Weltgeschichte nach einem Plan der Natur, der auf die vollkommene bürgerliche Vereinigung in der Menschengattung abziele, zu bearbeiten, muß als möglich, und selbst für diese Naturabsicht beförderlich angesehen werden. Es ist zwar ein befremdlieher und, dem Anscheine nach, ungereimter Anschlag, nach einer Idee, wie der Weltlauf gehen müßte, wenn er gewissen vernünftigen Zwecken angemessen sein sollte, eine Geschichte abfassen zu wollen; es scheint, in einer solchen Absicht könne nur ein Roman zu Stande kommen«. Was Kant als ästhetische Fiktion geglückter Geschichte versteht, gilt den Frühromantikern als immer schon verwirklicht, wenn auch her-[202/203]meneutisch verstellt ...

MACH\JUSCANON.WP * 29.7.91

Theolog. Buchhandlg Gänsemarkt aus Grünem Katalog:

Fournier, Paul, Mélanges du droit canonique. 2. vols 1913 (Nachdruck?!) Scientia (Verlag).

Pater, Walter. Medieval Canon Law an the Jews. Münch. Universitätsschriften, Jurist. Fakultät, Nr(?) 68

Seckel. Emil. Distictiones Glossatorum. Romanistische Glossatorenschule. 1956

Corpus Juris Canonici. Die Kanonessammlung. 1. Deusedit. Neudruck d. Ausg. 1905. Scientia 1967.