BEREICH VI
'KOGNITIONSWISSENSCHAFT'

Dazu: Douglas. R. HOFSTADTER, BEREICH I.

Richard RORTY.
Der Spiegel der Natur.
Eine Kritik der Philosophie. Ffm 1987

Philosophie wurde

für den Intellektuellen zum Substitut für die Religion. Sie war die kulturelle Dimension, in der man auf den Grund vorstieß und das Vokabular und die Überzeugungen fand, mittels deren man seine Tätigkeit als Intellektureller zu erklären und zu rechtfertigen ausfindig machen konnte. (14)

Die "Idee 'des Mentalen' als einer eigenen, getrennten Dimension, in der 'Prozesse' ablaufen, verdanken wir [...] vor allem Descartes". (14) Eine Art "Dekonstruktion" (22) des Spiegelbildes, das die traditionelle Philosophie gefangen hält, nämlich

das Bild vom Bewußtsein als einem großen Spiegel, der verschiedene Darstellungen enthält [...] und mittels reiner, nichtempirischer Methoden erforscht werden kann. (22)

Dagegen zeigt

Howard GARDNER.
Dem Denken auf der Spur.
Stuttgart 1989

daß gerade die KOGNITIONSWISSENSCHAFT, die mentalistische Modelle am Computer konstruiert und studiert, die ihrerseits schon von opulenten Phantasien von elektronischen Intelligenzmaschinen her beeinflußt sind, daß diese Kognitionswissenschaft eine Fortsetzung des Cartesianischen Projekts bedeutet und es mit Hilfe des Computer-Modells zu retten versucht.

COMPUTER ermöglicht so Fortsetzung des Projektes Descartes/Kant einer Erkenntnistheorie (Howard Gardner: Descartes als Vater der Kognitionsforschung, 61 ff) dadurch, daß er die Untersuchung einer un-menschlichen Intelligenz erlaubt, die einer Maschine.

Spekulatius auf Hintergrund Kryptologie, Bletchly Park (Hodges): Der Computer wurde entwickelt als Intelligenzwaffe gegen Wesen, deren Intelligenz die von Nicht-menschen war. Der Computer konnte nicht gegen den Menschen selbst entwickelt und eingesetzt werden, bzw. erst dann, als geklärt war, daß Computerintelligenz zwar maschinelle nicht-menschliche Intelligenz ist, aber zugleich menschlich sein kann. Diese Ambivalenz von maschineller Intelligenz konnte aber nur durch den Einsatz gegen Intelligenz erworben werden, die zugleich maschinell und unmenschlich und doch die von Menschen war, oder von menschenähnlichen Lebewesen. Die Menschenähnlichkeit bestand aber wieder in der Intelligenz. Zirkel?

Anders: der Cartesische Dualismus ermöglicht die Entdeckung von Maschinen, die denken können und auch Bewußtsein haben können, wenn Körpermaschinen gefunden werden, die kein Bewußtsein haben und nicht denken, die also Tiermaschinen sind, die aber dennoch denken können. Die Umkehrung erfolgt so, daß Menschenähnliche Lebewesen, die Menschen in der Denkfähigkeit ähneln, zugleich Maschinen sein müssen, weil sie keine Menschen sind. Wenn bewußtes Denken als d e n Menschend auszeichnend angesehen wird, dann ist d e r Mensch ein Wesen, das bewußt denkt. Dann kann aber ein Lebewesen, das denkt, eine Maschine sein, wenn es kein Mensch ist. Möglich, daß die Bewußtseinsfrage schon den Ausschlag gibt. Wenn es Wesen geben könne, die ohne Bewußtsein denken können, dann kann es denkende Maschinen geben.

Der Computer als Kognitionswissenschaftliches Paradigma konnte nur entwickelt werden als Maschine, die die Funktionsweise der Intelligenz von Un-menschlichen Menschen durch un-menschliche, nämlich Maschinenintelligenz zu ENSCHLÜSSELN vermag (Turing). Bevor eine Maschine als menschenähnlich intelligent angesehen werden konnte, mußte sie bewiesen haben, daß sie die Intelligenz von nicht-menschlichen Lebewesen erfassbar und entschlüsselbar machen konnte. Sie mußte sich als der Intelligenz nicht-menschlicher Lebewesen gleichwertig erwiesen haben. Bevor darüber nachgedacht werden konnte, ob Maschinen wie Menschen denken können, mußten sie zeigen, daß sie mit nichtmenschliche Intelligenz der Intelligenz von nicht-menschlichen Lebewesen ebenbürtig waren. Denn wenn sie der Intelligenz von nicht-menschlichen Lebewesen gleichwertig waren, dann gab es (1.) Intelligenz bei Lebewesen, die nicht Menschen waren, (2.) Maschinen, die die Intelligenz von nicht-menschlichen Lebewesen hatten.

Wenn eine Isomorphie zwischen Maschinen- und menschlicher Intelligenz im Modell herstellbar ist, dann in einem Bereich, der weder Subjekt noch Objekt, weder Leben noch klassische Maschine (Mechanismus), weder .... noch .... ist (G.Günther). Die Ausgrenzung dieses Bereichs setzt aber voraus die Abtrennbarkeit der Intelligenz vom Menschen, d.h. einen Schnitt durch und eine Sektion des Menschen. Möglich wird dies entweder bei solchen Wesen, die intelligent sind, aber keine Menschen, oder bei solchen, die zwar intelligente Menschen sind, aber ihren Anspruch darauf, als Menschen angesehen zu werden, verwirkt haben. Erstere können von einem fremden Stern kommen, letztere können den Anspruch, als Menschen angesehen zu werden, verwirken, indem sie selbst Menschen diesen Anspruch verweigern, indem sie sie als Untermenschen ansehen. Wenn es solche Menschen gibt, die das Recht in Anspruch nehmen, andere Menschen als Maschinen zu betrachten, die man auseinanderschneiden oder in Experimenten erforschen kann, die man an Menschen normalerweise nicht vornehmen darf, dann haben diese Menschen eben diesen Anspruch darauf, als Menschen angesehen und behandelt zu werden, verwirkt und können ihrerseits als menschliche Unter-menschen untersucht werden..............

1. Um Maschinen als intelligent ansehen zu können, müssen sie sich Intelligenz gegenüber intelligent verhalten können.

Was soll das heißen? Knackpunkt: Mensch kann zwar auf die Idee kommen, daß seine Intelligenz wie eine Maschine funktioniert, aber um diese Maschine zu konstruieren als Maschine, muß sie ihren Intelligenztest nicht-menschlicher Intelligenz gegenüber bestehen. Dieser Test besteht darin, daß sie eine überlegene nicht-menschliche Intelligenz entschlüsseln/knacken/besiegen kann. Noch eine Voraussetzung: DIE NICHT-MENSCHLICHE INTELLIGENZ MUSS DIE VON LEBEWESEN SEIN, DIE SICH ABER WIE MASCHINEN VERHALTEN. Quidproquo: Lebewesen, das sie wie Maschine verhält, ist un-menschlich, Unmensch ist Mensch, der sich wie Maschine verhält.

2. Die Vorstellung einer überlegenen/gefährlichen un-menschlichen Intelligenz wird in die der Vorstellung von maschineller Intelligenz aufgenommen. Intelligente Maschinen müssen sich dann intelligenten Maschinen als überlegen erweisen.

Turings ausgedachter intelligenter Roboter: läuft durch die Gegend, und alle Leute erschrecken vor ihm.

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Michael POLANY.
Implizites Wissen.
Fm 1985.

Geb(r)uddel zu S 42 ff:

Der 'Urtext' - ohne Wortzwischenräume, ohne Vokale. Das Marginalitätsprinzip: es gibt "offengelassene RANDbedingungen" (43), die der Text selber nicht regulieren kann. Auf HÖHERER Ebene (ist es aber eine HÖHERE, gibts da Hierarchie wie bei Polany zwischen Rohmaterial, Ziegelsteinbrenner, Architekt, Stadtplaner) tritt auf KRITIK/KOMMENTAR. Der Text wird FIXIERT (Wortzwischenräume, Vokalisierungen). Polany:

Im Laufe der embryonalen Entwicklung finden wir andererseits in genau dem Maße, wie sich die künftige Bestimmung der verschiedenen Zonen des Embryos fixiert, eine zunehmende Einengung dieser Äquipotentialität. Der Embryo wird sozusagen zu einem MOSAIK. [Hans Driesch: bei geringerer Ausdifferenzierung, z.B. Seeigel, kann jede vom Embryo abgelöste Zelle [ Polany: FRAGMENT] wieder zu einem Seeigel werden [Aquipotentialität] ] Zwei Prinzipien verbinden sich nunmehr bei seiner Entwicklung: (1) Seine Aufteilung in Zonen mit fester Bestimmung geben ihm eine maschinenartige Struktur; (2) die Regulationenskräfte, die diese Zonen mit fixierter Potentialität einander anpassen und innerhalb einer jeden Zone die Äquipotentialität aufrechterhalten, stellen ein ORGANISMISCHES Problem dar. Mit dem Fortschreiten der Reifung [embryonale Entwicklung] werden die mechanischen Strukturen ausdifferenziert, innerhalb deren sich der Spielraum der Regulation entwprechend vermindert.(44)

Offene RANDbedingungen. ZWISCHEN den Zeilen (s. Leo Strauss). HINTER den Worten. Meine Idee (Obelix zu Asterix: gehen dir denn nie die Ideen aus? ): Bei Wachsender 'Mechanisierung' des Textes wird aus den offenen RAND = KOMMENTAR - bedingungen HINTERsinn: 'Äquipotentialität' zieht sich in eine Zone von Bedeutung HINTER DEM TEXT zurück. Der Text wird DURCHSCHEINEND, Leuchtend von innen her. Der Text selbst ist nicht mehr 'vieldeutig', sondern sein Sinn, er kann nicht mehr verschieden GELESEN werden sondern wird verschieden GEDEUTET.

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Interessanter sind aber Polanys Formulierungen des impliziten Wissens:

Die ÜBERSETZUNG der soamtischen Empfindungen in die Wahrnehmung äußerer Dinge mag daher als Musterfall jener Verschiebung der Bedeutung von uns weg erscheinen, wie wir sie in gewissem Maße bei allem impliziten Wissen vorgefunden haben. (22)

Wir können es daher wagen, die Reichweite des impliziten Wissens auf unser Nervensystem auszudehnen, so daß auch die Nervenbahnen der Großhirnrinde dazuzurechnen wären. (23)

Unser Körper ist das grundlegende Instrument, über das wir sämliche intellektuellen oder praktischen Kenntnisse von der älußeren Welt gewinnen. In allen Momenten unseres Wachlebens sind uns die Dinge der äußeren Welt dadurch gegenwärtig, daß wir uns auf unser Gewahrwerden der Kontakte unseres Körpers mit ihnen verlassen. Unser Körper ist das einzige Ding in der Welt, daß wir gewähnlich nie als Gegenstand, sondern als die Welt erfahren, auf die wir von unserem Körper aus unsere Aufmerksamkeit richten. Erst durch diesen intelligenten Gebrauch unseres Körpers empfinden wir ihn als unseren Körper und nicht bloß als ein äußeres Ding. (23)

Das implizite Wissen wäre eine Art unaussprechbarer/unlesbarer Text. Wahrnehmung wäre die Übersetzung dieses Textes in einen lesbaren, als Verschiebung der Bedeutung vom Körper-/Gehirntext weg. Dinge treten auf "als bedeutende im LICHTE dessen, dem wir uns von ihnen aus zuwenden [der 'Gestalt'] "(20).

Oder anders: In einem Gesicht wird die BEDEUTUNG der "einzelnen Merkmale ja genau AN DERSELBEN STELLE A B G E L E S E N  [...], an der sich die Merkmale befinden" (20) Es wird die GESTALT erkannt. Diese ist das "Ergebnis einer AKTIVEN FORMUNG der Erfahrung während des Erkenntnisvorgangs. Diese FORMUNG oder INTEGRATION halte ich für die große und unentbehrlich STUMME Macht, mit deren Hilfe alles Wissen gewonnen und, einmal gewonnen, für wahr gehalten wird." (15)

---> KONSTRUKTIVISMUS

Der 'Gesichtstext' wird also in einer 'Übersetzung' aus einem stummen/implizitem Text hergestellt. Dieser kann neuronale Verdrahtung oder EINVERLEIBTES Wissen sein, das verinnerlicht, und damit verstummt ist und unlesbar geworden.

Sich aufeine Theorie stützen, um die Natur zu verstehen, heißt sie VERINNERLICHEN. Denn von der Theorie aus wenden wir uns den Dingen zu und sehen sie in ihrem LICHTE; wenn wir mit ihr arbeiten, nehmen wir diese Theorie als das Schauspiel wahr, das sie uns erklären soll. (25)

Der stumme/unlesbare Text leuchtet oder erleuchtet den lesbaren Text und macht ihn dadurch erst Lesbar. Übersetzen/(Er)leuchten.

Versuche ich statt ein Wort auszusprechen, den 'Text' zu lesen, der implizit/stumm/unlesbar das Wort bedeutend macht, also jetzt darauf zu achten, wie ich das Wort aussprechen, Zunge etc bewege, wird "das Wort HOHL klingen und seine Bedeutung womöglich ganz verlieren" (25), d.h. betrachte ich "die einzelnen Merkmale einer komplexen Entität AUS ZU GROSSER NÄHE, so ERLISCHT ihre Bedeutung" (alles 25). Ein HOHL klingenden Wort ist ein leeres Wort, eine ausgeleerte Höhle, eine Echoraum. Wovon ist es entleert worden? Von dem stummen/unlesbaren/impliziten Text, seine TEXTUALITÄT ist ihm ENZOGEN worden. Nackter Wahnsinn.

Folgt Rehabilitation von Dilthey und Lipps. Aber deren Beschränkung auf Geisteswissenschaften wird aufgehoben. "EINFÜHLUNG [INDWELLING]" wird rehabilitiert (24), "Trennungslinie zwischen Geistes- und Naturwissenschaften" (24) aufgehoben. Indwelling heißt aber Einwohnen, denn nicht nur wird verinnerlicht, sondern "die Reichweite unserer Körperempfindungen" (23) wird "ausgeweitet". (23) Im Wahnsinn wieder: 'Wir' lesen IN der Natur/Welt 'unseren' impliziten/stummen/unlesbaren Text, aber lesen ihn nicht hinein, sondern entziffern die Natur ALS ihren/unsern (?) stummen Text.

Ihren: Gleichsetzung von unterer Ebene mit impliziten Wissen: Maschine physikalisch-chemisch - Organisation der Maschine, macht dort fehler, wo sie die offenen Randbedingungen der unteren überschreitet ..., diese Gleichsetzung scheint der problematische Knackpunkt bei Polany zu sein.

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ff.
Daniel C. DENNET. Brainstorms.
daraus ein Teil in
The Mind's I.
Fantasies and Reflections on Self and Soul.
ed. D.R. Hofstadter/ D.C. Dennett.

Owen J. Flanagan.
The Science of Mind.
MIT Press. Cambridge (Massachusetts) / London (England)

Descartes an Ursprung (mind and body), W.James, S. Freud, B.F. Skinner, Piaget/Kohlberg, ... Artificial Intelligence.

Rezension im Literary Supplement der Times, December 14, 1964 (P.N. Johnson-Laird ).