McLuhan MACH - Blätterfolge 11

MACH\MACH01.WP * 14.7.91

Was McLuhan sagt: im frühen Mittelalter war Text = INCORPORATION = LECTIO = causa formativa. Erst mit dem Druck, aber eigentlich mit der Etablierung der Universität und dann der Verbindung von Universität und Druck war ein von der Form getrennter Inhalt des Textes möglich: nämlich durch seine Abtrennung von der LECTIO. Die Trennung von der DISPUTATIO und vor allem der LECTIO ermöglichte überhaupt erst den 'Text' (s. Illich) und das 'Buch'. Die DISPUTATION bedeutet selbst schon eine Trennung von der inkorporierenden lectio.

Das BUCH ist dann die erst durch die neue Universität ermöglichte 'private' VERÖFFENTLICHUNG, die natürlich immer noch von der universitären Lectio-/Disputationsmaschinerie zehrt, dennoch so weit sich von ihr entfernt, nämlich von von der LECTIO der AUCTORITAS, daß sie unter dem Schein des Privateigentums an den Textapparaturen der Universität, d.h. der Privatisierung der Universität unter dem Autornamen als 'freier' Text, an dem alles Stehende und Ständische verdampft ist, in die Zirkulation der ÖFFENTLICHKEIT eingehen kann. Das BUCH ist nicht mehr an die theokratische LECTIO gebunden. Es gehört zur Universität nur in ihrem modernen Sinn.....

NB: Peter Drucker berichtet über Vortrag von McLuhan : "Er begann zunächst mit der Aussage, daß die mittelalterliche Universität durch das gedruckte Buch obsolet geworden war. Bei diesen Worten nickten alle zustimmend; denn dies war ja bestandtteil des konventionellen Wissens. Doch dann verstieg er sich zu der Behauptung, daß die neuzeitliche Universität im 16. Jahrhundert überhaupt erst durch die Buchdruckerei entstehen konnte, da diese nicht nur die Lehrmethoden und die Art der Darstellung veränderte, sondern zugleich die gesamten Lerninhalte sowie den von der Universität vermittelten Lehrstoff. Dieser unbekannte Mann vertrat offensichtlich die Auffassung, das neue Wissen hätte nur sehr wenig mit der Renaissance oder mit dem Wiederaufleben der Interesses an der Antike und der Wiederentdeckung der Klassiker oder gar mit der Astronomie, mit geographischen Entdeckungen oder der neuen Wissenschaft zu tun. Statt dessen wären diese großen Ereignisse der Geistesgeschichte selbst die Ergebnisse von Gutenberg neuer Technologie gewesen. Demnach wären nicht etwas Petrarch, Kopernikus oder Kolumbus die Begründer der modernen Weltanschauung, sondern allein der bewegliche Druckbuchstabe. 'Haber ich sie recht verstanden', fragte einer der Professoren, nachdem McLuhan seinen Vortrag beendet hatte, 'daß Ihrer Ansicht nach die Buchdruckerkunst nicht nur ganz allgemein die Vorlesung, sondern darüber hinaus die Rolle der Universität entscheidend beeinflußt hat?' 'Nein, mein Herr', antwortete McLuhan, 'sie hat sie nicht beeinflußt, sondern die Bucdruckkunst hat beides entscheidend determiniert, und sie hat sogar alles determiniert, was von da an als Wissen betrachtet wurde'. 'Das ist Blödsinn', sagte der Mann, der die Frage gestellt hatte, und der Vorsitzende rief schnell den nächsten Sprecher auf. Als wir nach der Sitzung hinausgingen, hörte ich, wie derjenige, der zuvor die Frage gestellt hatte und Dekan der Englischfakultät war, zu einem Kollegen sagte: 'Als dieser lange Typ mit seinem Vortrag über die Universität begann, war ich nahezu bereit, ihm eine Lehrstelle anzubieten. Aber ich glaube, er sollte lieber an eine TECHNISCHE FACHSCHULE gehen'. Damals vor vierzig Jahren [1940] sagte McLuhan nicht etwa 'Das Medium ist die Botschaft'; dies hätte er gar nicht sagen können, da das Wort 'Medium' noch nicht in seiner gegenwärtigen Bedeutung als Kommunikationsträger existierte. Nichtsdestoweniger glaubte er bereits an diese Aussage oder war zumindest der Überzeugung, daß das Medium die Botschaft determiniert und formt." (P.Drucker. Zaungast der Zeit. p.222/223)

Meine aber, daß gemeint ist: der Buchdruck und die damit verbundene Lösung der Bindung an die Universität bzw. ihre Ausweitung ermöglicht Trennung von Inhalt und Form, also das Buch als Container mit BELIEBIGEM INHALT. Also überhaupt erst die wissenschaftliche Veröffentlichung, ausgeschält aus der inkorporierenden LECTIO.

BUCHDDRUCK ALSO = AUSLÖSUNG des TEXTES aus D E M B U C H und seiner LECTIO. Als Technologie aber wird der Buchdruck selbst zur formativen Kraft, aber destruktiv. Diese Destruktivität tritt aber hervor in einer restituierten LECTIO, die Technologien als Medien liest, die sich vom Menschen getrennt und in sich geschlossen haben. Der Buchdruck als Technologie/Medium ist sozusagen taubes Gestein. Wenn aber Technologie sich öffnet, dann wird sie lesbar. Das Buch über Medien ist dann kein Buch mehr, sondern das göttliche Buch der Natur in das göttliche der Medien übersetzt, restitutiv (s. Bacon). Zweite Natur wird inkorporierend lesbar in der LECTIO, die McLuhan eröffnet hat.

Die Technologie wird durch eine Lektüre eröffnet, die ihren instrumentellen Charakter aufbricht. Instrumentelle Technik aber war Buchdruck und durch Buchdruck erst möglich. Das heißt aber: Technologische Texte, die niemand lesen kann, weil ihm das Spezialwissen fehlt. Moderne Physik aber ist lesbar seit Hiroshima und Nagasaki spätestens. Wenn nämlich die physikalischen Texte, ohne im einzelnen entzifferbar sein im Auflicht des Leselichtes, vor der Erinnerung an das Lichtwunder im DURCHLICHT zu strahlen beginnen: McLuhan.

MEM: Schwanitz feiert den Lichtgott Luhmann aus Undeloh. Der aber hat satanische Anwandlungen. Autopoiesis läßt keinen Selbstmord und keine Verzweiflung zu. So im Aufsatz im Band "Beobachter".