Bereich IV.
ELEKTRONISCHE GNOSIS


**KITTLER, Friedrich.
Grammophon, Film, Typewriter.
Berlin 1986.

Das Buch hat Vorwort, Einleitung und Kapitel, Fußnoten und Literaturverzeichnis. Dem Bücherschreiben ist aber, so wird im Vorwort geschrieben, nur noch eine Grenzfunktion geblieben, nämlich "gerade noch" aufzuschreiben, wie es dazu kam, daß die Schrift in technischen Medien verschwindet.

wenn die realen Datenströme unter Umgehung von Schrift und Schreiberschaft nur noch als unlesbare Zahlenreichen zwischen vernetzten Computern zirkulieren, Technologien aber, die die Schrift nicht bloß unterlaufen, sondern mitsamt dem sogenannten Menschen aufsaugen und davontragen, machen ihre Beschreibung unmöglich. Mehr und mehr Datenströme vormals aus Büchern und später aus Platten oder Filmen verschwinden in den schwarzen Löchern und Kästen, die als künstliche Intelligenzen von uns Abschied nehmen, zu namenlosen Oberkommandos unterwegs (3/4)

Bücher können aber, in "ihren Grenzbereich betrieben", gerade noch aufschreiben "wie es dazu kam, was in keinem Buch mehr steht" (4) Gemeint sind Texte, die "empfindlich genug [sind], um die Zeichen und Indizien einer Lage zu registrieren". (4) Das Buch also "sammelt, kommentiert und verschaltet Stellen und Texte

in denen sich die Neuheit technischer Medien dem alten Buchpapier eingeschrieben hat. (4)

Gibt es aber nach Verschaltungen überhaupt etwas zu kommentieren? Medien sind ja nicht verstehbar,

weil gerade umgekehrt die jeweils herrschenden Nachrichtentechniken alles Verstehen fernsteuert und seine Illusionen hervorrufen. [...] Von den LEUTEN gibt es immer nur das, was Medien speichern und weitergeben können. Mithin zählen nicht die Botschaften oder Inhalte, mit denen Nachrichtentechniken sogenannte Seelen für die Dauer einer Technikepoche buchstäblich ausstaffieren, sondern (streng nach McLuhan) einzig ihre Schaltungen, der Schematismus von Wahrnehmbarkeit überhaupt.(5)

Bleibt dem Silicon-Kantianer überhaupt noch etwas zu sagen? Ja, es bleibt! Wem es nämlich gelingt - diese glückhafte Erleuchtung könnte in den Diskotheken von "Agia Galini, im September 1985" (6) aufgeblitzt sein -

im Synthesizersound der Compackt Discs den Schaltplan selber zu hören oder im Lasergewitter der Diskotheken den Schaltplan selber zu sehen, findet ein Glück. Ein Glück jenseits des Eises, hätte Nietzsche gesagt. Im Augenblick gnadenloser Unterwerfung unter Gesetze, deren Fälle wir sind, vergeht das Phantasma vom Menschen als Medienerfinder. Und die Lage wird erkennbar. (5/6)

Dem sich gnadenlos Unterwerfenden wird erkennbar, daß Medien ihn erfunden haben. Deren Vater ist aber ist der Krieg, so wird mit Hitler "(sehr frei nach Heraklit)" und Ernst Jünger belegt (S. 381, Fußnote 6). Nicht irgendein Krieg allerdings, sondern "erst Weltkriege" (381), nämlich "die wahren Kriege" (6), weil nämlich die "nicht um Leute oder Vaterländer gehen, sondern Kriege zwischen verschiedenen Medien, Nachrichten, Datenströmen sind" (6).

-----------------------------------------------------------{Gnostizismus im Stahl-, nein Lasergewitter, und im Zeichen der Bombe. Macht der Erkenntnis vom archimedischen Punkt her: von der GRENZE her, der Schaltung, die das Lebendige ("Leute") steuert, Unterwerfung unter den Demiurgen, um ihn durch Lesen seiner Schaltpläne von Seiten des "Realen" (5 oben) her zu überwinden. Derrida gegen Kittler mit Derrida gegen Derrida? und dasgleiche mit Lacan? Auf seiten der Steuerung sein, hinter den Zahlen: "Alle Datenströme münden in Zustande N von Turings Universaler Maschine, Zahlen und Figuren werden (der Romantik zum Trotz) Schlüssel aller Kreaturen." (33) Mal wieder der Neue Mensch:

er schied Welt vom Chaos, trieb die Natur in die Enge, schlug die Tiere, sammelte und rettete die Art. Schlägt bis heute: Drillbohrer gegen naturalistisches Gewäsch und idelogischen Dilettantismus, Aufbrecher der Washrheit, Einbrecher in die andere, die allgemeine, die unsichtbare Welt, zwingend deren Dauer in die Nichtigkeit des Seins. Der große Mensch ...( Benn, Doppelleben, 59)

Statt "Drillbohrer" bei Kittler "Lötkolben". Benn S. 4 erwähnt. MIT DEM KRIEG GEGEN DEN KRIEG.

NEBENEFFEKT: Lacans Trichotomie (Reales, Symbolisches, Imaginäres) wird auf technizistischen Kern zurückgeführt. s. Lacan 'The pourloined Letter'-Markow-Ketten. Seminare: Psychoanalyse u. Kybernetik .... }. Genauer in F.KITTLER. Signal-Rausch-Abstand. s. leitmotischen Bibliographieteil ganz am Anfang S. 2., dort a.a.O. S.354.

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Zur Vermutung von gnostischen Implikationen eines medientheoretischen Ansatzes, der in der radikalen Ersetzung von "Geist" durch "Schaltplan" die Verblendung "Des Menschen" zu durchbrechen meint, bin ich durch ein Buch von

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Manfred SOMMER.
Evidenz im Augenblick.
Eine Phänomenologie der reinen Empfindung.
Ffm. 1987.

gelangt. Hier wird der Cartesianismus in einer Zuspitzung in der Psychophysik des späten 19. Jahrhunderts gezeigt, die Manfred Sommer "gnoseogen" nennt. Nach dem "physiologischem Idealismus" eines Johannes Müller verhält es mit Erkenntis sich so, daß "das Nervensystem hier nur sich selbst leuchtet, dort sich selbst tönt, hier sich selbst fühlt, dort sich selbst riecht und schmeckt" (zit. Sommer, 39), so daß es um "uns" laut Mach so steht: "Die Welt, von der wir doch ein Stück sind, kam uns ganz abhanden, und wurde uns in unabsehbare Ferne gerückt" (zit. Sommer, 44). Wenn dieser "Okkasionalismus" dann bei Mach zu einer Theorie der neuronalen Struktur des Gehirns führt, die es als Netz von Verbindungen oder neuronalen Spuren sieht, die einem evolutionär ursprünglichen 'Durchlaufnerv' durch 'Bearbeitung' von Störungen aufgezwungen wurde zum Zwecke des Überlebens,

- Das Gehirn aber bildet sich oben als Netz vielfach verschlungener Umwege, als Geflecht höchst verwickelter Zweig- und Querleitungen. Es entsteht als Spätfolge einer frühen Devianz, erwächst aus der Iteration einer zufälligen Störung des geraden Wegs, eines clinamen. (140) -

so kann man in einem fahrlässigen Sprung 'sich vage erinnert fühlen' an die Vorstellung eines Gehirns, das nur seine eigenen Berechnungen berechnend (v. Foerster, Gerhard Roth, von J.S.Schmidt übernommen) durch eine chaotische Umwelt evolutionär 'driftet'. Der Schlüsselsatz Machs lautet aber "Das Ich ist unrettbar" (zit 396) und daraus folgert er, daß "das Ich ... gerade in den glücklichsten Augenblicken teilweise oder ganz fehlen kann" (zit. 400). Diese Auflösung kann allerdings, so merkt Sommer an, nur ephemer sein, "denn das Fehlen des Ich bemerken wir erst, wenn es wieder auftaucht." (400)

Für Mach ist an die Stelle des Glücks der Identitätsfindung das Glück der Nicht-Identität getreten. Sich selbst verkennen heißt auch: von sich selbst ein Portrait zeichnen, in dem das eigenen Gesicht nicht vorkommt, ein 'inverses' Selbstbildnis. Undsich selbst wiederzuerkennen ist dann nicht, wie sonst, Grund zur Freude, sondern Anlaß zum Erschrecken. Selbsterkenntnis, Selbstreflexion, wissen, wer 'ich bin': das ist identisch mit dem Bewußtsein der eigenen Unrettbarkeit. (400)

Der Weg zur Befreiung ist Gnosis, nämlich zu wissen, "wie undurchdringlich die Mauern unseres intraphänomenalen Gefängnisses sind" (der Mathematiker Paul du Bois-Reymond, zit Sommer 42). Wie lautet das im Zusammenhang mit der Frage nach der "Materialität der Kommunikation"?

Ent-Naturalisierung der Wirklichkeit [...] mag eine Folge des Sachverhalts sein, daß alltägliche Arbeit mittlerweile nur noch in Ausnahmefällen als Unterwerfung und Aneignung der Natur durch den Menschen erlebt wird. Gewiß bleibt der klassische Arbeitsbegriff als Funktionsbeschreibung weiterhin gültig, aber in direkte Berührung mit Natur treten heute die von Menschen konstruierten Maschinen, während die Menschen selabst bei der Steuerung der Maschinen nur mit den Objektivierungen ihres eigenen Geistes gekoppelt - als 'MIT SICH SELBST KURZGESCHLOSSEN'- sind (vgl. den Beitrag von G.Maruani) In dieser ent-naturalisierten Erlebnis-Dimension entzieht sich jener Horinzont von 'Wirklichkeit', derfrüher den Begriffen Referenzen zu bieten schien - und es gibt folglich keine 'Originale' mehr.

So Hans Ulrich GUMBRECHT in "Flache Diskurse" (S. 917) in dem ganz am Anfang dieser 'Bibliographie' angeführten Titel, dort S. 3.

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KITTLER, Friedrich A.
Aufschreibesysteme 1800/1900.
München 1985.

PSYCHOPHYSIK gegen "den Menschen", gegen Goethe.

Ref-Ansatz 9.6.89:

Kittlers Arbeit hebt an mit der Feststellung, daß die "Deutsche Dichtung" mit einem Seufzer anhebe. Es handelt sich um das "ach" des "Vorspiel auf dem Theater" des "Faust": "Habe nun, ach! Philosophie ...". Diesen Seufzer ruft hervor das "mit heißem Bemühen" betriebene Studium von "...Philosphie,/ Juristerei und Medizin,/ Und leider auch Theologie", also "der universitäre Diskurs aller vier Fakultäten und in jener historischen Formation, die auf den Namen res publica litteraria hörte". (11) Diesen Diskurs, wie den "Tonfall altdeutscher Knittelverse" (11) durchkreuzt in jenem 'ach' "eine reine Seele", wie es "Verse des anderen Klassikers" bestätigen: "Warum kann der lebendige Geist dem Geist nicht erscheinen? / Spricht die Seele, so spricht, ach! schon die Seele nicht mehr." Damit hat es aber folgendes auf sich: "Der Seufzer 'ach'ist das Zeichen jener einmaligen Wesenheit, die wenn sie irgend einen anderen Signifikanten, oder, das es Signifikanten nur im Plural gibt, Signifikanten überhaupt in den Mund nähme, gleich wieder zu ihrem einen Seufzer zurückkehren müßte; denn schon wäre sie nicht mehr Seele, sondern (der Titel /von Schillers Gedicht/ ist unzweideutig) 'Sprache'.

Deswegen ist die Gelehrtenrepublik "systematische Verhinderung des Glücksfalls, daß der lebendige Geist dem Geist erscheinen kann" (11)

Also sitzt auch der Magister oder gar Doktor Faust in einer Bibliothek ohne Neuerscheinungen, liest, exzerpiert und kommentiert, um dann im Kolleg seinen Schülern zu diktieren, was alte Bücher ihm diktiert haben. Die Gelehrtenrepublik ist endlose Zirkulation, ein Aufschreibesystem ohne Produzenten und Konsumenten, das Wörter einfach umwälzt.(11)

Es wird von Faust bei seiner Bestandsaufnahme dieses Aufschreibsystems keiner genannt "der Schreiber, Schöpfer, Autor eines Buches wäre", auch keiner, "der eins der Bücher verstehen, verdauen, verarbeiten würde. Mit einem Wort: die alte Gelehrtenrepublik betrügt Den Menschen um Den Menschen" und

also beginnt die Deutsche Dichtung mit dem faustischen Experiment, an alle möglichen Leerstellen eines obsoleten Aufschreibesystems versuchsweise Den Menschen einzusetzen."(11)

Die faustische Beschwörung des Nostradamus mit dessen eigenem Buch ist der erste Versuch. Er soll die "endlose Zirkulation der Wörter stoppen".

Unter den Kopien von Kopien, wie sie Gelehrtenbibliotheken füllen, erscheint im Unnachahmlichen seiner Handschrift der Autor Nostradamus. [...] Seine imaginäre Präsenz macht das gelehrte Sinnen über Zeichen ja so überflüssig wie eine Stimme die Schrift. Alles läuft, als wäre sein Buch gar kein Buch mehr. Wenn beschriebene oder bezeichnete Zeichen den Leser hören können sollen, taucht eine virtuelle Mündlichkeit auf. Was im Distichon /Schillers/ das Unmögliche selber heißt, wird ereignis: ein Geist kann einem anderen erscheinen (wie Schiller schreibt) oder sprechen ( wie Faust sagt)."(12)

Und hier taucht dann ein drittes 'ach' auf, der Seufzer des Referenten nämlich, wenn er weiter zitiert:

Und sofern die Unmöglichkeit dasjenige ist, was nicht aufhört, sich nicht zu schreiben (vgl LACAN, 1975:55), dann ist jene Nostradamusanrufung, bei der etwas aufhört, sich nicht zu schreiben, um statt dessen Geist oder Seele zu heißen, genau die Kontingenz, die seitdem deutsche Klassik heißt.

Hier durchkreuzt ein 'ach' nicht als "reine Seele" die Zirkulation und Umwälzung von Wörtern, sondern als reine Verzweiflung.

@KOMM1

Der Verweis dieser hermetischen Stelle führt zu einem ebenfalls hermetischen Text Jacques Lacan: "Encore". Das Unmögliche, das "ne cesse pa de ne pas s`écrire", ist dort das "corrélat de ce qu`il n`y ait pas de rapport sexual, et c`est le substantiel de la fonction phallique."(55) Es ist dem Notwendigen zugeordnet an Stelle des Kontingenten, das man als Gegensatz des Notwendigen zu erwärten hätte. Warum? Es geht um Aristoteles und Freud. Ausgangspunkt ist die Nikomachische Ethik, "manifestement intraduisible"(49), nur dem nicht verschlossen, der das Aristotelische Griechisch beherrscht.

Der erste Versuch Faust, die Leerstelle Autor im alten Aufschreibesystem zu füllen, scheitert. Denn der Autor Nostradamus hat geschrieben. Seine Zeichen sind ein "Makrokosmosideogramm", das vorstellt, "wie alles sich zum Ganzen webt" (Faust), wie also der bezeichnete Kosmos die Textur des ihn bezeichnenden Zeichens hat. In diesem 'Kontinuum der Repräsentationen und des Seins', diesem 'durch die Präsenz der Repräsentationen offenbarten Sein' ist kein Mangel und keine Lücke (FOUCAULT, 1966/1971b: 258), nur der göttliche Aktcharakter des Schreibens und Schaffens fällt aus".(12)

Der zweite Versuch Fausts, "Den Menschen hinter und über allem Bücherkram" in die "Konfiguration des frühneuzeitlichen Wissens" einführen zu wollen, betreibt dies an der zweiten Leerstelle dieser Konfiguration: am Leser. Der Erdgeist erscheint auf das paradoxe Zauberstück hin, eine unaussprechliche Figur, nämlich ein magisches Ideogramm, das "unaussprechliche Figuren und ebenso unaussprechliche hebräische Buchstaben" kombiniert, auszusprechen.

Aber genau darin besteht das faustische Experiment, aus dem Zeichenschatz der Signifikanten den Mundvorrat eines Lesers zu machen. (13)

Die Zeichen gehen auf "in der Flüssigkeit ihres Bezeichneten - einer Stimme.." (13). Aber auch dieser Versuch scheitert.

Statt Herr des beschworenen Zeichens zu bleiben, verschwindet der Leser im Gewebe oder Textum des Bezeichneten." (14).

Der dritte Versuch aber gelingt. Er

setzt an die Stellen des produktiven Autors und des konsumptiven Lesers eine einzige Instanz, die schon darum Inthronisation Des Menschen ist. (14)

Faust schlägt die Bibel auf, "um einen Mangel zu beheben, der immer schon 'ach! nach des Lebens Quelle" hin ihn trieb.

Stillung soll jenen Mangel nicht mehr aus der einzigartigen Quelle strömen, sondern aus einem Text, der sie wortwörtlich ersetzt"(14),

also aus einem "Surrogat". Es werden nicht mehr unalphabetische Zeichen magisch erprobt, auch werden nicht die Texte aufgegeben, die im großen Archiv Gelehrtenrepublik gespeichert wurden, sondern nur die in jener Republik vorgeschriebene Textumgangsform."

Faust übersetzt nämlich die Bibel. Aber anders als es die Gelehrtenrepublik schätzt. Er kann nämlich übersetztend das 'Wort', das 'Im Anfang' steht, "so hoch unmöglich schätzen/ Ich muß es anders übersetzen". Kittler leitet ab:

Mit dem Wort, daß er das Wort unmöglich schätzen kann /.../ schert Faust aus der Gelehrtenrepublik aus. Von Humanismus und Reformation erlassen Bücherumgangsregeln werden obsolet. Der Humanismus verfuhr als philologische Tätigkeit und Philologie heißt Liebe zum Wort. (15)

"Sola scripura" ist die Regel Luthers, und für die Schüler von Katechismusschulen heißt das, "daß sie heilige Texte auswendig lernen und "von wort zu wort verzelen".(15) "Unumstößliche Wortlaute als Reduplikation eines unumstößlichen Wortlauts- das war Bibelfestigkeit."(15) Was Faust aber "zum Gründerhelden eines künftigen, des transendentalen Wissens macht" liegt darin, daß ihm "Übersetzen zur Hermeneutik" gerät. Es handelt sich hier um einen "epistemologischen Schnitt" (16), wenn die "frühneuzeitliche Ordnung der Worte"(16) dadurch revolutioniert wird, daß der Wortlaut ausgetauscht wird "gegen Einsichten darüber, was geschrieben werden sollte, wenn es nach dem Übersetzer ginge." (16) Es geht hier aber um ein ganz eigenen Wort, nämlich um das Wort an einem Anfang, der das Wort ist.

Der Anfang des Evangeliums nach Johannes ist ein einzigartiges Gewebe oder textum von Wärtern, das völlig autonym das Wort den Anfang nennt. Der Anfang mit dem Wort 'Wort', dieser Anfang in seiner unsäglichen Reduplikation, den alle Diskurse, da selber aus Wörtern gemacht, nicht einholen können, hat bis ins Europa der Frühneuziet die Form des Kommentars gezeitigt.(16)

Kittler zitiert hier Foucault, Die Ordnung der Dinge, und vermerkt, daß auch Faust "mit dem Lesen und Auslegen, den rhetorischen Variationen und Mutationen nicht einfach" aufhört (1). Aber die Umschrift

verliert /.../ jede rhetorische Rechtfertigung. Die Paraphrasen heißen nicht mehr aus einem Schatz der Tropen und Figuren geschöpft; sie erhalten die umgekehrte Funktion zugesprochen, die wahre und eigentliche Bedeutung eines Wortes zu bedeuten. Und dieses Wort ist ausgerechnet das Wort 'Wort'. Es geht nicht um ein Wort oder Signifikat unter anderen; es geht darm, das Wort überhaupt als Signifikanten dem Primat von Signifikaten unterstellen. Aus rhetorischen Variationen macht Faust eine semantische Queste nach dem transzendentalen Signifikat,(17)

es geht also um das "Transzendentalsignifikat".(17)

Fausts Übersetzungen besteht in einer Reihe von Durchstreichungen. Im Anfang war die Tat,die Kraft, der Sinn, das Wort. (Graphik 18) "Es sind diese Durchstreichungen, die hermeneutisches Übersetzen von rhetorischem Umschreiben unterscheiden."(18) Denn die

Logik der Signifikanten ist eine Logik der Ersetzungen, die Logik der Signifikate eine Phantastik, bei der ein unersetzliches Signifikat alles ersetzbaren Signifikanten ersetzt. Ohne Durchstreichungen wären die Wörter ein "Paradigma von Signifkanten im Sinn Saussures.

Aber "der Übersetzer in seiner Freiheit nimmt ihren Zusammenstand (und das heißt ja System) gar nicht war", weil er "eine Bedeutung außer aller Differentialität sucht."(18)

Dieser "diskursanalytische"(18) Befund eines "Augenblicks ohne 'Paradigmenbewußtsein' in der 'Geschichte des Zeichens' - so in der Terminologie R. Barthes (18) gefaßt - schreibt Faust syntagmatische und paradigmatische Blindheit zu, so daß "nur noch der innere oder imaginäre Bezuig zwischen Signifikant und Signifikat"(19) bleibt. "Er ist es, den man 'gewöhnlich'und vorab seit Goehtes Kunsttheorie 'ein Symbol nennt' (R. Barthes)"(19). Für die Dauer eines Jahunderts suspendiert der faustische Handstreich die Zurechnung des Zeichens zu den Mengen, deren Element es ist. Dieser Ausfall hat sehr pragmatische Gründe. Denn der Bezug aufs Signifikat ist der einzige, der nicht dem Diskurs des Anderen gehorcht.(19)

@KOMM1 Frage: in welchem Verhältnis steht hier Mengentheorie und Saussures Zeichen(?)theorie.

Denn Faust schreibt allein und "ohne zugezogene Bücher und in keinem Diskursnetz."(19) Solcherart "freies Schreiben" (20) findet "keinen Platz" im Aufschreibesystem, aus dem Faust herkommt, weil es selber ein neues Aufschreibesystem beginnt." Es handelt sich um einen "Nullpunkt"(20).

REF zunächst abgebrochen, zu wenig Überblick für Zusammenfassung und Kürzung.

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KITTLER, Friedrich.
Die künstliche Intelligenz des Weltkriegs: Alain Turing.
In: Arsenale der Seele (Hg. Kitter/Tholen). München 1989. 187ff.

Lacans Def. von künstlicher Intelligenz. (189) Shannon-Paradigm (Rausch-Signal-Abstand) (189). Krieg als Zweipersonen-Nullsummenspiel (191). Schützengräben sollen analoge Speichermedien wie Film und Grammophon sein (192). "die frohe Botschaft des Blitzkriegs" (193)

Turing-Bletchly-intelligence gegen Enigma-intelligence. (194 ff) 'Vernetzung' von Panzerverbänden über UKW. Interzeptionsgeschichte (Marconi) Lithinweise .

Turing-Maschine (196). Gute Formulierung des UMKEHRSCHLUSSES (196) von 'es gibt kein Entscheidungsverfahren' (oder: nicht jede Zahl ist berechenbar ) zu 'jedes effektive Verfahren (Weizenbaum, KM ) ist berechenbar. Rolle von ACE, ENIAC, BINAC, MANIAC etc (199). Nachkriegsabschottung USA-UK.(200) Turings Auswerfung.

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HAGEN, Wolfgang. Die verlorene Schrift.
In: Arsenale der Seele (Hg. Kitter/Tholen). München 1989. 211ff.

Aus der Techno-gnostizistischen Kittler-Ecke. Atomblitz als Paradigma für von Neumann-Rechnerarchitektur. Kein 'bottleneck' (Backus ?), völlig absurd hierin. Computer-Zeitstruktur interessant, s. Notiz zu Grassmück. SchriftSIMULATION.

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***Volker GRASSMÜCK.
Vom Animismus zur Animation. Hamburg 1988.

Aus der Techno-gnostizistischen Kittler-Ecke. "gnostische Zellen" (137). Diskurs des Verschwindens "Des Menschen".

NOTIZ 33 dazu und zu HAGEN und ULAM.

Zeitebenen: Grassmück; Automatisierungsarbeit Empirie; Thomas Mann, Zauberberg, Doktor Faustus, ... Zeitrelativität.

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Ulam zeigt, daß es RESTZEIT, FREIE RECHENZEIT ist, die als ZEITNISCHE zwischen den militären Rechenprojekten das 'FREIE SPIEL' mit neuen wissenschaftlichen Möglichkeiten erlaubt: Biomathematik, Zahlentheorie, Bäumchenbauen etc.

Daneben: Brian WINSTON. s. in Bereich I, dazu weiter zur freien Rechenzeit.

 

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STIEGLER, Bernd. Die industrielle Echtzeit.
In: Arsenale der Seele (Hg. Kitter/Tholen). München 1989. 203ff.

Akzent auf Alphabetisierungsproblematik, lineare Schrift.

Mit LEROI-GOURHAN, Kontinuität Buchkultur - Neue Kommunikationstechnol. Aber Brucheffekte (205) Zeitgeschichten. "Echtzeit ist Zeitgewinn" mit Lyotard (207). s. Notiz zu GRASSMÜCK.

Lineare Schrift ---> Öffentlichkeit, Auslegbarkeit des Rechts. Isonomie und Autonomie (208/09). "kritische Reflexivität" als krisis, macht Indiv. zum Staatsbürger... (209) (Lit. J.-P. Vernant, Die Entstehung des griech. Denkens ). Neue Kommtechnologien stellen eine

Transformation, Ausdehnung und Komplizierung der krit Reflexivität dar, die eben technologischer Herkunft ist. Vor allem andereren ist es ihre Reflexivität, die die 'neuen Technologie' kennzeichnet - und die Schrift ist eine Proto-neo-technologie. (210)

Offenbar nicht auf Kittler-Linie (Kontinuität eher als Buch, Schrift verschwindet nicht).

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HÖRISCH, Jochen. "Die deutsche Seele up to date".
Sakramente der Medientechnik auf dem Zauberberg.
In: Arsenale der Seele (Hg. Kitter/Tholen). München 1989. 13ff.

Es kann mal wieder nicht anders sein:

Davos ist der Ort, da reizvoll veraltete Lebensformen und die Technik ihrer Revolutionierung bzw.das, was zu beginnen nicht aufgehört hat [= Formulierung von Th.Mann !!] : moderne Aufzeichnungssysteme wie Röntenphotographie und Grammophon ihr verzaubertes Rendezvous haben. (14)

So muß es sein. H.C., der Ingenieur, mit Ocean Steamships angereist nimmt "Abschied vom Buch" (19). Problematische Darstellung des Biologie-Studiums von H.C. (19) als Castorps letzte "belletristische" Lektüre. DABEI TAUCHEN DOCH DORT DIE 'FRACTALE' AUF. Der Leser liest, wie er liest, s. CALVINO.

UND DANN FEHLT DIE 'DISKRETE SCHREIBMASCHINE' "SPIRIT HOLGER". Verbindung von Spiritismus, Meeres-/InselLYRIK und Technizismus werden suffisant vom Erzähler referiert. Der Dichter als spirit in der Typenrad-Schreibmaschine.

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Jean BAUDRILLARD. Hannes BÖHRINGER, Vilém FLUSSER,
Heinz von FOERSTER, Friedrich KITTLER, Peter WEIBEL.
Philosophien der neuen Technologie.
Hg. von einer 'Ars electronica'.
Berlin 1989.

Peter Weibel: das Teletechnologische bricht jenseits der Physiologie in das Symbolische ein (106), das Reale verlöscht in der Simulation (108). Baudrillard hat Einsichten im Nachtklub. Für Kittler steht das Erkennen (als Gestalterkennen) ohnmächtig vor den Algorithmen (67), die unter Computerbedingungen den Siegeszug der Simulation antreten (65). Das Gotteswort ist "zu einer reinen Syntax aus Befehlen oder Algorithmen geworden, um Sachen zu generieren, die es schlechthin nicht gegeben hat." (65). Das hat Benoît Mandelbrot von Warschau über Paris in "IBM's Amerika" verschlagen. Und

***Vilém FLUSSER, über Gedächtnisse
a.a.O 41 ff

nachdenkend, macht aus dem homo faber ein vorm ans Datenbanknetz angeschlossenen Computer sitzenden homo ludens, den "Spieler mit Information" (50) "Elektronische Gedächtnisse gestatten ein kritisches Eliminieren solcher Informationen", wie sie "menschliche Gehirne" "belasten" (51); gemeint sind falsifizierbare Informationen, die aber das Gehirn nicht einfach löschen kann. Der Wissende Seher sagt "uns":

Wir haben uns als Knotenpunkte eines Netzes anzusehen, durch dessen Fäden [...] Informationen strömen. (52)

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Ranulph GLANVILLE.
Objekte.
Berlin 1988.

Der Autor hat sich vom Architekten zum Vertreter der Second-Order-Cybernetics entwickelt und sieht Wissenschaft als Form eines Designs an. Wissenschaft entwirft Wissen, so wie "wir" überhaupt, da "wir alle kreativ sind", aus "Nichts etwas Neues machen" (14). N. Luhmann hat die Arbeit gefördert. Der Beobachter eines Systems ist für dieses selbst ein kybernetisches Kommunikations- und Kontrollsystem, das nicht mehr ein unabhängiges und isoliertes System im klassisch wissenschaftlichen Sinn ist. "Wir müssen nun nicht von einer Kybernetik sprechen, sondern von einer Kybernetik der Kybernetik".(106) Die Mölichkeit einer oabjektiven Welt ist verloren,

so daß wir uns herausgefordert sehen, eine neue Formulierung zu finden, in der abeobachtete und beobachtende Systeme als eine Einheit behandelt werden können. (106)

Ich möchte gerne wissen, ob das nicht von von Neumann in seiner Mathematik der Quantenphysik erfunden wurde, also lange schon vor der Kybernetik?

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Diskursanalysen 1.
Medien.
Hg Friedrich A. Kittler, Manfred Schneider, Samuel Weber.
Opladen 1987.

darin:
Bernhard J. DOTZLER.
Die Revolution der Denkart und das Denken der Maschine: Kant und Turing. a.a.O. 108-119.