Friedrich A. Kittler. Aufschreibesysteme 1800/1900. München 1985 — I 1800

Die Gelehrtentragödie. Vorspiel auf dem Theater 11 ff).
Kittlers Arbeit hebt an mit der Feststellung, daß die "Deutsche Dichtung" mit einem Seufzer anhebe. Es handelt sich um das »ach« des »Vorspiel auf dem Theater« des Faust: »Habe nun, ach! Philosophie ...«. Aus diesem Seufzer entwickelt Kittler diskursanalytisch einen "epistemologischen Schnitt"(16), die Etablierung eines "Tranzendentalsignifikats" und die Markierung eines "Nullpunktes"(20), den Beginn eben von "Deutscher Dichtung" und von - Hermeneutik. Den epistemologischen Schnitt führt eine neue Art von Übersetzung der Bibel, zu der Faust nach zwei vergeblichen Versuchen, aus dem alteuropäischen Diskursnetz(39) auszuscheren, endlich greift.
Faust also schlägt die Bibel auf, "um einen Mangel zu beheben, der immer schon »ach! nach des Lebens Quelle« hin trieb"(14). Und er übersetzt sie, aber anders als es die Gelehrtenrepublik schätzt. Er kann nämlich das Wort, das am Anfang war »so hoch unmöglich schätzen/ Ich muß es anders übersetzen« (zit. 15).
Mit dem Wort, daß er das Wort unmöglich schätzen kann [...], schert Faust aus der Gelehrtenrepublik aus. Von Humanismus und Reformation erlassen Bücherumgangsregeln werden obsolet. Der Humanismus verfuhr als philologische Tätigkeit und Philologie heißt Liebe zum Wort.(15)
»Sola scripura« ist die Regel Luthers, und für die Schüler von Katechismusschulen heißt das, "daß sie heilige Texte auswendig lernen und »von wort zu wort verzelen« können mußten". "Unumstößliche Wortlaute als Reduplikation eines unumstößlichen Wortlauts - das war Bibelfestigkeit."(15) Daß Faust "Übersetzen zur Hermeneutik" gerät, macht ihn "zum Gründerhelden eines künftigen, des transzendentalen Wissens". "Fausts Verdeutschung eines heiligen Originals allein mit redlichem Gefühl ist ein epistemologischer Schnitt."(16) Die "frühneuzeitliche Ordnung der Worte" wird revolutioniert, wenn der Wortlaut ausgetauscht wird "gegen Einsichten darüber, was geschrieben werden sollte, wenn es nach dem Übersetzer ginge."
Das "Übersetzen aus eigener Seele und redlichem Gefühl" zielt aber auf das Wort am Anfang.(40) Dessen Paraphrasierungen "heißen nicht mehr aus einem Schatz der Tropen und Figuren geschöpft; sie erhalten die umgekehrte Funktion zugesprochen, die wahre und eigentliche Bedeutung eines Wortes zu bedeuten. Und dieses Wort ist ausgerechnet das Wort »Wort«".(17)
Es geht nicht um ein Wort oder Signifikat unter anderen; es geht darum, das Wort überhaupt als Signifikanten dem Primat von Signifikaten unterstellen. Aus rhetorischen Variationen macht Faust eine semantische Queste nach dem transzendentalen Signifikat.(17)
Fausts Übersetzungen besteht in einer Reihe von Durchstreichungen. Im Anfang war die Tat, die Kraft, der Sinn, das Wort. "Es sind diese Durchstreichungen, die hermeneutisches Übersetzen von rhetorischem Umschreiben unterscheiden."(18) Denn die "Logik der Signifikanten ist eine Logik der Ersetzungen, die Logik der Signifikate eine Phantastik, bei der ein unersetzliches Signifikat alles ersetzbaren Signifikanten ersetzt." Ohne Durchstreichungen würden die Wörter ein "Paradigma von Signifkanten im Sinn Saussures" bilden. Aber "der Übersetzer in seiner Freiheit nimmt ihren Zusammenstand (und das heißt ja System) gar nicht war", weil er "eine Bedeutung außer aller Differentialität sucht."(18)
"Faust bezeichnet in der »Geschichte des Zeichens« den Augenblick ohne »Paradigmenbewußtsein«" Dieser "diskursanalytische" Befund - in der Terminologie R. Barthes formuliert - schreibt Faust syntagmatische und paradigmatische Blindheit zu, so daß "nur noch der innere oder imaginäre Bezug zwischen Signifikant und Signifikat"(19) bleibt. Dieser "ist es, den man »gewöhnlich« und vorab seit Goethes Kunsttheorie »ein Symbol nennt«". Das aber ist das Ergebnis eines "faustische[n] Handstreich[s]". Er supendierte für
die Dauer eines Jahrhunderts [...] die Zurechnung des Zeichens zu den Mengen, deren Element es ist. Dieser Ausfall hat sehr pragmatische Gründe. Denn der Bezug aufs Signifikat ist der einzige, der nicht dem Diskurs des Anderen gehorcht.(19)
Faust schreibt allein und "ohne zugezogene Bücher und in keinem Diskursnetz"(19). Solcherart "freies Schreiben"(20) "findet keinen Platz im Aufschreibesystem, aus dem Faust herkommt, weil es selber ein neues Aufschreibesystem beginnt". Es handelt sich um einen "Nullpunkt".
Das an diesem Nullpunkt angesetzte moderne Schreiben ist das eines Schreibers, "der um den Satz ich schreibe herumschreibt"(21) und erfüllt so "den modernen Begriff von Autorschaft". Das Handschreiben des Autors Faust ist "die Tat seiner eigenen Selbstgegenwart".
Aber es gibt die Kultur nicht, "wo das Würfelspiel der Reden nicht gesteuert und beschnitten, nicht kontrolliert und organisiert würde"(22). Eine interne Verpflichtung löst für Faust die alteuropäische ständische ab. "Am Faktum der Diskursregelung ändert das nichts."(23) Es tritt also auf die Bühne Mephisto und wird von Kittler mithilfe von Nietzsches Darlegung des Staates als Bedingungen der Möglichkeit freien akademischen Schreibens und Hörens (Über die Zukunft der Bildungsanstalten, zit 24) als der Geist identifiziert, der "akademische Freiheit und dichterische Freiheit (nicht zu verwechseln mit poetischer Lizenz)"(25) garantiert: der Staat.
Anstatt des Wortes die Tat zu setzen, ist allemal eine politische Tat. 1794 gewährte im aufgeklärten Preußen ein und derselbe Code, das Allgemeine Landrecht, Büchern ein Verlagsrecht, das die Tat ihrer Autoren unentfremdbar macht, und den Bildungsanstalten ein neues Statut, das sie »von den am Hergebrachten hängenden Organen der kirchlichen Verwaltung löst«(41): »Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates«(42).(25)
Eine Selektion und Diskurskontrolle wie alle anderen etabliert sich, "auch wenn Hermeneutik ihren Sieg gerade der Maskerade verdankt, als Gegenteil jeder Kontrolle aufzutreten"(26). Diese Kontrollinstanz ist "der einzigartige Knoten, der selber nicht verstanden wird und verstanden werden kann"(27). Das wird sozusagen typentheoretisch festgestellt:
Der Staat bleibt jeder Hermeneutik verschlossen. Weil Verstehen seinem Universalitätsanspruch zum Trotz eine Sprechhandlung unter anderen ist, kann es die Sprechhandlung, die es selber eingesetzt hat, nicht hintergehen.(27)
Kittler nennt diesen "Nebel" den "Schein, Texte seien hermeneutisch verstehbar und nicht programmiert-programmierend".(28) Er ermöglicht also das Unmögliche: "eine Natur des Diskurses". Wer wie Kittler "diese Kunst des Betrugs leid ist", muß hinter Schreiben und Lesen zurückgehen und nach den programmierenden Instanzen fragen, die vom universitären Diskurs grundsätzlich ausgeschlossen sind.
1. Der Muttermund (31 ff).
"Jene Andere, die im Aufschreibesystem von 1800 Dichtung hervorruft"(30), ist "Die Frau"(43).
Das ist die Definition einer unendlichen Geliebten. Unendlich, weil die Natur mit aller List sicherstellt, daß das Verlangen nach ihr nicht ausgeht. Unendlich auch, weil dieses Begehren allein in Sprache und Rede ihrer Liebhaber statthat, während sie selber stumm und rätselvoll bleibt. Die Natur vollbringt also eine buchstäbliche Produktion von Diskursen.(31)
Der Autor Faust wird diskursanalytisch zum "Hermeneuten der Frauenseele"(32), indem "die überlieferte Schriftexegese zur Exegese Der Frau" schwenkt. Hier werden zwei Phasen unterschieden. 1. Phase bis zur Lessingzeit: die Bevölkerung Mitteleuropas wird zur modernen Kernfamilie umgemodelt. Das Wort des Vaters ist maßgeblich als artikulierte Rede. 2. Phase, "die die Goethezeit ausfüllt": "An Vaters Statt treten Mütter"(32). Das Mutterwort aber spricht nicht, es »säuselt«.
Die mütterliche Zuwendung ist eine Sprache in statu nascendi, als Grenzwert ein reiner Hauch, von dem her artikulierte Rede der anderen anhebt.(33)
Eingehend werden Techniken des Lesenlernen[s] um 1800 (33 ff) anhand einer damals auftretenden Büchersorte - Pädagogiken und Fibeln - verfolgt, "die den Müttern zunächst die physische und psychische Erziehung der Kinder und alsbald auch deren Alphabetisierung anbefielt". Deren Liste findet sich auf S. 33. Ihre Titel sind "selbstredend" und unterstreichen, "daß erst mit der Zuschreibung elementarer Kulturisationstechniken an Mütter deren Selbst gefunden ist"(33).(44)
Es wird also darum gehen, "die Einsetzung von Müttern an den Diskursursprung als Produktionbedingung der klassisch-romantischen Dichtung und Die Mutter als jene erste Andere zu analysieren, die von poetischer Hermeneutik verstanden wird."(34) Wenn Auswendiglernen dem Verstehen zu weichen hat, ist der "schlichte Buchstabe [...], dem im vorderasiatisch-europäischen Raum Lesen und Schreiben seit Jahrtausenden aufruhen, [...] der Fels, an dem Hereneutik zu scheitern droht."
Buchstaben haben keine Bedeutung. Buchstaben sind nicht wie Laute über die Stimme der Körper und der Natur anverwandt.(34)
Dagegen zielt der gesamte Elementarunterricht von 1800 auf den Carl Philipp Moritz von Goethe "nachgerühmten und unmöglichen Beweis, »daß die Buchstaben nicht willkürlich, sondern in der menschlichen Natur gegründet sind und alle gewissen Regionen des innern Sinnes angehören«"(35).
Diese Willkür verschwindet, so Kittler, "in einem inneren Sinn namens Mutterstimme". Der Prozeß dieses Verschwindens wird herausgearbeitet an Schriften von Basedow (36 f), Niemeyer(36 f), Schleiermacher (37 f) und Stephani (37 ff). Die vom letzeren eingeführte "reine Lautiermethode"(37) revolutioniert die materielle Basis der Buchstaben. Diese "Revolution des europäischen Alphabets ist seine Oralisierung"(38), und so wirken "unscheinbare Fibeln" mit an dem "epistemologischen Schwenk von allgemeiner Grammatik zu Sprachwissenschaft", den Michel Foucault in Les Mots et les Choses an den Namen Rask, Grimm und Bopp festgemacht hat.(45)
Für Kittler heißt das: "Der Muttermund erlöst also die Kinder vom Buch. Eine Stimme ersetzt ihnen Buchstaben durch Laute [...]."(40) Wenn Kinder später im Leben Bücher zur Hand nehmen, "werden sie keine Buchstaben sehen, sondern mit unstillbarer Sehnsucht eine Stimme zwischen den Zeilen hören."(40)
Eine Stimme, die nicht spricht, sondern sprechen macht, und zwar in reiner Ausprache. Lesenlernen nach der reinen Lautiermethode unter mütterlicher Leitung garantiert die methodische Reinigung der Laute von allen dialektalen Eigenarten. "Ein vollendeter Muttermund am Ziel seiner Selbstausbildung arbeitet nicht mehr empirisch-dialektal, sondern als Sprachrohr eines »Urstimmlauts«, der alle anderen generiert. Dem tranzendentalen Signifikat bei Faust entspricht die transzendentale Stimme bei Stephani."(41)
Die im transzendentalen Wissen tragende Unterscheidung von Kopie und Bildung, Nachahmung des bloß Nachgeahmten und methodisch gereinigter Produktion schlägt auch beim Reden zu. Wie auf anderen Wissensfeldern erscheint eine Norm, die die vielen regionalen Bräuche in Pathologien umschreibt und unter Titel Hochsprache eine Parousie reiner Signifikate oder »Gedanken« fordert.(41)
"Bis in die Tage Bodmers und Breitinger hinein [...] war der hochsprachliche Standard des Deutschen empirisch und nicht transzendental: die Meißner Mundart fungiert als eine unter anderen, die nur Brauch und Ansehen ausgezeichnet hatten."(42) Der Muttermund dagegen "stellt sicher, daß Hoch- oder Literatursprache zur Absenz selber von Mundart wird". 1799 setzte die Petersburger Akademie der Wissenschaften einen Preis für einen Automaten aus, der die fünf Vokale rein erzeugen konnte und so Mundarten und ihre Überlieferung der Denaturierung überführte.
Denaturierend ist also der überlieferte Spracherwerb selber, sofern er bloßes Überliefern war. Tradition produziert Kopien von Kopien von Kopien usw. ins Unendliche, bis noch der Begriff von Original verloren geht. Eine transzendentale Mutterstimme dagegen ist unentfremdbare Identität ihrer Munderfahrung, so wie der Automat störungsfreie Gleichheit seines Mechanismus ist.(42)
"Unter den technischen Bedingungen von 1800, wo die Automaten mechanisch, nicht elektrisch oder elektronisch sind" tritt die Mutterstimme an die Stelle des Automaten.(46)
Weil aber die Lautiermethode "die Regel selber von Überlieferung abschafft, ist sie nicht bloß Sprechsystem, sondern ein veritables Aufschreibesystem. Sie verbürgt auf pädagogischem (nicht technischem) Weg die Iterierbarkeit, also eine strukturelle Schriftlichkeit der Laute."(42) Lautierender Leseunterricht ist "im Klartext" der pädagogischen Texte ein "Aufschreibe- und kein bloßes Sprachsystem".(43) Deshalb kommt ihm der einzigartige Platz zu, "revolutionär wie nur noch die Erfindung von Schrift und d.h. Hochkultur überhaupt" zu sein.
Während also, wie an den ersten deutschsprachigen Fibeln der Reformationzeit nachgewiesen wird (44 f), das Sprachkonzept des 16. Jahrhunderts Kinder "anschaulich auf die vielen Sprachen der Kreatur, auf Materialität und Opazität der Zeichen" verwies und Sprache "den Mundarten und Mundarten den Kreaturen der Erde angepaßt waren"(45), tritt an die Stelle der vielen Tiere, die die älteren Filben lautbildend bevölkern - Hunde, Katzen, Ochsen, Kühe, Tauben, Schlangen - Die Frau.
Herder(46 ff) wie Hippel, Kleist wie E.T.A Hoffmann (47 f), Dichter, Sprachprachreformer und Reformpädagogen belegen: Die Frau ist ein "maschinelle[r] Effekt des Diskurses"(48). Ihr »ach« ist das sprachliche "Minimalelement, das Lauten und Bedeuten, Natur und Geist vereint".(49) Gewonnen wird es von Kittler über eine zentrale diskursanalytische Handgreiflichkeit: die Gleichsetzung von »Lamm« bzw. »Schaf«(47) (Kittler: "Schäfin") und "Der Frau" in Herders Abhandlung vom Ursprung der Sprache, der "Stifungsurkunde der Sprachanthropologie"(45). Das "Maschinenprogramm" von 1800 gewinnt das Minimalsignifikat durch Zerlegung der Diskurse bis auf kleinste Elemente, die sowohl als natürliches wie willkürliches Zeichen fungieren. Dabei stellt "die Zerlegung Spr/ach/e die basale Maschinenoperation im Aufschreibesystem von 1800 dar. Sie defininiert es, gerade weil sie nirgends als maschinelle Zerlegung auftritt, aber von Frauen und Texten immer wieder umschrieben oder reproduziert wird."(48) Die basale Maschinenoperation Kittlers seinerseits ist die Zerlegung Sch/ä/fin mit dem ä aus dem Herder und seinem Schaf unterlegtem "hypothetischem Bäh"(46).(48)
Die Gleichsetzung von Minimalsignifikat und Schriftzeichen wird verboten. Wäre der Seufzer ach ein Signifikant unter anderen, blieben von der Stimme der Natur nach Herder nur noch »Ziffern« oder »gemahlter, verwillkührter Buchstabe«.(zit 49/50) Für die wissenschaftliche Sprachanalyse sind um 1800 mithin "Wort und Buchstabe [...] die zwei untersagten Grenzen, die keine Sprachanalyse berühren darf. Den verbleibenden Zerlegungsraum füllt sehr genau das Konzept Wurzel aus, wie eine neue Sprachwissenschaft instituiert."(50) Er ist ein anderer als der des "Zeitalter[s] der Repräsentation"(51) und seiner Kombinatorik, wie sie "als Swifts Lagado-Akademie [...] verwewigt" ist. Der Implikation als neuer Zerlegungsregel entspricht die Augmentation als Verbindungsregel.(im Einzelnen 51 ff) Wie ach in Sprache enthalten ist, so geht Sprache, theoretisch wie buchstäblich aus ach hervor.
Montage und Augmentation als historisch verschieden Sprachhandgreiflichkeiten stehen zueinander wie Fuge und Sonate.(50)
So werden Fuge und Sonate abgehandelt um dann an Pestalozzis und Herders Leseübungen an Minimalsignifikaten (54 ff) diese als "Autonyme der Ersterziehung" im Rahmen einer "Benediktion der Kernfamilie" ebenso freizulegen wie die Pädagik "wahre[r] Programmierung"(55) und in einen "funktionierenden Regelkreis"(56) zu überführen.
Die Kupferstiche "bei Stephani und Chodowiecki" nun, die "einer Mutter-mit-Kind eine Mutter-mit-Kind beim Bildungswerk zeigen", bewirken eine Verdopplung der Alphabetisierungsszene und zeigen noch einmal "den gleitenden Übergang von ma zu Mama, Natur zu Kultur, Laut zu Sprache".(57) "Bilder und Mündlichkeit betten Schrift in jene »Liebe« ein, die eine Urbildnerin erweist und verdient." Die Liebesgabe, die das Lesenlehren der Mutter zugleich ist, wird besprechbar, erinnerbar und unvergeßlich. Eine
Alphabetisierung, deren ganze Mühe die Mutter »über sich nimmt«, hört auf, Einschnitt oder Schmerz zu sein, der eben als die unverwindliche Gewalt, den Leuten ein Gedächtnis- und Speichertechnik einzufleischen, ihren Gedächtnissen immer schon entfallen ist. Das Aufschreibesystem von 1800 macht gerade umgekehrt Erinnerungen möglich, die bis zur mütterlich liebevollen Alphabetisierung zurückreichen.(57)
Und eine "Fibel-Nostalgie" wird möglich, die noch Benjamin ansteckte.(58) So wird das "Schreiben über die Erlernung von Lesen und Schreiben [...] eine große Rückkopplungsschleife. Es kehrt zurück an den Ort, von dem alle Kulturisation ausgegangen ist, um ihn jedem Vergessen zu entziehen."(59)
Als Natur und Ideal orientiert Die Mutter das gesamte Aufschreibesystem von 1800.(59)
Das ist "ein Kurzschluß". Die pädagogischen Männer schreiben ausdrücklich für Mütter und "löschen dieser Adresse zu Liebe ihre eigene Schriftlichkeit. Bücher verschwinden im Muttermund." Stephanis Lautiermethode "oder die Prätention, das Lesenlernen vom Diskurs des Anderen abzukoppeln, ersetzt die Schriftlichkeit von Buch und Buchstaben durch eine Stimme [...]", und Pestalozzi schreibt im Vorwort zum Buch der Mutter dieser die Funktion zu, die Bücher seiner Methode überflüssig zu machen. "Das Buch eines Mannes taugt nur unter der Bedingung, als Buch zu verschwinden."(60) "Die Mutter oder Quelle von Diskursen ist also zugleich der Abgrund, wo Geschriebenes untergeht, um reiner Geist und reine Stimme zu werden."
Dem pädagogischen Diskurs steht die Abschaffung der Bücher auf Stirn und Titel geschrieben. Er macht Fausts Wendung vom Bücherkram zu Lebensquellen buchstäblich wahr: Die phylogenetische Quelle der Diskurse saugt die zu Büchern erstarrten wieder ein.(60)
Wie es nun funktioniert, ist (mir) nicht sehr klar, aber Kittler sieht es mithilfe von Nietzsche funktionieren: Nietzsche sieht den Staat in seinen Bildungsanstalten als »Mutter, böse oder falsche«, die »der Lehrer als Staatsbeamter zu simulieren nicht umhin kann«, als »Körper des Vaters [...], der die Alma Mater figuriert«.(zit 60/61) Die Konsequenz: "An der Stelle eines verschwindenen und nie erschienenen Buches erscheint [...] der Staat"(60). So lautet die Überschrift des neuen Abschnitts Mütterlichkeit und Beamtenschaft (59 ff). "Die Alma Mater oder Mutter [...] erlangt Positivität in einem bürokratischen und damit schriftlichen Apparat, der ihre Karikatur und Fortschreibung zugleich ist. Die pädagogischen Diskurse verschwinden im Muttermund, um in der Verwaltung vervielfacht wiederzuerstehen."(61) Fausts »Lebensquellen« werden institutionalisiert, die "Produktion von Diskursproduktionsinstanzen" wird angegangen.
Der Bildungsstaat macht aus der biologischen Reproduktion eine kulturelle und setzt damit "eine neue »Bestimmung des Weibes«".(62) Es handelt sich um eine "Recodierung der Frauen", die aus ihnen "Die Wahrheit" macht und ihnen eine "wahrhaft transzendentale Macht" zuschreibt. Das bedeutet zugleich die "Ausschließung der Frauen von der Staatsmacht und deren bürokratischen Diskursen".(63) Diese Exklusion sei aber "keine Exkommunikation; sie stiftet zwischen der neuen Bestimmung des Weibes und einem neuen staatstragenden Beamtentum Verhältnisse produktiver Ergänzung".
An Der Mutter hat der Staat sein Anderes, ohne das er nicht wäre [...].(64)
Damit tritt das Amt oder Beamtentum der Männer um 1800 in eine neue Phase. Der Fürstendiener wird durch den Staatsbeamten ersetzt und aus der ständischen Ordnung wird eine universale.(65) "Erst seit 1800 werden universale Beamte erzeugt, denen Menschheit und Menschlichkeit selber unterstehen." Und es tritt ein in das Beamtentum der "Erziehungsbeamte".(65, Begriff Stephanis) Das Allgemeine Landrecht erklärt 1794 Professoren und Gymnasiallehrer zu königlichen Beamten, und "wenn 1817 das preußische Kultusministerium den Staat selber und offiziell zur »Erziehungsanstalt im Großen« erklärt, ist der Kreis geschlossen"(65) "Ein Staat, der über seine Rechte und Strafen hinaus die moderne Möglichkeit universaler Disziplinierung ergreift, schließt notwendig einen Pakt mit der universalsten und »unentbehrlichsten Klasse von Staatsbeamten« die da Lehrerschaft heißt."(65)
Aber da fehlt eine zentrale Instanz, die die Erziehungsbeamten selber erzieht. Ohne sie würde das System "eine zentrale Leerstelle" aufweisen.
Diese elementare Voraussetzung der Disziplinarmacht bleibt so notwendig wie unbeschrieben, weil sie die Mitte des Systems ausmacht. Staatsrecht und Verwaltungswissenschaft stellen nur den Nexus zwischen Staat und Beamtentum her, Pädagogiken nur den zwischen Mutter und Kind. Einzig zwischen den Zeilen der Dichtung schließen beide Fäden zusammen.(66)
Kittler erkennt, daß "die verschiedenen Diskurse wie zerstückelte Glieder eines Phantasma auf ihren leeren Kreuzungspunkt [verweisen]: den Nexus zwischen Mutterschaft und Erziehungsbeamtentum. Er ist ungeschrieben und unumgänglich"(66) und reiner Sozialgeschichte unzugänglich, denn er funktioniert über verkoppelte oder "mitgekoppelte Schaltkreise" und nicht über soziale Kausalitäten:
Um universale Beamte zu generieren, wird Die Mutter generiert, die die universalen Beamten generiert, die ihrerseits usw. usw."(67)
Diese "polare Zuordnung der Geschlechter"(67) läßt dem System den Schein "eines fortbestehenden Patriarchats" aus einem einfachen Grund: "Die Frau existiert nicht." "Mit anderen Worten: der Bildungsstaat als Tanz zahlloser Beamter um die Alma Mater schließt Frauen, so es sie im Plural gibt, notwendig aus." Zugänglich sind ihnen Mädchenschulen, die "zur Stifung von Müttern gestiftet werden"(68), denn "Staatsexamen der Innerlichkeit wären undenkbar".(69) "Im staatstragend gewordenen höheren Bildungswesen sind Frauen dasjenige, was nicht aufhört, sich nicht zu schreiben - Lacans Definiton von Unmöglichkeit."(69)
Die strikte Trennung ist zugleich "engstes Korrelat", das ungesagt bleibt. "in einem System der polaren Geschlechterdifferenz gibt es keinen Ort, wo ihre zwei Seiten zugleich aufgeschrieben werden könnten. Sie bleiben getrennt durch den Abgrund, der Schrift und Stimme trennt. Beamte schreiben (nicht irgendetwas, sondern die Bestimmung des Menschen), die Mutter schreibt nicht, sondern macht sprechen." Kommt diese "Doppelbestimmung des Menschen" zu Papier, so "nur um den Preis einer Universalisierung, also in der Philosophie. Sie formuliert das Diskursnetz der zwei Geschlechter, aber indem sie die Mutter zur Frau überhaupt und den Beamten zum Menschen überhaupt ernennt."(70)
An Friedrich Schlegels Abhandlung Über die Philosophie und ihrer doppelten Adressierung - als Brief an seine Geliebte und als Abhandlung an die Öffentlichkeit - wird im Vorgriff auf das dritte Kapitel dieses ersten Teils die Funktion der Philosophie im Aufschreibesystem von 1800 abgeleitet(70 ff).(49)
2. Sprachkanäle (76 ff).
"Das Schreiben der Dichter im Aufschreibesystem von 1800 ist DISTRIBUTION VON DISKURSEN. Es stellt Reden einer maximalen Anzahl von Adressen zu" mithilfe einer geistigen Ökonomie, die zur Voraussetzung hat, daß den Diskursen ein allgemeines Äquivalent entspricht. "Sonst könnte Tauschandel gar nicht stattfinden."(76) Dieses Äquivalent ist "das Signifikat als den Buchstaben oder Signifikanten zunächst entnommenes und sodann übergeordnetes Element". Einen Diskurs auf Singifikate bringen heißt: "ihn übersetzbar machen". Die Existenz von Unübersetzlichem, "wie es in den Signifikanten einer jeden Sprache haust, wird nicht geleugnet, aber subtrahiert. Das allgemeine Äquivalent entsteht durch Ausfällen eines »Übrigbleibenden«: »des reinen vollkommenen Gehaltes«"(zit 77) - so wird Goethes Auffassung von Übersetzbarkeit zitiert und paraphrasiert, nach der "ein Primat von Gehalten über Signifikanteneffekte die Übersetzbarkeit aller Diskurse, auch der heiligsten und der formvollsten" verbürge. »Am Ende ist alle Poesie Übersetzung« schreibt Novalis und Kittler liest dessen Allgemeines Brouillon und den Heinrich von Ofterdingen als Dokumente der Etablierung dieses allgemeinen Äquivalents Poesie als "diskursive[r] Ureinheit".(78 f)
Allgemeiner Übersetzbarkeit muß eine - "den Leuten" entfallene - Urübersetzung aus einem unübersetzbaren Diskurs vorausliegen: dem erotischen. "Natur, Liebe, Frau - im Aufschreibesystem von 1800 sind sie synonym. Sie produzieren einen Urdiskurs, den dann Dichter aus seiner Stummheit heraus-und übersetzen."(79) Daß für Herder die Sprache »nur Kanal« ist, durch den der wahre Dichter als »Dollmetscher« Natur »in die Seele und in das Herz seiner Brüder« (zit 79) leitet, ist dann für Kittler "nachgrade technisch exakt". Denn hätte sie "ihre eigene Dichte und Materialität, Totzeiten und Übertragungsverluste, wäre die allumfassende Übersetzbarkeit dahin".(79) So aber durchkreuzt die
Diskursproduktionsinstanz [...] Übersetzungen und Diskurszirkulationen auf eine Weise, die gelehrtenrepublikanische und poetische Distribution historisch wie technisch scheidet. Ohne Erfindung eines stummen und entzogenen Ursprungs bliebe das universale Übersetzen auf der Oberfläche der Repräsentationen. Nur wenn auch und gerade Unübersetzbares zur Aufgabe poetischer Übersetzer wird, hört das Zirkulieren ohne Autoren und Konsumenten auf.
Karl Phillip Moritz' Anton Reiser(80 ff) und E.T.A Hoffmanns Der goldene Topf" (83 ff) sind nun "Klartext[e]", an denen die Effekte "einer Sprachentkörperung"(81) abgelesen werden können. E.T.A. Hoffmann, der "selber ohne Vater und bei einer nachgerade psychotischen Mutter aufwuchs"(83), findet als Effekt "größenwahnsinnige[r] Mutterliebe" zu einem "poetischen Diskurs, der das ganze Feld zwischen Muttermund und Erziehungsbeamtentum, unübersetzbarem Anfang und universaler Zirkulation der Reden durchmessen kann." Der Student Anselmus im Goldenen Topf wird, Geklingel, Gezische und halbverwehte Worte im Holunderbusch hörend, durch eine "halluzinatorische Audition des Muttermundes"(84) in die Poesie initiiert und "das Lernziel aller Fibeln wird Ereignis"(85). Das geschieht fernab von jenem "technologisch Reale[n]", in das erst Richard Wagner "alle halluzinatorischen Effekte romantischer Poesie" transponieren wird.(85)
An den schriftlichen Kopierarbeiten des Anselmus im Archiv des Beamten Lindhorst - die zentrale Schreib- und Initiationsszene - werden im Kontext zeitgenössischer Schreiblehren (88 ff) die die Handschrift selbst erfassenden Effekte der Signifikatenlogik ablesbar. Noch nicht zum Dichter gereift, muß der Kopist Anselmus seine Handschrift selbst so sehen: »Da war keine Ründe in den Zügen, kein Druck richtig, kein Verhältnis der großen und kleinen Buchstaben, ja schülermäßig schnöde Hahnenfüße verdarben die sonst ziemlich geratene Zeile.«(zit 87) Die Schreiblehren aber machen Schluß "mit den alten absetzenden Frakturhandschriften" und zielen auf "eine Ästhetik der »schönen und accuraten« Verbindung.
Wer Blockschrift schriebe, wäre kein In-dividuum (Weshalb dieses unteilbare Wesen an den Schreibmaschinentypen und Akzidenzschriften von 1900 auch zugrundegehen wird). Die großen metaphysischen Einheiten, die die Goethezeit erfindet - Bildungsweg, Autobiographie, Weltgeschichte -, sind kontinuierlich-organischer Fluß, einfach weil ein kontinuierlicher Schreibfluß sie trägt [...].(89)
Das neue Lernziel ist somit "eine genetische Schreibmethode"(90). Ihre Voraussetzung wieder nicht das (alteuropäische) Kopieren von Kopien, sondern ein Lindhorst(50), der nicht schreibt, sondern "einen anderen schreibem [macht] - ganz wie Die Mutter sprechen macht." Schriftzüge werden so genetisch aus einem Ursprung hervorgebracht, einer "Urschrift, mythischer Anfang von Schrift überhaupt".(91) Diese Urschrift "als Genesis von Schrift aus Natur erfüllt, wie es perfekter nicht geht, das Programm genetischer Schreiblehrmethoden. Unmögliches, daß nämlich Buchstaben in freier Natur vorkommen, wird Ereignis. So hat die Urschrift im Schreibfeld exakt denselben Platz wie die Mutterstimme als Naturanfang im Feld von Lesen und Sprechen."(51) Darüberhinaus muß "das Konstrukt Urschrift [...] am Muttermund parasitieren". So entsteht die "Konstruktion der Urschrift" aus der mit der Mutterstimme unterfütterten Verbindung von verstehbaren Zeichen mit natürlicher Bildlichkeit. Sie ermöglicht, sollte man meinen, die halluzinatorische Vorwegnahme späterer technischer Medien.
Zeichen verstehbar und nicht bloß lesbar heißen können, ist ihnen erstens die Bildqualität von Naturwesen und dieser Bildlichkeit zweitens die Mutterstimme unterlegt. Wie beim Lautieren werden optische Zeichen vom imaginären Nachhall des Muttermundes derart umwoben, daß statt der Signifikanten deren Signifikate zu »sehen« sind. Als wäre der Text ein Film.(92)
Die "Schreibszene" des Anselmus untersteht aber der Regie des Staatsbeamten Lindhorst, der "durch erotische Verheißung"(93) für die Inspiration sorgt, die den Studenten über die Mechanik des Abschreibens hinwegträgt. Serpentina, deren Stimme dem Studenten reine Signifikanten lesbar und verständlich macht, ist "nur Botschaftsangestellte eines Staats oder Staatsbeamten".
Vor und über der imaginären Stimme-Gegenwart steht der Diskurs eines Anderen, der keine Bürgschaft mehr hat als sein Ergehen selber. Das innerste Gemüt, wie immer, spricht dessen Diskurs einfach nach.(93)
Dazu ist die Voraussetzung die Tilgung der "Binäropposition zwischen Weiß und Schwarz, Papier-Hintergrund und Buchstaben-Figur, die immer Stoß oder Choc eines Ereignisses ist"(94), zugunsten von "Übergängigkeit". Der Signifikant wird sozusagen geschleift. Man schreibt mit grauer Tinte, die nicht so absticht. Weiterhin muß die Opposition von Original und Kopie eingeebnet werden. "Anselmus kopiert [...] und kopiert doch nicht", er kopiert, aber vom Muster befreit, selbständig und schöpferisch.
Solche Freisetzung räumt den Spielraum ein, wo Diskurs des Lehrers und Stimme des innersten Gemüts verwechselbar werden. Das Unbewußte, dessen Dichter Hoffman sein soll, ist ein pädagogischer Nebeneffekt. Wenn Väter und Lehrer ihren »Posten als Herren der Schöfung« räumen, ensteigt dem Abgrund des Innneren mit Notwendigkeit die staatlich instituierte Mutter. [...] Aus der kultischen Verschmelzung von Lehrer und Schüler, dem offenbaren Geheimnis des Beamtensystems, entspringt eine Muttergottheit.(94)
Folgt die mythische Genealogie der dritten Vigilie des Goldenen Topfs. Genealogie ist sie "in dem genauen Doppelsinn", Familiengeschichte und Historik des Beamten zu sein, und wird so entziffert:
Gut verwaltungswissenschaftlich ist die Bestimmung des Weibes eine endlose Reproduktion der einen Mutter und die Bestimmung der Männer deren endlose Wieder(er)findung.(95)
Zweck dieser Genealogie ist die "Miniaturisierung" einer "dämonische[n] Schlange" oder "Riesenschlange, die wahnsinnig ist oder macht" zu einem Diminutiv: Serpentina, das Schlänglein, gegen der alten Rauerin. Serpentina
steht, jungfräuliche Wiedergeburt Der Mutter, als Deckbild und Apotropaion vor dem Alp eines Weibes, das nicht Die, sondern eine Mutter oder überhaupt keine Mutter, sondern eine der Geburtshelferinnen Alteuropas ist.(96)
Im Klartext: "Als Ammen brechen, realer und bedrohlicher, im Plural existierende Frauen in einen Diskurs ein, der nur die eine Mutter statuiert. Mit der systematischen Verdrängung von Geburtshelferinnen, Kindermägden, weisen Frauen durch Beamte einserseits, bürgerlich gebildete Mütter andererseits hat die europäische Kinderstubenreform ja begonnen."(96)
Sodann wird an der Schreibszene "in Hoffmanns bewundernswerten Klartext"(97) "die von Interpreten überlesene Stifungsurkunde einer neuen Phantastik" entwickelt: "»Un phantastique de bibliothèque« hat Foucault sie genannt." Sie ist "endloser Übergang zwischen Naturen und Büchern und Naturen" und fällt mit einer Technologie zusammen, denn damit Studenten wie Anselmus Frauenbilder in Blättern und Zeilen eines Textes erscheinen, müssen sie einen neuen Studiengang wählen: Philologie.(98 f) Mit ihr "zieht die akademische Freiheit auf ins Lesen ein".(98) Das beweist ein Zitat von Friedrich August Wolf (zit 98), "der als Student die Freiheit aufbringt, sich 1777 im unerhörten Fach Philologie zu immatrikulieren, und demgemäß als Professor das erste philologische Seminar gründen darf".
Es ergibt sich eine neue Art von Student. "Wenn es die neue Freiheit akademischer Beamter ausmacht, ungefähr zu reden, was sie wollen, so entstehen auch Lieblingsstudenten, die durch freies Übersetzen in beliebigen Texten genau das wiederhören, was ihre Lehre haben sagen wollen."(99) Und so einer ist Anselmus: "mit seinem innersten Gefühl reproduziert [er] einmal mehr den Diskurs des Anderen". Zur Besiegelung dieser Verbindung erscheint, sich herabschlängelnd, Serpentina. Im Kontext der Schreibszene als Dichterinitiation vertritt das Schlänglein aber "einfach das Schlängeln einer schön gerundeten und zusammenhängenden Idealhandschrift von 1800. Sie geistert durch die Zeilen wie das erotische und d.h. sprechen machende Phantom der Bibliothek". Was sie mit Anselmus bespricht, ist eben die erotische Sprechsituation, in der sie sprechen. Das treibt ihn in den Schwur ewiger Liebe. Die aber, so Kittler, "heißt Hermeneutik"(100).
Anselmus zählt zu jenen wundervollen Wesen, die, was nicht deutbar, dennoch deuten, und was nie geschrieben wurde, lesen. Zur Welt gekommen sind sie Anfang des 19.Jahrhunderts. Da ist eine Bibliothek, in ihr ein unleserliches Pergament, in ihm eine Schrift wie Schlangenlinien; da ist vor der Schrift ein einsamer Student, der sie in einer Schrift wie Schlangenlinien kopieren soll.(100)
Der kopierende Student aber kopiert nicht, "er versteht". Die Medienverschiebung von Schrift zu Stimme ist es, die hermeneutisches Lesen ermöglicht. "Statt Rätselbuchstaben entziffern zu müssen, lauscht Anselmus einem Sinn zwischen den Zeilen; statt Zeichen zu sehen, erscheint ihm eine in Gestalt der Mutter erscheinende Geliebte."(101)
"Die Kopplung von Alphabetisierung und erotischer Oralität hat Folgen", und der "Effekt einer Kinderstube, die vor Ammen, Mägden, Nachbarschaften abgeschottet und in Mutterliebe und Bildung eingeschlossen wurde" ist die "Kopplung von Selbstleserschaft und Selbstbefriedigung"(102) So liest Kittler die zeitgenössische Onaniediskussion (101 f) im "Klartext" einmal ihrer paradoxen Absicht, die Gefahren zu frühen Lesens mit "Waffen" zu bekämpfen, "die selber gelesen werden müssen"(102), dann ihres paradoxen Ursprungs in einer erotisierten Kulturisation, die "jene Übertretungen provoziert, gegen die sie so viele Wörter erfindet".
Vordem war "Erotik [...] schlicht genital". Die zwischen Anselmus und Serpentina läuft dagegen auf "gegenseitiges Aufschaukeln" hinaus, also auf "eine einzige Verstärkung der Leselernsitutation: Empfinden und Preisen der Einen, die Männer sprechen macht". Technisch beschrieben: "Oszillatoren schwingen unter der Amplitudenbedingungen, daß das Ausgangssignal mindestens Einsverstärkung hat, und unter der Phasenbedingung, daß es ohne Verzögerung oder Totzeit auf den Eingang zurückkommt."
Resonante Systeme kappen ihren Bezug auf andere. Zwischen Mutter und Kind kommt eine Erotik »höchster Nähe« auf, die nicht mehr aus vorangegangenen Geschlechtern gespeist und nicht mehr auf kommende ausgerichtet ist. Anselmus, statt wie sein geistiger Vater Kinder zu zeugen, bleibt Kind. Andere als orale und könästhetische Lüste würden die Funktion Mütterlichkeit nur um ihre bildenden Effekte bringen. Um Sprache zu erfinden, darf Herders Mensch die Natur nicht bespringen.(102)
So wird "Kindersexualität [...] funktionalisiert"(103) zur Rekrutierung poetischer Schreiber über hermeneutisches Lesen, das die "Erscheinung einer Traumgeliebten" ermögliche und das über diese "Masturbationphantasie" "zu einer neuen Fingerfertigkeit" führe.
Die hocherotische Schreibszene war aber zugleich "Beamtenprüfung" mit dem Vorteil "nicht danach auszusehen". Das zwischen Serpentinas vorsprachlichem Hauchen und dem faktischen Schreiben zustandegekommene "Kontinuum" macht solche unmerklichen Übergänge möglich. "Augmentationtechnik und Sprach-Anthropologie sind am Ziel."
"Wenn [...] Schreiben aus Lesen und Lesen aus Hören hervorgeht, ist alles Schreiben Übersetzung"(104), heißt dieses "Aufgeschriebensein des Muttermundes im Aufschreibesystem von 1800 [...] Dichtung", und ist das "Erschaffen in und aus dem Muttermund übersetzter Texte [...] zugleich Selbsterschaffung eines Autors. Am Schopf seiner Hermeneutik gelangt Anselmus aus dem Sumpf des Kopistenamtes."
Anselmus wird aber nach bestandender "Beamtenprüfung" Dichter. Beamter und Dichter, dichterisches und bürokratische Schreiben sind jedoch "die zwei entgegengesetzten und komplementären Seiten eins Selben. Sie trennt nur ein kleiner und entscheidender Unterschied."(105) Den "Beamten als Affen des Dichters", in diesem Fall den Registrator Heerbrand, weisen Schriftphantasmen oder Delirien von toten Buchstaben aus, "die keine Stimme belebt".(106)
Foucault hat das Bibliotheksphantastische, diese Erfindung des 19. Jahrhunderts, für die Tentation des Saint-Antoine als Tanz schwarzer Lettern auf weißem Papier beschrieben. Aber in solcher Technizität kann es erst am Jahrhundertende auftreten. Um 1800 ist der Schatten technischer Medien noch nicht auf die Dichtung gefallen, jener Schatten, der sie begrenzen und definieren wird.(106)
Die Opposition von Fraktur und gerundeter Schrift gibt es aber "nur innerhalb des einen Mediums Schrift". Wo delirierende Beamte tanzende Fraktur halluzinieren, "hört der Dichter Anselmus einzig und allein eine Stimme, deren Fluß seine Antiqua ründet, individualisiert und - das ist seine Auszeichnung - unbewußt macht." Beides läuft also "über denselben Kanal"(107). Das "Ideal des Dichters aber erreicht über diesen seine Adressaten, "ohne sie mit Schrifttypen zu behelligen. Mit reinem stimmlichen Signifikat, vor dem alle Signifikanten zu Übersetzung herabsinken, spricht der Dichter ihre Seelen an, ganz wie ihn selber die imaginäre Geliebte angesprochen hat."
Dichtung im Aufschreibesystem von 1800 hat die fundamentale und notwendige Funktion, Anschlußleitungen zwischen System und Bevölkerung zu sein.(107)
Folgt noch ein "Gegentest auf inspiriertes Schreiben", der die "Absetzung des poetischen Schreibens vom bürokratischen" sicherstellt. Anselmus gerät in Versuchung und muß ständig an Veronika denken. Er reduziert damit "Die Frau auf eine Frau, Serpentina auf Veronika". Das aber heißt "Schreiben auf bloßes Schreiben zu reduzieren"(107) und ergibt einen Tintenfleck statt gerundeter Schrift.Tintenflecke sind konsequent "notwendiger Ausfluß eines Lesens, das Idealfrauen materialisiert" und verknüpfen "das Leben und die »Selbstbefleckung«".(108) So setzt der Fleck der "schön gerundeten, kontinuierlichen und daher individuellen Handschrift" gegenüber "die Metapher eine Pollution". "Er verzeichnet die Spur eines Begehrens, das, statt über die vielen Kanäle, Leitungen, Umwege von Sprache und Bücherwelt zu laufen, sie wie ein Kurzschluß durchschlägt."(108)
So verkoppelt sind die blanke Faktizität von Erotik und die blanke Materialität von Schrift um 1800. Nach dem Gesetz, daß alles, was nicht ans Tageslicht der Symbolisierung gedrungen ist, im Realen und d.h. Unmöglichen erscheint, gibt es sie nur in Delirien und Halluzinationen. Nichts geringeres als Wahnsinn besagt ja ein Tintenklecks.(109)
Die "heikle", nämlich zwischen Wahnsinn und Selbstbefleckung eingenistete "Beziehung zwischen Dichtung und Beamtenstand" wird am "Herrn und Meister" des Märchens selbst entwickelt. "Lindhorst, zugleich Königl. geh. Archivarius und Dichterfürst von Atlantis steht für Unvereinbarkeit und Vereinbarkeit beider Funktionen. Mögen jene subalternen Beamten dem Dichter-Studenten gegenüberdie bloße Unvereinbarkeit vertreten, der höchste und pädagogischte Beamte im Text weiß es besser. Er führt ein Doppelleben"(109) unter der Bedingung, diese Vereinbarkeit in Beamtenkreisen nicht auszuplaudern. In der Dichtung aber darf sie an den Tag kommen. In ihr "sind Dichtung und Bürokratie vereinbar, weil schon ihre Beschreibung dieser Vereinbarkeit weitere Dichterbeamte rekrutiert."(111) Der "die technologische Basis des Aufschreibesystems"(105) verwaltende Staatsbeamte als "der höchste und pädagogischtes Beamte im Text" legitimiert zum Schluß den sich als Autor meldenden Dichter Hoffmann und weist "der Dichtung, bislang scheiterndem Ausdruck einer Innerlichkeit, eine Funktion in Diskursnetzen" zu.
Die Intitiationsfunktion, beim Märchenhelden von Lindhorst wahrgenommen, springt also bei künftigen Lesern auf den Märchenschreiber über. Seine Dichtung ist Publizistik und er im technischen Wortsinn ein Multiplikator, der Wünsche seines Herrn und Meisters Lindhorst weitergibt.(111)
Also muß das Märchen gedruckt werden. "Wie Lindhorst zugleich Dichterfürst und staatlich vereidigter Schriftenarchivar, so ist sein Botschafter Hoffmann zugleich Träumer und Medientechniker. [...] Weil Lindhorst Hoffmann dazu bringt, sein bürokratisches Archiv durch ein poetisches zu ersetzen, löst sich alle Speichertechnik in Psychologie auf. Die Leser können die umschriebene Schriftlichkeit von Dichtung zu Herzen nehmen und wieder in Mündlichkeit oder Kindersexualität einer Phantomgeliebten rückübersetzen."(112)
"Auf solche Rückübersetzung sind poetische Texte von 1800 berechnet." Es genügt, "das eine Signifikat Sepentina zu errichten. Seine Referenzialisierung kann Lesern überlassen bleiben, deren Sehnsucht nach der grünen Schlange oder Mutter ihren Erfolg schon garantiert".
So elegant läuft in einer Signifkatenlogik der wirkungspoetische Effekt Multiplikation. Das Wort der Dichtung braucht keine Referenz zu haben, nur einen Sinn. Es braucht keine Verbindlichkeit zu haben, [...] nureine Schriftlichkeit, die beim Lesen oder Schreiben wieder in Bild und Geflüster grüner Schlangen rückübersetzbar wird.(113)
So wird möglich die "bürokratischen Taufe", die das "innerliche Wissen namens Dichtung" empfangen muß, um "diskursive Positivität" zu werden.(113) Zu ihrer Multiplikation als wirkungspoetischem Effekt der Signifikatenlogik braucht die bürokratisch getaufte Dichtung, um weitere "Dichtungsbeamte" (111) zu rekrutieren, bloße Kanäle zu ihrer Durchsetzung:
Der Dichter ist Überbringer der Natur oder Mutter in Seele und Herz seiner Brüder. Die Adressaten sind lesend Männer, die Brüder mit eben dem Recht heißen, das ihrer aller Liebe zur Alma Mater gibt. Sprache und Schrift sind bloße Kanäle, durch die Kindersexualität zu Kindersexualität fließt. Und vor oder hinter der ganzen Kanalisierung steht ein geheimer Beamter, der von ihr seine Erlösung hofft.(113)
Das nennt sich "Diskursverkabelung"(147), "von Stifterfiguren wie Klopstock und Goethe" experimentell vorbereitet, um 1800 "in Massenanwendung" zu gehen.
Im Folgenden geht es um die Automatisierung der Produktion und ihre Verkopplung mit einer Distribution, die in einer Art Kettenreaktion zur Mobiliserung weiterer Produktion führt. Das läuft über die Verkettung Autoren, Leser, Autoren (115 ff). Das europäische Mittelalter kannte den Extremfall von bloßen Kopisten, die nicht lesen konnten und den von bloßen Lesern, "die ihre eigenen Kommentare oder Fortsetzungen von Texten einem Schreiber diktieren mußten.
Das Aufschreibesystem von 1800 ist das gerade Gegenteil: eine Kultur, die Lesen und Schreiben automatisiert und koppelt. Zweck dieser Kopplung ist die allgemein Bildung, Voraussetzung eine Alphabetisierung, die Lesen und Schreiben durch beider Rückbindung an ein einzigartiges Hören verschaltet.(115)
Es handelt sich dabei um "eine Zäsur im Alphabetisierungsprozeß"(115). Erst "unter der Bedingung, ein reines und nicht entfremdetes Hören zu simulieren, werden Lesen und Schreiben um 1800 Allgemeingut." Das geschieht durch den "kontinuierliche[n] Übergang von Autoren zu Lesern zu Autoren". Für Kittler ist deshalb evident, daß diese "Mobilmachung" nicht allein durch technische Innovationen und soziale Wandlungen wie den "vielbemühte[n] Aufstieg des Bürgertums", zu erklären ist. Vielmehr haben "Mutationen der Diskurspraxis selber [...] zur ungeheuren Proliferation des Buchwesens um 1800" geführt.(115/16) Daß dabei "ausgerechnet die Belletristik an die statistische Spitze der Verlagsproduktion rückte", ist "ein einzigartiges Ereignis, dessen Geschichte die belletristischen Texte selber geschrieben haben"(116). Was Dichtung, Autorschaft und Werk - die drei Schlüsselkonzepte des Aufschreibesystems von 1800 - sind, bestimmen die Texte selber. So das Ende des Goldenen Topf im "Klartext": "Dichtung als »Besitz des innern Sinns« entsteht in erotischen und alkoholischen Räuschen; Autorschaft im Wiederlesen dessen, was das Delirium unbewußt zu Papier brachte; Werke schließlich sind Medien zur halluzinatorischen Substitution von Sinnesfeldern." Selbstvergessenes Schreiben, Spiegelstadium und Autorschaft sind "die drei technologischen Schritte zum Dichteramt" (118, im Einzelnen 116 ff ).
Dichtung hat also ihre Sonderstellung in den Ästhetiksystemen um 1800 aufgrund eines Kurzschlusses, den sie "zwischen »Bedeutungen des Geistes« (Signifikaten) und Welt (Inbegriff aller Referenz)"(120) schaltet und der "das allgemeine Äquivalent und die universate Übersetzbarkeit von Sinnesmedien dar- und sicherstellt."(120) Wirken tut sie unter den Voraussetzungen ihrer Produktion: dem "Lesenkönnen reiner Signifikate".(121) So kehrt Hermeneutik "ihre phantasmagorische Medialität" hervor. Nachdem die Alphabetisierung Anschauungsunterricht und Muttermündlichkeit geworden ist, "supplementiert sie alle anderen Medien".(122) "Lesen wird zu einer Bedürfnis, das sich selber voraussetzt und steigert - die klinische Definition von Sucht.(122) Dabei handelt es sich nicht um »Sublimation« oder »Verinnerlichung«. Eine psychologisierende Erklärung verschleiert hinter "larmoyante[m] Mitleid mit Bürgern, die ihren sogenannten Trieben entfremdet sind" "positive technische Effekte".
Alles andere als Sublimation hat stattgehabt. Im Aufschreibesystem von 1800 wird das Buch der Dichtung zum ersten Medium im modernen Sinn. Nach McLuhans Gesetzt, daß der Inhalt eines Mediums stets ein anderes Medium ist, supplementiert Dichtung auf reproduzierbare und multiplikatorische Weise sinnliche Daten. Atlantis, das Geheimnis des Goldnen Topfs, ist einfach Aufgeschriebenheit einer Augen und Ohrenlust.(122)
Diese Aufgeschriebenheit ist notwendig. Das Aufschreibesystem um 1800 kennt "schlechterdings keine Techniken, um Folgen von Geräuschen oder Gesichten in ihrer Singularität und Serialität festzuhalten", es "arbeitet ohne Phonographen, Grammophone und Kinematographen."
Zur seriellen Speicherung/Reproduktion serieller Daten hat es nur Bücher, reproduzierbar schon sein Gutenberg, aber verstehbar und phantasierbar gemacht erst durch die fleischgewordene Alphabetisierung. Die Bücher, vordem nur reproduzierbare Buchstabenmengen, reproduzieren fortan selber. Aus dem gelehrtenrepublikanischen Kram in Faust Studierzimmer ist eine psychedelische Droge für alle geworden.(123)
Sie Droge bietet für "automatisiertes Lesen"(123) "eine multimediale Show". "So technisch (und nicht theologisch(52)) sind idée fixe und Poesie, parallele Eingabe und serielle Ausgabe verschaltet.
In diese multimediale Show können problemlos auch Texte, "die ehedem zur Gutenberggalaxis und Gelehrtenrepublik" zählten, hermeneutisch umgeschaffen werden, bis sie "Sinnlichkeit selber reproduzieren". Die "Alphabetisiertheit [kann] Gutenbergiana [...] in Phantasmagorien übersetzen"(124). Am Beispiel einer alten Chronik in Die Serapions-Brüder: "der Schreiber eines alten Buchs wird zur inneren Stimme, das Frontispiz zum inneren Bild, das Personeninventar zur Szene, die Kälte des Mediums Chronik also zum Zeitfluß von Geräuschen und Gesichten -: Tonfilm avant la lettre."(124)
Soviel Sinnlichkeit (in beiden Wortsinnen) speichert die Dichtung einer Zeit, da das Medium Buch erstens universal - für alle Sinnesdaten und Leute - und zweitens ohne Konkurrenz anderer Ton- und Bildträger ist.(124)
Erst der "Einbruch technischer Speicher, wie er das Aufschreibesystem von 1900 prägt, wird die halluzinatorischen Sinnlichkeiten der Unterhaltungsindustrie preisgeben und ernste Literatur auf jene Askese verpflichten, die nur weißes Papier und schwarze Lettern kennt".(124) Genau dieses "halluzinatorische Inszenieren" aber, "weil es Stimmen und Gesichte zwischen die gelesenen Zeilen trägt, ist die Transmissionstechnik, die aus Lesern neue Autoren macht."
Poetische Textes sind eben darin auf dem technologischen Epochenstand, daß sie wie keine sonst die alphabetisierten Körper »ansprechen« und ausnutzen. Sie operieren auf der Ansprechschwelle selber, wo Diskursmächte als Unschuld von Leibern und Naturen paradieren. Darum und nur darum wachsen immer mehr Autoren.(124)
Rechtes Lesen entfaltet innere Welten, und wenn sie "den Möglichkeitsgrund einer Autorschaft legen, ist es hinreichend und notwendig, Texte wie Filme abzuspulen, um Leser zu Schreibern zu machen." Beleg: "einer der kanonischen Künstlerromane von 1800", Heinrich von Ofterdingen.
In einem Archiv mit vorgutenbergianischen Handschriften liest der angehende Dichter Heinrich ein »Buch« bzw. eine »Handschrift« in einer fremden Sprache. "Der Text, einmal mehr handschriftlich, fremdsprachlich und unlesbar, kommt der Einbildungskraft wie ein Stummfilm. Abläuft eine große optische Halluzination [...]."(125) Signifikat des Buches aber ist sein Betrachter selber. Der Leser liest und erkennt in dem Buch und seinen Illustrationen sein eigenes Leben und seine eigene Gestalt. Eine Spiegelung im Doppelgänger, dem notwendig alle steckbriefliche Identifizierbarkeit, die "über die im eigenen Körperbild gespeicherten Signifikate hinausgehen würde", fehlen muß.
Es ist das offenbare, ja offenbarte Geheimnis eines Aufschreibesystems, dem alles am Individuum liegt, jenes Individuum gar nicht aufzuschreiben. »Es gibt keine Individuen. Alle Individuen sind auch genera«, dekretiert Goethe.(126)
So wird über Doppelgänger im Buch "der Jetztpunkt des Buchumgangs vom Buch verdoppelt und rückgemeldet". Wie bei den Kupferstichen in Stefaninis Fibeln "ist die Identifikation alles andere als Zufall."
Im Idealbild, obwohl oder weil es gar keine Portraitzüge tragen kann und darf, soll die ferngesteuerte Phantasie einklinken. Daß ein leselernendes Kind überhaupt die Ehre erfahren hat, von einem Aufschreibesaystem erfaßt zu werden, ist jener einzige Zug, der viele andere Lesekinder zur Selbsteinsetzung verführt.(127)
Diese "Taktik" dient dazu, die Ansprechschwelle der schriftlichen Medienmaschine gegen Null zu bringen und über "Situationen und keine Indizien (wie voreinst die odysseische Narbe oder seit 1900 anthropometrische Befunde) die Identifikation zum möglichen und narzißtischen Glück zu machen".(127) Die bildlich verdoppelte Lesesituation "ist wie keine andere geeignet, Autorennachwuchs zu züchten. Die darin implizierte Wirkungstheorie hat aber als Regel "Minimalisierung der Ansprechschwelle".(127)
Technisch gesprochen: der Ausgangswiderstand der Werke, durch »sinnliche Verkörperung« der Wörter schon reduziert, wird durch die doppelgängerischen Sinnensurrogate nahe an Null gebracht.(127)
"Auf einen minimalen Ausgangswiderstand kann und muß das nachgeschaltete System maximale Rückwirkungen haben." Das "Feedback zwischen Buch und Konsumenten [macht] aus dem Buch ein anderes und aus dem Konsumenten einen Produzenten".
Die Handschrift hat weder Titel noch Autorname. "Einen Titel bekommt sie erst, indem Heinrich nach ihm fragt; einen Autor erst, indem Heinrich sein Ebenbild entdeckt. Beide Modifikationengehören zusammen, weil die zwei Buchränder Titel und Autorname dieselbe Funktion haben." Sie dienen "im Aufschreibesystem von 1800 zur strikten Unifizierung von Papierstößen".
Der Titel bezieht also den Rezipienten selber ins Buch ein. Mit der Autorschaft steht es nicht anders. Da dies Heinrich von Ofterdingen nicht beweist, tut es seine Forschreibung: Guido von von Loeben.(127 ff) Hier wird Einsicht, was im Ofterdingen Ahnung blieb: "Daß eine Fibel nämlich allemal den Autor Fibel hat."(128) So kommt es zum "Paroxysmus von Autorschaft"(128):
der zum Autor aufrückende Leser vergißt, daß es Tage gab, da er seine Autorschaft vergessen hatte. Im Vergessen dieses Vergessens hat die Falle Buch zugeschnappt und die Sprach-Anthropologie, die Wörter auf Menschen zurückführt, einen Adepten mehr. Wie um die Etymologie von Text zu beweisen, »verweben« Wörter und Illustrationen ins Medium Dichtung.(128)
So kommt "die höchste List der Sprach-Anthropologie" zur Wirkung. Das alte Verhältnis von Präfiguration zwischen Text (Bibel) und Leserbiographie wird "umgekehrt". "Im Aufschreibesystem 1800 geht es [...] darum, Nichtdargestelltes an Rändern und Leerstellen auszufüllen. Ofterdings Leseabenteuer steht dafür. Daß der hintere Buchrand - sein Ende - fehlt, stellt sicher, daß »Leben« gut tranzendentalphilosophisch »kein uns gegebener, sondern ein von uns gemachter Roman« ist." Der geistige Vater Ofterdingens hat, wie Lindhorst, das Geheimnis bewahrt und überläßt dem Dichterinitianden, seine eigene Autorschaft auch in eigener Reflexion zu entdecken. In endloser Autonymie darf nur der Betrachter-Held-Autor des Buches zur identitätstrunkenen Titulierung schreiten."(128)
+-------------------------------+ ¦ Heinrich von Ofterdingen ¦ ¦ ¦ ¦ Heinrich von Ofterdingen ¦ +-------------------------------+
Der "medientechnischen" entspricht eine "juristische Zäsur"(129) mit der Einführung von Autorenrechten. Es handelt sich also um "eine handgreifliche Handgreiflichkeit". So gibt Schlegels progressive Universalpoesie "eine Realdefinition der Dichtung um 1800".
Semantisch übersetzt sie die verschiedensten Diskurse in den einen Muttermund, pragmatisch versetzt sie ihre Leser unter die Meister oder Autoren.(129)
Und im Überspringen des Lesens, das unter einer halluzinatorischen Medialität verschwindet, "feiert die Universalpoesie" - aber, man sollte es nicht verschweigen, auch die Diskursanalyse - "ihren Endsieg."(129) Die Funktion Autor, dieses Phantom universaler Alphabetisierung, hat Gipfel und Beweis an einer wahrhaft gespenstischen Kunst."(129/30)
3. Der Trinkspruch.(131 ff)
Die Autorfunktion erfordert die komplementäre "Funktion Leserin".(131) Wenn im Konsumieren immer gleich produziert wird, gibt es keine Bücher.
Um überhaupt in handgreiflichen Büchern vorzuliegen, ist Dichtung um 1800 auf andere als männliche Körper angewiesen. Diese anderen stehen zum kursivierten Ich von Autorschaft und Transzendentalphilosophie als viele Nicht-Iche. Es sind Frauen, sofern sie im Plural existieren.(131)
Leserinnen müssen den Autor davor retten, "gar nichts geschrieben zu haben", "ihre kultische Verehrung und erst sie verschafft Drucksachen Positivität". Weibliche Lektüre aber muß eingegrenzt werden auf reine "Konsumtion von Diskursen". So bleibt die Frau,
sofern sie als Eine insistiert, [...] am ursprünglichen Grund aller Diskursproduktion und damit ausgeschlossen von den Distributionskanälen, wie Beamte oder Autoren sie verwalten. Sie bleibt dieser entzogene Grund, um Frauen, sofern sie im Plural existieren, zur Häuslichkeit eines Lesens anzuhalten, das als Andacht vor göttlichen Schriften in der Tat Religion ist.(132)
Die Logik ist zwingend: "Weil Die Mutter Autoren als Einheitsprinzip poetischer Werke produziert, können Frauen nicht selber zu jener Einheit gelangen. Sie sind und bleiben eine Vielheit von Leserinnen um das Zentralgestirn Autor herum."(132)
"Vielheit aber ist das Reich der Zufälle. Nichts hindert Frauen, das eine- oderanderemal zur Feder zu greifen". Mit den Briefen Bettina Brentanos an ihre Freundin Günderode entsteht "aus Übermut [...] eine weibliche écriture automatique, die alle Dichterfreiheiten parodiert".(134) Denn "statt durch Relektüre zu Bewußtsein und Autorschaft zu kommen", wird die dazu systemnotwendige Relektüre unterlassen. Ihre Briefe »dahinflattern lassen wie Töne, die der Wind mitnimmt« (zit 134), bewirkt eine Störung in der "Rückkopplung zwischen Schreiben und Lesen, die Poetik und Schreiblesemethode einfordern, um aus wilden Schwingungen gestaltete Werke zu machen." Norbert Wiener - der bei dieser Formulierung wohl assoziativ Pate stand - hätte an dem System seine Freude gehabt.
Ein Brief des Bruder Clemens an seine Schwester macht deutlich, worüber im System von 1800 'Communication and Control' laufen. Der Schwester empfiehlt der Bruder »meistens Göthe und immer Göthe" (zit 135) zu lesen. So ist nicht mehr zu ignorieren, "wozu Deutschland Klassiker hat".(135)
Der Name Goethe (wie in anderen Kulturen der Name-des-Vaters) bündelt alle Diskurskontrollen, die das Aufschreibesystem von 1800 braucht. Wenn Bettina ihrem Bruder nur Gehör geben wollte, wäre systemgerechte Verteilung der zwei Geschlechter schon erreicht. Männer rücken im Wiederlesen des eigenen Schreibens zur Funktion Autorschaft auf. Frauen im Beschreiben des eigenen Lesens zur komplementären Funktion Leserin. Auf der einen Seite paradiert der Urautor Goethe, im Sammeln eigener Schriften die Norm von Dichtung setzend. Auf die andere Seite treten Frauen, die [...] meistens Göthe und immer Göthe lesen, bis sie im Lesefruchtsammeln das Ansehen Deutscher Dichtung sicherstellen. Dort die Buchproduktion, die unleserliche Urschriften oder unhörbare Mutterstimmen traumdeuten darf, hier eine Pflicht intensiver Wiederholungslektüre [...].(135)
Eine Relektüre also, die im Gegensatz zu der der Leser-Autoren, unfruchtbar ist. Statt dessen müssen Leserinnen Autoren rein konsumtiv lieben. Sie haben die Funktion, die Funktion Autor mit "einem Realen" zu unterfüttern.
Die Funktion Autor wird wie jede Gottheit von einem Realen getragen. Es ist die Lust der Frauen. [...] Der Autor wird Gott, weil die Lust der Frauen ihn trägt. Die Frauenkörper werden empfunden, weil sie den Gott empfinden [...]. Leserinnen und Autor umfängt ein hermeneutisch-erotischer Zirkel, der Lektüre und Liebe gleichermaßen regelt. »Man«, und d.h. frau »kann nicht lieben, ohne Goethe zu lieben«. Dem dienen alle die Gleichsetzungen von Held und Autor, von gedichteten und lesenden Frauen.(136/137)
An Goethes Tasso wird dann die "systematische Mehrdeutigkeit poetischer Frauennamen und -bilder"(137) aufgezeigt, die die Frauen rätseln läßt, wer gemeint sei, und es also Autoren und Leserinnen erlaubt, "ihre zwei komplementären Rollen zu spielen".
Dichter können ihren Wunsch schreiben, ohne ihn festzuschreiben; Frauen im Plural können zum Wunsch dieses Wunsches werden. Die Mehrdeutigkeit ist diskursproduktiv; sie macht Männer schreiben und Frauen Geschriebenes berätseln. Auch das ist ein Effekt der Sprach-Anthropologie, die an den Ursprung von Reden Mensch und Seele setzt.(138)
Da aber, mit Goethe, Weiber alles »à la lettre oder au pied de la lettre« (zit 141) verstehen, ist Bettina Brentano "nicht zufrieden mit einem Transzendentalsignifikat" aus Goethes Hand, wie sie es rätselnd sein sollte. So aber hätte es zu sein: "weil es ein Rätsel bleibt, ob und wen ein Autor liebt, entwickeln Leserinnen hermeneutische Liebe zu seinen Werken."(141) Romantische Dichter konfrontieren umgekehrt Frauen über die "Spaltung von Liebe und Begehren" (142) statt mit "einem anderen Begehren" mit dem "wahnsinnige[n] Begehren nach dem Signifikat Frau."
Das läuft darauf hinaus, daß "die polare Geschlechterdefinition mit der Errichtung eines Transzendentalsignifikats zugleich den Signifikanten »Mann« verstellt hat".(144) Autoren ist ist leicht, Frauenbilder auf Die Frau zu referenzialisieren "(sie haben alle eine Mutter)". "Leserinnen dagegen bleibt es unmöglich, die beschriebenen Männer in den schreibenden wiederzufinden." Mit den Autoren Theweleit und Langbein zugeschobenem Wort formuliert Kittler: Denn »die Männer, während sie das weibliche Geschlechtsteil zum Mund und Stoff ihrer Rede machen«, ziehen vor das eigenen eine Schleier. Ihr Geschlecht bleibt »das, das schreibt und redet und sich dabei verschweigt«.(zit 144) In medientechnisch adäquater Formulierung:
Die Dichter im Aufschreibesystem von 1800 schreiben um ihr Schreiben herum; das System selber schreiben sie nicht auf. Genau an dieser Leerstelle produziert das System Anschlußleitungen. Die Leerstelle verweist nicht auf extradiskursive Fakten wie die famose materielle Basis; sie programmiert nur technische Weiterungen von Diskursen. [...] Die Leerstelle poetischer Texte rekrutiert Leserinnen.(146)
Es gilt noch zu entwickeln, wie die "Diskursverkabelung"(147) "um 1800 in Massenanwendung" geht. Die automatisierte Dichterproduktion durch Dichtung führt mathematisch berechenbar zur Abschaffung männlicher Konsumenten. Deshalb ist eine "Gabelung" notwendig: Um "Massenanwendung" zu erreichen, generieren die Texte der Dichter "einerseits immer neue Autor-Jünglinge und andererseits, weil sie für Mädchen geschrieben sind, immer neue Leserinnen. Die Nachwuchsautoren treten programmgemäß an die Stelle der beschriebenen Autor-Helden; die Leserinnen identifizieren Autor-Helden und Autor, doppelzüngig beschriebenes Frauenbild und sich."
Mit Massenproduktion jedoch droht Massenkonsum, und damit Verflüchtigung des Autorennamen: "Er wird ebenso flüchtig wie der Shifter ich."(148) Kittler sieht sein Aufschreibesystem also von zwei Abgründen an Weiblichkeit umgeben. Mit dem Massenkonsum kommt eine Verwendung auf, "die für den Bestand poetischer Diskurse fatal und die exakte Parodie ihrer Verwendung durch Nachwuchsautoren ist. Werke drohen zu verschwinden, weil sie nur noch angekostet oder nur noch verschlungen werden. Zu verschwinden nicht, wie die Elementarpädagogik im erhabenen Ursprung Muttermund, sondern in Geschwätzigkeit und Vergeßlichkeit der Vielen. Das und nichts anderes ist die Nosologie der um 1800 endlos beschriebenen Lesesucht. [...] Am Ursprung dieser Gefahr stehen mit Notwendigkeit Frauen."(148) Und die treiben "Hermeneutikparodie". "Diskursverkabelung" setzt also voraus Hysterie oder einen "hysterische[n] Zug an der Funktion Leserin"(147), den erst technische Medien - kann man im Vorgriff sagen - liquidieren werden.
"Die Hermeneutik muß ihrer philosophischen Regel [...] noch eine technische zuschalten. Neben die Fixierung des Leser-Ichs tritt die seiner Lesestoffe."(150) Sprich: Therapie "der alles verzehrenden Lesesucht" durch Wiederholungslektüre, und d.h. durch Ausbildung eines Kanons, der "aus der Bücherflut eine offene Menge klassischer Werke herausliest, um sie und nur sie bis zur Unvergeßlichkeit zu lesen."(150)
Das "unselige Frauenbegehren, alles à la lettre oder au pied de la lettre zu nehmen"(144), also "buchstäblich", und "der gnadenlose Bücherkonsum von Frauen" macht die Therapie aussichtslos. Was Leserinnen und Frauen angeht, ist "weibliche Hermeneutikparodie unheilbar, weil prinzipiell nichts Geschriebenes, nicht einmal Jean Pauls Hermeneutik, ihnen zur Lehre werden kann. Aufgeschlagen auf dem Bauch einer schlafenden Leserin - das ist im Aufschreibesystem von 1800 der degré zéro de l'écriture"(151) und seine Entlarvung. Weitere Gegensteuerung ist notwendig und wird dargestellt (152 ff). Mit dem Ergebnis: "Durch Frauenklassenzimmerlektüre löst das Aufschreibesystem von 1800 sein halting problem."(154)
Folgt in der (Re/De)Konstruktion des Aufschreibesystems 1800 die Identifizierung der sozusagen ultimativen Lötstelle seines Schaltplans, der Stelle seiner letzten Schlüssigkeit und Schließung in seiner Philosophie als Phänomenologie des Geistes. (154 ff, Phänomenologie 167 ff). Es entsteht "zwischen Dichtung und Philosophie eine unumgängliche und zweigleisige Vernetzung"(161), in der die "Unauflöslichkeit poetischer Urphänomene und die vollständige Auflösung, die da Absolutes heißt [...] verschaltet [werden] wie Sender und Empfänger"(164). Die Philosophie um 1800 wird literarisch. Und "weil Lektüre produktive Autorindividuen gar nicht zureichend würdigen kann"(165), "sehen die Distributionsregeln einen weiteren Kanal vor, aus dem die Werke zur philosophischen Auslegung und d.h. zum Zertifikat ihrer Unerschöpflichkeit kommen. Die literarisch gewordene Philosophie wird um 1800 Interpretation."(53)
In der wechselseitigen Stabilisierung von Dichtung und Philosophie aber geschieht die Schließung des Aufschreibesystems 1800 und seiner (Re/De)Konstruktion über dem Anderen - "und das heißt immer das andere Geschlecht - : vom poetischen Diskurs wird es verdrängt, von philosophischen verworfen".(177) Denn "die Freundschaft zwischen Deutschem Idealismus und Deutscher Dichtung" ist - in der Schreibweise Lacans - "hommosexuell. Das Geschlecht zählt nicht."(170) Den Beweis erbringen Friedrich Creuzers Weg in philosphische Höhen und der seiner Geliebten, Caroline Günderode, ins Wasser.(177 ff). Ihr verdankt Creuzer die Inspiration zu "zu Abhandlungen wie Dionysos oder Symbolik und Mythologie der alten Völker"(178), muß aber im universitären Diskurs nicht nur dies verdrängen (er ersetzt ihren Namen durch »die Poesie«), sondern auch noch diese Verdrängung (er ersetzt »die Poesie« durch »ein neuer Dichter«).(54) "Die Hommosexualität von Philosophie und Dichtung hat eine Frau mehr zu Grunde gerichtet."(179) "Nur wenn Frauen, statt Heidelberg zu betreten, entrückte Quelle allen Philosophierens bleiben, glückt das Initiationsritual Universität. [...] Dem Aufschreibesystem von 1800 liegen Leichen zugrunde; damit ist es schlüssig und geschlossen."