In einem um die Mitte des Jahrhunderts der
Aufklärung verfaßten Grundtext der modernen Philosophie
spricht David Hume von der Urteilskraft und der Memoria und
behauptet, daß die Mängel der Urteilskraft durch keine Kunst oder
Erfindung behebbar seien, die Mängel der Memoria hingegen gemildert
oder beseitigt werden können "sowohl im Feld der Geschäfte wie in
dem der Studien". Er verweist dabei auf die "Methode", den "Fleiß"
und auf die "Schrift" als geeignete Stützen für eine schwache
Memoria und schreibt: "fast niemals sind wir gewillt, ein schwaches
Gedächtnis als Grund für das Scheitern einer Person in ihren
Unternehmungen anzugeben. Aber in der Antike, als kein Mensch
Erfolg erreichen konnte, wenn er nicht die Gabe der Rede besaß, und
als das Publikum zu delikat war, um die groben und unverdaulichen
Reden der Art zu ertragen, wie sie die Stehgreifredner unserer
heutigen Tage in der Öffentlichkeit vorbringen, besaß ein gutes
Gedächtnis allerhöchste Bedeutung und wurde folglich sehr viel
höher geschätzt als heute."
Hume, der in den Jahren seiner intellektuellen
Bildung "heimlich" die Werke Ciceros "verschlungen" hatte, war sich
wohl bewußt der historischen Existenz einer Technik oder Kunst der
Memoria, die, so das Zitat, ihrer Natur nach an das Blühen einer
Kultur gebunden ist, in der den Techniken des Diskurses große
Bedeutung beigemessen wird, und an eine Welt, in der die Rhetorik
ein lebendiges Element der Bildung darstellt. Zur Zeit als Hume
schrieb, waren die Untersuchungen zur Festsetzung und Ausarbeitung
der Regeln der künstlichen Memoria schon definitiv von der
Szene der europäischen Kultur verschwunden und hatten sich in die
Sphäre von Kuriositäten und Extravaganzen geflüchtet. Es hatte sich
dabei nicht allein um einen Niedergang der Redekunst angesichts der
geringeren Delikatesse der Zuhörer gehandelt: vielmehr hatten die
enorme Verbreitung der Druckerpresse (und folglich der
Nachschlagewerke, der Wörterbücher, Bibliographien und
Enzyklopädien) und der wachsende Erfolg der neuen Logiken (von
Ramus, Bacon und Cartesius bis zu den Port-Royalisten) jenen Werken
der Mnemotechnik einen tödlichen Stoß versetzt, die während des 15.
und 16. und der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts Europa
buchstäblich überschwemmt hatten.
Nur wenn man sich die Verbreitung vor Augen hält,
welche die Mnemotechnik nicht nur im literarischen und
philosophischen Raum gewonnen hatte, sondern auch innerhalb der
Schulen und Unterrichtsprogramme, kann man sich die Proteste und
ironischen Ausfälle erklären, die sich gegen sie in den
Jahrhunderten schon der Renaissance erhoben hatten. In dem zehnten,
eben der ars memorativa gewidmeten Kapitel von De
vantiate scientiarum wettert Agrippa gewaltig gegen jene
nebulones, die den Studenten auf den Schulen das Studium der
künstlichen Memoria aufschwatzen oder den Unvorsichtigen das Geld
aus der Tasche ziehen, indem sie viel Aufhebens von der Novität der
Kunst machen. Mit mnemonischen Fähigkeiten zu prunken erscheint ihm
kindisch Ding; oft, schließt er, geht es einher mit alle Zeichen
von Unverschämtheit und Schamlosigkeit: es werden alle Waren vor
der Tür aufgestellt, während der Laden innen vollständig leer ist.
Unter den größten Theoretikern der memorativen Kunst erwähnt er
Simonides, Cicero, Quintilian, Seneca, Petrarca und Peter von
Ravenna; dabei bemerkt er einerseits, daß die künstliche Memoria
nicht ausreiche, wenn nicht schon eine robuste naturalis
memoria vorhanden sei, andererseits wettert er gegen die
monströse Art der Bilder und die Schwerfälligkeit der in der
Mnemotechnik gebräuchlichen Formeln. Deren Verehrer, so scheint
ihm, wollen mithilfe der Kunst all denen den Kopf verdrehen, die
sich nicht mit den von der Natur gesetzten Grenzen abfinden
können.
Mit dergleichen Entschiedenheit spricht sich
zwanzig Jahre später der Feind der Ciceronianer und der Rhetorik,
Erasmus, gegen den Gebrauch der Orte und der Bilder
aus, die nur die natürliche Memoria zerstören und ruinieren. Mit
noch schärferer Ironie wird ein anderer großer Kritiker der
schulmeisterlichen Degeneration des Humanismus diese Art von
Literatur verwerfen und mit einer Offenheit, die sich unter anderem
auch durch eine ganz bestimmte kulturelle Situation erklären läßt,
seinen eigenen Mangel an Erinnerungsvermögen betonen:
Es gibt keinen Menschen, dem es so wenig wie mir
zukommt, vom Gedächtnis zu reden. Tatsächlich bemerke ich an mir
davon fast überhaupt keine Spur und denke, daß es auf der Welt kein
anderes gebe, das so monströs versagt... Wenn ich auch ein Mann von
einiger Belesenheit bin, so bin ich doch einer, der nichts behält
{homme de nulle retention (Pléiade 387)}.
Gerade in Bezug auf die Erziehung und in der
Annahme, daß "auswendig wissen nicht wissen heißt, sondern im
Gedächtnis bewahren, was ein anderer dort eingegeben hat",
polemisiert Montaigne im Namen einer "lebendigen" Kultur gegen das
mnemonische Lernen: man soll von dem Schüler nicht Rechenschaft von
den Worten der Lektion verlangen, sondern von ihrem Sinn und ihrer
Substanz; man erwarte von ihm nicht das Zeugnis seiner Memoria,
sondern das seines Lebens; der Magen hat seine Funktion nicht
erfüllt, wenn er nicht die Form und Struktur Nahrung verändert hat:
ganz so ist die Aufgabe des Geistes. Das waren keine
allgemeinen Hinweise auf die Freiheit des Geistes gegenüber
dem Zwang der Regeln; die Polemik Montaignes gleicht nur der Form
nach der eines Lehrers von heute gegen die Wortgläubigkeit von
Schülern, die ihre Lektionen auswendig lernen. Montaigne hatte
vielmehr ganz bestimmte Verhältnisse vor Augen:
Wenn man in meinem Land sagen will, daß ein Mensch
keinen Verstand hat, sagt man, daß er kein Gedächtnis habe, und
wenn ich mich über den Mangel des meinen beklage, tadeln und
verschreien sie mich, als ob ich mich beklagte, ohne Verstand zu
sein. Sie sehen keinen Unterschied zwischen Gedächtnis und
Verstand. Das heißt allerdings meine Sache verschlimmern. Aber sie
tun mir Unrecht, denn aus Erfahrung zeigt sich gerade im Gegenteil,
daß die ausgezeichneten Gedächtnisse {les memoires excellentes}
sich gerne mit debilen Urteilen verbinden {se joignent volontiers
aux jugemens debiles (alles Ed. Pléjade 35)} ... Es steht von dem
Redner Curio geschrieben, es sei ihm, als er die Teile seiner Rede
oder die Anzahl seiner Themen und Raisonnements auf drei oder vier
veranschlagte, oft unterlaufen, entweder eine zu vergessen, oder
eine oder zwei hinzuzufügen. Verhaßt wie mir diese Preambeln,
Vorschriften und Regeln waren, habe ich mich immer gehütet, diesem
Übel zu verfallen: nicht allein wegen des Mißtrauens gegenüber
meinem Gedächtnis {pour la deffiance de ma memoire}, sondern auch,
weil diese Art zu sehr nach Künstlichkeit riecht {pour ce que cette
forme retire trop à l'artiste (alles Ed. Pléiade 941)}
In Wirklichkeit und trotz der Proteste von Erasmus
und von Montaigne sollten diese verhaßten "Vorschriften" sich
während des ganzen sechzehnten Jahrhunderts immer weiter verbreiten
und bis weit ins siebzehnte in Kraft bleiben. Mitte des 17.
Jahrhunderts protestiert Wolfgang Ratke in ähnlicher Richtung wie
die großen Humanisten gegen das mnemonische Lernen und die
mnemotechnischen Übungen. Aber noch in dem letzten Jahren des
Jahrhunderts verfochten die "Ciceronianer", die trotz Erasmus,
Montaigne und der großen ramistischen und cartesianischen Krise
nicht gänzlich die Waffen gestreckt hatten, nicht nur für die
Rhetorik sondern auch für die Pädagogik die Notwendigkeit und
Nützlichkeit der artifiziellen Memoria. Die reichhaltige Produktion
von Traktaten über die ars memorativa, zu der die Art of
Memory von D'Assigny gehörte (die nicht zufällig 1697 den
"jungen Studenten beider Universitäten" gewidmet wurde), war jedoch
nicht nur Ausdruck grammatikalischer Pedanterie gewesen: in ihr
hatte jener Panmethodismus Gestalt angenommen, der während
des sechzehnten Jahrhunderts die Kultur ausgezeichnet hatte. Die
Physiognomie, die Temperamente, die Leidenschaften, die
Proportionen des menschlichen Körpers, der Diskurs, die Poesie, die
Beobachtung der Natur, die Kunst der Regierung und Kriegsführung:
all das wurde damals kodifiziert und als eine Kunst
aufgefaßt. Diese kulturelle Periode ist zutreffend "das
Zeitalter der Manuale" genannt worden, und das Jahrhundert "war
unermüdlich auf der Suche nach normativen Prinzipien von
allgemeinem und ewigem Wert, um sie in bequeme didaktische
Lehrschemata einzusenken". {L. Firpo} Während aber immer deutlicher
wurde, daß diese Kodifizierungen den Schritt vom Stand der Topiken
und der Universaltheater zu dem der Methode unmöglich machten,
verstärkte sich zunehmend die Notwendigkeit einer Kunst als
Schlüssel zur wahren Realität, als universale Kunst, die mit einem
Schlag alle Probleme löst, und als supreme Technik, die alle
speziellen Techniken überflüssig macht.
Die Idee einer "mechanisch" funktionierenden Kunst
des Erinnerns und Denkens gewinnt neue Kraft, wenn sich zwischen
der Mitte des sechzehnten und der des siebzehnten Jahrhunderts ein
Kontakt zwischen drei verschiedenen Traditionen der Kunst der
Memoria etabliert: 1) der von Cicero, Quintilian und der
Rhetorica ad Herennium inspirierten; 2) der aus De
memoria et reminiscentia von Aristoteles und aus den
Kommentaren von Albert, Thomas und Averoës abgeleiteten; 3)
schließlich der direkt mit der ars magna von Lullus
verbundenen. Nun belebt sich von neuem das Projekt eines
begrifflichen Mechanismus, der, einmal in Gang gesetzt, von selbst
und relativ unabhängig vom Wirken des Einzelnen "arbeiten" kann,
bis ein totales Begreifen erreicht und die Menschen in die Lage
versetzt sind, das große Buch des Universums zu lesen. Um sich eine
Vorstellung von dem Einfluß zu machen, den diese Idee auf die
moderne Philosophie ausüben wird, braucht man nur an die
Maschine denken, die Bacon mit seiner neuen Logik zu
konstruieren suchte; an das mirabile inventum von Descartes,
das er, bevor er es in der analytischen Geometrie fand, in den
Werken von Lullus und Agrippa gesucht hatte; an die Bücher von
Comenius als "universale Lichtbringer" und schließlich an den
wunderbaren Schlüssel, zu dem die "Charakteristik" von Leibniz
werden wollte.
Der alte lullianische Traum von einer Kunst, die
zugleich Logik und Metaphysik ist ; die im Unterschied zur traditionellen Logik
nicht von den sekundären, sondern von den primären Intentionen
handelt; die die Übereinstimmung zwischen dem Rhythmus des Denkens
und dem der Realität enthüllt; die durch mentale Kombinationen den
wahren Sinn der Textur des Realen entschleiert, hatte während der
Renaissance in den manierierten mnemotechnischen Schriften von
Bruno ihren Ausdruck gefunden. Nicht umsonst sollte Bruno außer auf
die Lektüre der Werke von Lullus sich auf die in jugendlichen
Jahren gemachte Entdeckung des ganz im "rhetorischen" und
"ciceronianischen" Geist verfaßten Traktätchens über die Memoria
des Pietro da Ravenna berufen. Wenn Bruno sich in De umbris
idearum den imaginativen Verknüpfungen und Konnexionen zwischen
Bildern, Figuren und Lettern verschreibt, sieht er gerade in dem
Konnubium zwischen logischem und psychologischem Mechanismus jene
Möglichkeit einer immensen Ausdehnung des Wissens oder einer neuen
inventio, die der Gipfel seiner Bestrebungen war: in den
brunianischen Werken erschienen zusammengelötet die Bestrebungen
des Lullismus und die Techniken des Gebrauchs der Orte und der
Bilder, die auf die Werke der antiken Rhetorik und auf die
Renaissancetraktate über die artifizielle Memoria
zurückgehen.
Wenn man die lebhaft polemischen Passagen (von
Ratke, Erasmus, Montaigne oder Agrippa) gegen die Kunst der Memoria
liest, ist es sicher schwierig, nicht irgendwie mit einer Polemik
gegen die Schemata, die Pedanterie und die Weitschweifigkeit einer
rigiden Präzeptistik im Namen freier Spontaneität zu
sympathisieren. Das ändert nichts daran, daß eben diese (von Cicero
sowie von Lullus stammende) Präzeptistik auf unterirdischen Wegen
tief die Entwicklung der neuen Kultur und damit auch die
Entwicklung der neuen Logik von Bacon bis Leibniz prägen sollte.
Auf verschiedene Weise verbunden mit den Entwicklungen der Künste
des Diskurses und den Techniken der Persuasion, mit den Versuchen
der Konstruktion einer neuen Enzyklopädie, mit den Kontroversen
über den Ramismus und den Lullismus, mit der Magie, der Medizin und
mit der Physiognomie, steht die Traktatliteratur über die
künstliche Memoria im Zentrum eines Strudels von Diskussionen und
Problemen, in den nicht nur die Theoretiker der Rhetorik, sondern
auch Philosophen, Logiker, Adepten okkulter Wissenschaften, Ärzte
und Enzyklopädisten verschiedenster Art und Provenienz
hineingezogen werden.
Die "Bizarrerien" der Mnemotechnik verflechten
sich auf der einen Seite zunehmend mit Problemen der Logik und der
Rhetorik, auf der anderen verbinden sie sich mit der Wiedergeburt
des Lullismus und der Erschaffung künstlicher Sprachen, ganz zu
schweigen von jener zwielichtigen magisch-okkultistischen
Atmosphäre, die mit dem das Wiederaufblühen der Interessen an der
Ars magna von Lullus verknüpft ist. Die Diskussionen über
die Kunst der Memoria beeinflussen besonders stark zwei große
Anliegen der philosophischen Kultur des siebzehnten Jahrhunderts:
das der Methode oder der inventiven Logik und das der
systematischen Klassifikation der Wissenschaften oder der
Konstruktion einer Enzyklopädie des Wissens.
Die Menschen - schrieb der anonyme Autor eines aus
dem fünfzehnten Jahrhundert stammenden Traktates über die Memoria -
erfanden verschiedene und zahlreiche Künste, um das Werk der Natur
zu unterstützen und zu potenzieren. Als sie die mit der Schwäche
der menschlichen Natur verbundene Unbeständigkeit der Memoria
feststellten, ersannen sie eine Kunst, sich vieler Dinge zu
erinnern, die auf natürlichem Wege nicht erinnert werden konnten.
So entstand die Schrift, und da in späteren Zeiten den Menschen
klar wurde, daß sie die Schriftstücke nicht immer bei sich tragen
konnten und daß zu schreiben nicht immer möglich war, erfanden sie
schon zu Zeiten von Simonides und Demokrit die Kunst der
artifiziellen Memoria.
Dieser Vergleich der Kunst der Memoria mit den
anderen Techniken, die das Werk der Natur unterstützen, ist, wie
wir sehen werden, nicht ganz ohne Bedeutung. Aber mehr als von
diesem Vergleich ist man beim Studium der zwischen der Mitte
des vierzehnten und des siebzehnten Jahrhunderts verfaßten Traktate
zur ars memorativa von dem beständigen und beharrlichen
Verweis auf die aristotelische Psychologie, auf die großen
Handbücher der lateinischen Rhetorik, auf die Werke über die
Memoria und auf die Kommentare von Albertus Magnus und Thomas von
Aquin beeindruckt. In vielen Fällen tun diese Traktate nichts
anderes als Regeln, Doktrinen und Vorschriften zu erläutern, zu
kommentieren und zu erweitern, die viele Jahrhunderte zurückreichen
und die, nachdem sie in Griechenland und Rom ausgearbeitet worden
waren, über das Werk der großen Meister der Scholastik zu den
Schriftstellern des vierzehnten Jahrhunderts und der Renaissance
gelangen. Es ist hier die Gelegenheit, die wichtigsten unter diesen
Quellen in Erinnerung zu rufen.
Diese Schrift, die sich als eine Abhandlung über
Psychologie und nicht über die Mnemotechnik präsentiert, enthält
dennoch Lehren, die in späteren Epochen für die Entwicklung einer
Technik des Erinnerns genutzt werden. Die Theoretiker der
Mnemotechnik berufen sich auf die folgenden aristotelischen Lehren:
a) Die Lehre von der für das Funktionieren der Memoria
(mnhmh) notwendigen Gegenwart des Bildes oder
Phantasmas (fantasma). Die Notwendigkeit des
Rückgriffs auf das Bild (das eine Art von immaterieller oder
abgeschwächter Sensation {sinnlicher Empfindung/ Wahrnehmung} ist)
hat zur Folge, daß zwischen der Memoria und der Imagination
(fantasmata shmiwtik....?) auf der einen sowie zwischen der
Memoria und der Sensation auf der anderen Seite eine ziemlich enge
Verbindungen besteht. b) Die Lehre, daß das Erinnern oder /33/ die
reflektierte Memoria oder die Vergegenwärtigung der aus dem
Bewußtsein verschwundenen Erinnerung (anammnhsiV) von Ordnung und
Regelhaftigkeit unterstützt wird, wie es zum Beispiel bei
der Mathematik der Fall ist, während das, was verwirrt und
ungeordnet ist, nur schwer erinnert werden kann. c) Die
Formulierung eines Gesetzes der Assoziation, demzufolge die
Bilder und Vorstellungen sich aufgrund der Ähnlichkeit, der
Opposition und der Kontiguität assoziieren. In einer Passage aus
De memoria (2, 452a, 12-15), die für die Zukunft von
besonderer Bedeutung sein sollte, sagte Aristoteles: "Manchmal
scheint die Erinnerung von den Orten (topoi) auszugehen. Der Grund hierfür ist, daß
der Mensch schnell von einem Glied {termine} zum anderen
übergeht, zum Beispiel von der Milch zum Weißen, vom Weißen zur
Luft, von der Luft zur Feuchtigkeit, von der Feuchtigkeit zur
Erinnerung des Herbstes, falls diese Jahreszeit erinnert werden
soll." Auf die Verwendung der Bilder bezieht sich Aristoteles
übrigens auch in De anima (III, 3, 472 b, 14-20).
"Sicher ist, daß die Imagination etwas von der Sensation und dem
Denken Verschiedenenes ist... sie ist in unserer Macht wann wir es
wollen, und kann sich wirklich etwas vor Augen stellen, wie es jene
machen, welche die mnemonischen Orte füllen und Bilder
herstellen(en toi V mnhmonikoi V tiJemenoi kai
eidwlopoioi nteV{??}), während die Sensation nicht von uns
abhängt."
In diesem Werk wird die Memoria als einer der fünf
Teile behandelt, welche die Technik des Redners ausmachen. Nachdem
er auf die Episode des Dichters Simonides verwiesen hat (primum
ferunt artem memoriae protulisse), der die von dem Einsturz der
Zimmerdecke entstellten Körper der Teilnehmer eines Banketts
identifiziert hatte, indem er sich an die Stelle (locum)
erinnerte, den jene eingenommen hatten, erklärt Cicero, warum es
(unter der Voraussetzung, daß die Ordnung der Memoria
nützlich sei) zweckmäßig ist, die Orte auszuwählen, die
Bilder der Tatsachen oder Begriffe zu bilden, an die wir uns
erinnern wollen, und diese Bilder in den Orten zu plazieren.
Eben diese Ordnung, nach der die Orte verteilt {disposti}
sind, wird es ermöglichen, sich der Tatsachen zu erinnern. Die
Kunst der Memoria erscheint so vergleichbar und analog dem Prozeß
des Schreibens: die Orte erfüllen diegleiche Funktion wie
das Wachstäfelchen, die Bilder diegleiche wie die Lettern. Der
Gebrauch der Bilder wird mit der Notwendigkeit eines Rückgangs auf
die sensorische Ebene sowie mit der größeren Dauerhaftigkeit der
visuellen Memoria begründet. Die Orte sollen zahlreich, klar und
modicis intervallis angeordnet sein; die Bilder wirken umso
eindringlicher, je geeigneter sie sind, die imaginativen
Fähigkeiten zu beeindrucken.
Auch wenn er eine gewisse Reserviertheit gegenüber
der Mnemotechnik an den Tag legt, widmet Quintilian, der ebenfalls
seine Darstellung mit der Geschichte von Simonides beginnt, dem
Thema eine viel umfassendere und detailliertere Abhandlung als
Cicero. Lange hält er sich bei der Konstruktion der Orte der
künstlichen Memoria auf: um gute Resultate zu erreichen, soll man
sich eines Gebäudes bedienen, und die verschiedenen Bilder
in den einzelnen Orten plazieren, die man im Innern der
einzelnen Zimmer gemäß einer Ordnung verteilt {ordinatamente
disposti} hat. "Wenn man dann im Geiste das Gebäude besichtigt
(das auch ein öffentliches Gebäude sein oder durch die Bastionen
einer Stadt, durch einen in verschiedene Abschnitte aufgeteilten
Tag oder durch eine imaginäre und "nicht -reale" Konstruktion
ersetzt werden kann), wird es möglich, die verschiedenen Bilder aus
den verschiedenen Orten, in denen sie "gehütet" wurden,
"wieder abzurufen" (und somit die von ihnen ausgedrückten Tatsachen
oder Begriffe in den Geist zurückzurufen).
In dieser Schrift eines unbekannten Autors, die im
Mittelalter Cicero zugeschrieben und als rhetorica nova oder
secunda bezeichnet wurde (um sie von De inventione
oder der rhetorica vetus zu unterscheiden), finden wir
diegleichen Vorschriften wieder, auf die wir hingewiesen haben, als
wir von Cicero und Quintilian sprachen. Die Unterscheidung zwischen
natürlicher und künstlicher Memoria erscheint hier in klarer
Formulierung:
Es gibt zwei Arten von Memoria: die eine
natürlich, die andere künstlich. Die natürliche ist unserem Geist
angeboren und wird zusammen mit dem Denken geboren, die künstliche
wird durch eine Art Induktion und durch die Regeln einer Methode
verstärkt.
Unter den Orten, die, um an viele Dinge zu
erinnern, ziemlich zahlreich sein sollen, finden wir aufgelistet:
aedes, intercolumnium, angulum, fornicem et alia quae his
similia sunt. Die Bilder, welche die formae oder
notae oder simulacri dessen sind, was erinnert werden
soll, werden in den Orten plaziert: "auf die gleiche Art wie jene,
welche die Buchstaben des Alphabets kennen, aufschreiben können,
was ihnen diktiert wird, und rezitieren, was sie aufgeschrieben
haben, können die, welche die mnemnoische Kunst gelernt haben, die
Dinge, die sie gehört haben, in den Orten plazieren und sie aus
ihnen auswendig wieder zurückholen". Während die Bilder
veränderlich sind und gelöscht werden können, müssen die
Orte fixiert und in einer Ordnung verteilt sein: das
macht es möglich, die Bilder im Geiste unterschiedslos vom Anfang,
vom Ende oder aus der Mitte einer Anordnung oder eines
Verzeichnisses aus zurückzurufen.
5) De bono (IV, 2) und der Kommentar zu
De memoria et reminiscentia von Albertus Magnus; die
Summa theologiae (II, II, 49) und der
Kommentar zu De memoria et reminiscentia von Thomas von
Aquin.
Die Abhandlungen über die Memoria in De
Bono von Albertus und in der Summa von Thomas berufen
sich ausdrücklich auf die aristotelische und die
pseudo-ciceronianische Quelle. Für Albertus "ist die Kunst der
Memoria die beste, die Tullius uns hinterlassen hat"; die
Vorschriften der Mnemotechnik dienen der Ethik und der Rhetorik;
die Memoria der Dinge, die das Leben und die Gerechtigkeit angehen
ist eine doppelte: natürlich und künstlich. "Natürlich ist die
Memoria, die mit Leichtigkeit bekannte Dinge oder Tatsachen aus der
Vergangenheit erinnert. Künstlich ist die, welche durch die
Anordnung {disposizione} der Orte und Bilder konstruiert
wird." Wie in allen anderen Künsten, vervollkommnen auch hier Kunst
und Können die Natur, und da wir in unserem Handeln "von der
Vergangenheit her auf die Gegenwart und die Zukunft gerichtet sind
und nicht umgekehrt", erweist sich die Memoria, neben der
intelligentia und der providentia, als einer der drei
Teile, welche die Tugend der Klugheit ausmachen. Wie Yates
erhellt hat, war De inventione von Cicero die Autorität, auf
die sich Albertus und Thomas in ihren Überlegungen zur Memoria als
Teil der Klugheit beriefen. Da Cicero in seiner zweiten
Rhetorik (der Rhetorica ad Herennium) zwischen
natürlicher und künstlicher Memoria unterschieden und dabei die
Regeln für die Aneignung der künstlichen durch den Gebrauch der
loci und imagines angegeben hatte, nahmen jene
Unterscheidung und diese Regeln in den Diskussionen von Albertus
und Thomas über die Memoria als Teil der Klugheit einen sehr
bedeutenden Platz ein. Von dieser Hochschätzung der
"ciceronianischen" Mnemotechnik sind übrigens der Umfang von
Albertus' Erörterung und ihre minuziöse Genauigkeit ein deutliches
Zeugnis: praktisch werden in De bono alle die in der
Rhetorica ad Herennium enthaltenen Vorschriften untersucht.
Als Beispiel braucht nur der Passus von Albertus zitiert zu werden,
der sich auf den "ungewohnten" Charakter bezieht, den die Bilder
haben müssen. "Was außerordentlich ist, beeindruckt mehr als das,
was gewohnt ist. Deshalb verfaßten, wie Aristoteles versichert, die
ersten Philosophen Dichtungen, da die aus wundersamen Dingen
komponierte Fabel stärker beeindruckt". Der Verweis auf Aristoteles
ist besonders signifikant: die Werke von Albertus und Thomas sind
in Tat der Versuch einer Fusion des aristotelischen und des
"ciceronianischen" Textes. Dies wird besonders evident in der
thomistischen Summa theologiae. Ausgehend von der bekannten
Identifikation der Memoria mit einem Teil der Klugheit, vergleicht
Thomas die Möglichkeit der Klugheit, ex exercitio vel gratia
vermehrt und perfektioniert zu werden, mit der Möglichkeit der
Memoria, dies durch die Kunst zu erreichen. Die vier von Thomas
ausgesprochenen Regeln der künstlichen Memoria betreffen: den
Gebrauch der Bilder; die Ordnung, die den Übergang von einem zum
anderen Begriff oder von einem zum anderen Bild erleichtert; die
Notwendigkeit der Konzentration im Hinblick auf die Konstruktion
der Orte, sowie die häufige Wiederholung für das Behalten der
Begriffe. Die erste und die dritte dieser Regeln stammen aus der
Rhetorica ad Herennium, die zweite und vierte aus dem
aristotelischen De memoria et reminiscentia: nicht zufällig
wird im Kommentar zu De memoria die erste Regel eliminiert
und die dritte dem aristotelischen Text durch Tilgung des Bezugs
auf die Konstruktion der Orte angepaßt .
Neben den Zitaten aus Aristoteles, Cicero und
Pseudo-Cicero, aus Quintilian, Albertus und Thomas erscheinen in
den Abhandlungen zur ars memorativa zwischen dem vierzehnten
und fünfzehnten Jahrhundert häufig die Namen von Platon (mit der
Stelle des Timaios, IV, 26b, die auf die größeren
mnemonischen Fähigkeiten der Jugend verweist) von Seneca (der in
De beneficiis, III, 2-3-4-5 bei Gelegenheit der Erinnerung
an empfangene Wohltaten sowohl das Thema der "Häufigkeit" wie das
der "Ordnung" berührt) und von Augustinus (mit den wohlbekannten
Passagen über die Memoria im Buch X, Kapitel 8 der
Confessiones und mit den kurzen Hinweisen in De
Trinitate, XI,6). Die summarische Aufzählung dieser
"Autoritäten" allein zeigt schon, daß sich die in Europa seit dem
vierzehnten Jahrhundert weit verbreitende Traktatliteratur der
ars memorativa auf eine sehr alte und nie unterbrochene
Tradition bezieht. Über eine umfangreiche Produktion hatte sich
diese Tradition entlang verschiedener Entwicklungslinien und auf
verschiedenen Ebenen entfaltet: während das aristotelische Werk
Fragen in Angriff nahm, die in Zusammenhang standen mit dem Problem
der Sensation (nicht zufällig erscheinen die mittelalterlichen
Kommentare zu De memoria et reminiscentia immer zusammen mit
denen zu de sensu et sensato), der Imagination sowie der
Beziehungen zwischen sensitiver und intellektualer Seele, hatten
sich die Werke Ciceros, Quintilians und des Pseudo-Cicero auf einer
typisch und ausschließlich "rhetorischen" Ebene bewegt, wobei sie
sich auf die Kunst der Memoria als Technik bezogen, deren
Aufgaben und Probleme sich in ihrer Funktionalität für die
speziellen Ziele des Redners erschöpften.
Von De rhetorica Alcuins an bis zu dem
Versuch des Johannes von Salisbury, die Ideale der
eloquentia wieder zu beleben, und schließlich bis zum
Speculum maius des Vinzent von Beauvais stellt sich die
gesamte große mittelalterliche Rhetorik unter das Zeichen der
ciceronianischen Werke . Deswegen kann, wie zu Recht
festgestellt wurde, von einer scholastischen Rhetorik nur dann die
Rede sein, wenn aus dem Ausdruck "scholastisch" fast vollständig
der Bezug auf die "Autorität" des Aristoteles entfernt wird. Bei
Albertus und Thomas hingegen erscheinen die beiden Ebenen, auf
denen sich im Laufe des Mittelalters die Erörterung der Memoria
entwickelt hatte (die "spekulative Ebene" und die "technische"),
zum ersten mal fest verbunden: die rationale Psychologie des
Aristoteles bildet für die beiden großen Meister der Scholastik den
Rahmen, innerhalb dessen die Technik (die in Cicero und in der
rhetorica secunda ihren höchsten Ausdruck gefunden hatte)
eingeordnet, eingefügt und gerechtfertigt wurde. Wie Yates deutlich
gemacht hat, bildet dieser streng rationalistische Hintergrund der
albertinisch-thomistischen Mnemotechnik wahrscheinlich die
Grundlage des von Albertus und Thomas durchgeführten Versuchs, die
Techniken der artifiziellen Memoria von der magisch-okkultistischen
ars notoria oder "magischen" Kunst der Memoria zu reinigen,
die als "Summe der Künste" oder als Schlüssel zur Allwirklichkeit
verstanden wurde. In der ars notoria ist, wie sich später in
einigen Werken aus der Hoch- und Spätrenaissance zeigen wird, die
Kunst der Memoria eng verwandt mit einer heimlichen Kunst oder
scientia perfecta, die durch die Verbindung der Regeln der
Kunst mit Invokationsformeln, mystischen Figuren und magischen
Gebeten ad omnium scientiarum et naturalium artium
cognitionem führen soll.
Wie dem auch immer sei, sicher ist, daß sich nicht
wenige Schriften zur Kunst der Memoria auf dem von jenen beiden
großen Dominikanern eingeschlagene Weg einer Synthese der
aristotelischen und ciceronianischen Lehren bewegen. Deutlich liegt
auf dieser Linie zum Beispiel der Dominikaner Bartolomeo da San
Concordio (Å 1374). In dem Kapitel aus Die Lehren der Alten,
das den "Dingen, die zu einem guten Gedächtnis verhelfen" gewidmet
ist, zitiert Bruder Bartolomeo (nachdem er sich auf die
Rhetorica ad Herennium, den Timaios, auf De
memoria und das zweite Buch der Rhetorik von Aristoteles
sowie auf die Ars poetica von Horaz berufen hat) weitläufig
aus dem Kommentar des Thomas zu De memoria und aus der
"Zweiten der Zweiten" der Summa: "Von den Dingen, an die
sich der Mensch erinnern will, ergreift er einige passende, aber
ganz ungebräuchliche Ähnlichkeiten, denn über ungewöhnliche Dinge
geraten wir mehr ins Erstaunen ... Der Mensch soll die Dinge, die
er im Gedächtnis behalten will, bei seiner Überlegung so anordnen,
daß er beim Erinnern von einem zum anderen gelangen kann." Der
Verweis auf die ciceronianische Lehre von den Orten und Bildern ist
ebenso deutlich : "Von den Dingen, an die wir uns erinnern wollen,
müssen wir in bestimmten Orten Bilder und Gleichnisse plazieren".
Die acht von Bartolomeo aufgestellten "Vorschriften" (1. vom
Knabenalter an lernen; 2. scharf aufmerken; 3. häufig überdenken;
4. ordnen; 5. mit dem Anfang beginnen; 6. Ähnlichkeiten erfassen;
7. die Memoria nicht mit zu vielen Dingen belasten; 8. Verse und
Reime gebrauchen) scheinen also einer Synthese aus den
verschiedenen von ihm erwähnten Werken entnommen zu sein.
Ausschließlich von der Rhetorica ad
Herennium inspiriert (obwohl der Autor zweimal behauptet, "sich
von Tullio zu distanzieren") ist dagegen das im vierzehnten
Jahrhundert "in volgare" verfaßte Traktätchen über die artifizielle
Memoria, das irrtümlicherweise Bartolomeo zugeschrieben worden ist.
Neben der Definition des Ortes ("eine so disponierte Sache, daß sie
in sich eine andere Sache enthalten kann") und der Bilder ("die
Repräsentation der Dinge die wir im Geist behalten wollen")
erscheinen in dieser kurzen Schrift sowohl die Unterscheidung
zwischen natürlichen, "von der Hand der Natur hergestellten", und
künstlichen, "von der Hand des Menschen hergestellten" Orten, als
auch die Regeln zum Aufbau der Orte und zum symbolischen Charakter
der Bilder:
Auch ist es angebracht, das Bild mit einem Zeichen
zu bezeichnen, das zu der Sache paßt, für die es steht; so gehört
zum Bild des Königs das Zeichen der Krone und zu den Rittern das
des Schwertes ... Des weiteren ist es angebracht, daß das Bild eine
Handlungsweise ausdrücke, also daß ich ihm in Bezug auf seine Taten
die Eigenschaften zuschreibe, die zu diesen gehören, so wie es
angebracht ist, einem Löwen eine tapfere und kühne Erscheinung zu
geben ... Also müssen wir immer wieder beachten, daß, wie auf das
Papier {nelle carte} die Lettern, so in die Orte die
Bilder gestellt werden sollen .
Diese Art von Beziehung zwischen Orten und
Bildern, die auf die Rhetorica ad Herennium zurückgeht und
für drei Jahrhunderte eines der fundamentalen Axiome der "Kunst"
bleiben wird, ist übrigens auch in anderen Werken des 14.
Jahrhunderts noch präsent: "Die Kunst der Memoria ist zwiefach: aus
Orten und Bildern. Aber die Orte unterscheiden sich von den Bildern
nur darin, daß sie fixierte Bilder sind, auf denen, wie auf Papier
{carta} andere Bilder gemalt werden... daher sind die Orte
wie die Materie und die Bilder wie die Form." Die verschiedenen
Regeln aus dem oben zitierten Traktätchen kehren mit leichten
Abwandlungen auch in diesem Text wieder. Aber von der Verbreitung
der ars memorativa in den dominikanischen Kreisen des 14.
Jahrhunderts zeugt außer den zitierten Werken auch die immer
stärkere Verbindung zwischen ars memoriae und ars
praedicandi. Lodovico Dolce, einer der bekanntesten
Vulgarisatoren der Regeln der Rhetorik und der Mnemotechnik im
sechzehnten Jahrhundert, berief sich 1562 auf die Summa de exemplis et
similitudinibus des Fra Giovanni Gorini von S. Gemigniano (Å
1323) als
eines der Hauptwerke der mnemonischen Kunst, und setzte dessen
Namen neben den von Cicero und Pietro da Ravenna in das Verzeichnis
der Gründer der Kunst. In diesem Werk, das sich als "äußerst
nützlich für Prediger, egal über welches Thema sie predigen wollen"
andiente, ermöglichte gerade die Herstellung von Analogien zwischen
den Lastern und Tugenden auf der einen und den Himmelskörpern und
Bewegungen der Erde auf der anderen Seite eine Technik zur
Konstruktion von Bildern, die sowohl dem Prediger eine geordnete
Exposition zu entwickeln als auch die Phantasie der Zuhörer zu
beeindruken erlaubte. Angesichts von Bemühungen dieser Art ist den
Förderern der im 14. Jahrhundert äußerst weiter verbreiteten
scientia quae tradit formam artificialiter praedicandi ein
wirkliches Interesse an einer Technik der Memoria durchaus nicht
fremd gewesen.
In jenem einzigartigen Kulturprodukt unter dem
Namen der mittelalterlichen ars praedicandi verbinden sich
so die Erfordernisse der rhetorischen Persuasion und der
Konstruktion von Bildern, welche die Erregung von kontrollierbaren
Emotionen ermöglichen, mit den Regeln für die Ordnung und die
Methode als Mittel, der Memoria die Inhalte und die Form der
Predigt einzuprägen.
In vielen Traktaten des 15. Jahrhunderts wird die
thematische Richtung spekulativer Art, die den Hintergrund der
Abhandlungen von Albertus, Thomas und Bruder Bartolomeo bilden,
endgültig aufgegeben. Das geschieht zum Beispiel in den
Artificialis memoriae regulae von Jacopo Ragone da Vicenza
(1434 verfaßt und in verschiedenen Manuskripten überliefert). Das
Interesse des Autors richtet sich ausschließlich auf eine sehr
detaillierte Prüfung der Techniken des Auffindens der Orte:
/53 r./ Iussu tuo, princeps illustrissime,
artificialis memorie regulas, quo ordine superioribus diebus una
illas exercuimus, hunc in librum reduxi tuoque nomini dicavi,
imitatus non modo sententias, verum et plerunque verba ipsa M.
Tullii Ciceronis et aliorum dignissimorum philosophorum qui
accuratissme de hac arte scripserunt...Praeceptore Cicerone ac
etiam teste sancto Thoma de Aquino, artificialis memoria duobus
perficitur: locis videlicet et imaginibus. Locos enim
consideraverunt necessarios esse ad res seriatim pronunptiandas et
diu memoriter tenendas, unde sanctus Thomas oportere inquit ut ea
que quis memoriter vult tenere, illa ordinata consideratione
disponat ut ex uno memorato facile ad aliud procedatur.
Artistoteles etiam inquit in libro quem de memoria inscripsit: a
locis reminiscimur. Necessarii sunt ergo loci ut in illis imagines
adaptentur ut statim infra patebit. Sed imagines sumimus ad
confirmandum intentiones, unde allegatus Thomas: oportet, ait, ut
eorum quae vult homo memorari quasdam assumat similitudines
convenientes.
Nachdem er kurz die ciceronianische und die
thomistische Quelle angesprochen hat, beginnt Ragone, weitaus
ausführlicher als die von ihm zitierten Autoren die Eigenschaften
der "lokalen" Memoria zu behandeln.
/53 v./ Differunt vero loci ab imaginibus nisi in
hoc quod loci sunt non anguli, ut existimant aliqui, sed imagines
fixe super quibus, sicut supra carta, alie pinguntur imagines
delebiles sicut littere: unde loci sunt sicut materia, imagines
vero sicut forma. Differunt igitur sicut fixum et non fixum.
Consumitur autem ars ista centum locis, quatenus expedit pro
integritate ipsius. Sed, si tue libuerit celsitudini, poteris eodem
alios sibi locos invenire faciliter per horum similitudinem. Sed
oportet omnino non modo bona, verum etiam optima diligentia ac
studio locos ipsos notare et firmiter menti habere, ita ut, mode
recto et retrogrado ac iuxta quotationem numerorum, illos prompte
recitare queas. Aliter autem frustra temptarentur omnia. Expedit
igitur ut in locis servetur modus, ne sit inter illos distantia
nimis brevis vel nimium remota sed moderata ut puta sex vel octo
aut decem pedum vel circa iuxta magnitudinem camere; nec sit in
illis nimia claritas vel obscuritas sed lux mediocris. Et est ratio
quia nimium remota vel angusta, nimium clara vel obscura causant
moram inquisitionem imaginative virtutis et ex consequenti memoriam
retardant dispersione rerum que representande sunt aut earum nimia
conculcatione, sicut oculus legentis tedio affligitur si littere
sint valde distincte et male composite aut nimis conculcate. Loci
vero quantitas non est adeo sumenda modica, ut numero videatur esse
capax imaginis, quia violentiam abhorret cogitatio ut si velles pro
loco sumere foramen ubi aranea suas contexit tellas et in illo
velles equum collocare, non videretur modo aliquo posse /54 r./
equum capere. Sed ipsorum locorum quantitas sumenda est ut statim
inferius distincte notatum invenies.
Die Orte sollen also immer so disponiert werden,
daß sie eine leichte und schnelle Lektüre zulassen: ihr
Abstand und ihre Größe werden auf der Basis von Beobachtungen
psychologischer Natur festgesetzt. Aufgrund von Beobachtungen
dieser Art und angesichts bestimmter Assoziationen zwischen den
verschiedenen Inhalten des Gedächtnisses soll dann eine Auswahl des
"Gebäudes" erfolgen, in dem die Orte (und folglich die Bilder) zu
plazieren sind:
/54 r./ Oportet etiam ne loci sint in loco nimium
usitato sicut sunt plateae et ecclesie, quoniam nimia consuetudo
aut aliarum rerum representatio causant perturbationem et non
claram imaginum representationem ostendunt sed confusam, quod
summopere est cavendum, quia si in foro locum constitueres et in eo
rei cuiuspiam simulacrum locares, cum de loco simulacroque velles
recordari, additus, reddituts, meatusque frequens et crebra gentis
nugatio conturbaret cogitationem tuam. Studebis ergo habere domum
que rebus mobilibus libera sit et vacua omnino, et cave ne assumas
cellas fratrum propter nimiam illarum similitudinem, nec hostia
domorum pro locis qui cum nulla vel parva tibi sit differentia ideo
confusio. Habeas ergo domum in qua sint intra cameras salas
coquinas scalas viginti, et quanto in ipsis locis dissimilitudo
maior, tanto utilior. Nec sint camere iste et reliquie excessive
magne vel parve, et in earum qualibet facies quinque locos iuxta
distantium dictam superius scilicet sex aut octo vel decem pedes.
Et incipe taliter ut, a dextris semper ambulando vel a sinistris
quocunque altero istorum modorum ex aptitudine domus tibi commodius
fuerit, non oporteat te retrocedere. Sed, sicut in re domus
procedit, ita continuentur loci tui per ordinem domus, ut sit
facilior impressio ex ordine naturali.
Über die "materiellen" Eigenschaften der Orte
(Größe, Helligkeit, Nicht-Uniformität) und über die Auswahl und
Funktion der Bilder verbreitet sich mit dergleichen Minuziösität
der anonyme Autor eines anderen handschriftlichen Werkes, das sehr
wahrscheinlich aus der gleichen Zeit und dem gleichen kulturellen
Ambiente stammt:
1 v./ De ordine locorum. Circa cognitionem
et ordinem locorum debetis scire quod locus in memoria artificiali
est sicut carta in scriptura, propterea quod scribitur in carta
quando homo vult recordari et non mutatur carta. Ita loca debent
esse immobilia, hoc est dicitur quod locus debet semel accipi et
nunquam dimitti seu mutari sicut carta. Deinde super talia loca
formande sunt imagines illarum rerum vel illorum nominum quorum
vultis recordari sicut item scribuntur in carta quando homo
recordari vult.
De forma locorum. Loca debent esse facta et
ita formata quod non sint nimis parva nec nimis magna /42 r./ ut
verbi gratia non debes accipere pro uno loco unam domum vel unam
terram vel unam schalam, nec etiam, sicut dixi, nimis parvum locum
scilicet unum lapidem parvum nec unam foramen vel aliud tale. Et
ratio est ista: nam humanus intellectus non circa magnas res nec
circa parvas colligitur et imago evanescit; sed debes accipere loca
media scilicet terminum clarum et non nimis obscurum, nec enim
debes accipere loca in illo loco nimis solitario, sicut in deserto
vel in silva, nec in loco nimis usitato, sed in loco medio:
scilicet non nimis usitato nec nimis deserto. Et nota quod predicta
loca bene scire debes et ante et retro et ipsa adigere per
quinarium numerum, videlicet de quinque in quinque. Et debes scire
quod loca non debent esse dissimilia, ut puta domus sit primus
locus, secundus locus sit porticus, tertium locus sit angulus,
quartus locus sit pes schale, quintus locus sit summitas schale. Et
nota quod per quintum vel decimum locum debes ponere unam manum
auream aut unum imperatorem super quintum vel decimum locum; qui
imperator sit bene atque imperaliter indutus, vel aliquid aliud
mirabile vel deforme, ut possis melius recordari. Et haec
sufficiant quantum ad formam locorum. Nunc autem videndum est de
imaginibius per predicta loca ponendis.
De imaginibus. Est enim sciendum quod
imagines sunt sicut scriptura et loca sicut carta. Unde notatur
quod aut /42 v./ vis recordari propriorum nominum aut apellativorum
aut grechorum aut illorum nominum quorum non intelligis significata
aut ambasiatarum aut argumentorum aut de aliis occurentibus.
Ponamus igitur primum quod ego vellim recordari nominum propriorum.
Sic enim ponere debes imagines in proprio convenienti loco et ipso
sic facto: cum vis recordari unius divitis qui nominatur Petrus,
immediate ponas unum Petrum quem tu cognoscas qui sit tuus amicus
vel inimicus vel cum quo habuisti aliquam familiaritatem, qui
Petrus faciat aliquid ridiculum in illo loco, vel aliquid
inusitatum, vel simile dicat... In secundo loco ponas unum Albertum
quem tu cognoscas, ut supra licet per alios diversos modos,
videlicet quod dictus Albertus velit facere aliquid inusitatum vel
deforme scilicet suspendens se et ut supra. In tertio loco, si vis
recordari istius nominis equi, ponas ibi unum equum album, magnum
ultra mensuram aliorum, et qui percutiat quenpiam tuum amicum vel
inimicum cum calcibus vel pedibus anterioribus, vel aliquid simile
faciat ut supra...
Die Lektüre dieser Werke gibt eine ziemlich genaue
Vorstellung davon, wie die ars memorativa "ciceronianischen"
Ursprungs wirklich "funktionierte". Die Charakterisierung
"ciceronianisch" hat ihren Sinn, da die Mnemotechnik der Lullisten
und der Aristoteliker auf ganz andersartigen Verfahren beruht. Um
die Kunst der Memoria zu realisieren, muß erst einmal eine Art von
formaler Struktur zur Verfügung stehen, die, einmal
stabilisiert, immer wieder angewandt werden kann, um irgendeine
Reihe von Dingen oder Namen (res aut verba) in Erinnerung zu
rufen. Diese formale oder fixierte und immer wieder
verwendbare Struktur (als carta oder forma
bezeichnet), wird auf willkürliche Weise konstruiert: man wählt
eine Lokalität (Gebäude, Säulengang, Kirche etc.), die
"eingebildet" oder schon tatsächlich bekannt sein kann, und bringt
im Innern dieser Lokalität eine bestimmte Anzahl von Orten
an. Der willkürliche oder konventionelle Charakter dieser Auswahl
ist durch eine bestimmte Zahl von Regeln begrenzt, die sich
beziehen auf: a) die Eigenarten der Lokalität und der Orte (Weite,
Einsamkeit, Helligkeit usw.); b) die Art der Anordnung dieser Orte.
Der größere oder kleinere Umfang der formalen Struktur bedingt die
Anzahl der Inhalte, die in ihr untergebracht werden können: ein
Komplex von hundert Orten kann als Struktur benutzt werden, um bis
zu hundert Namen und Objekten in Erinnerung zu rufen (dem Problem
der multiplicatio locorum oder der fortschreitenden
Erweiterung der Struktur werden viele Diskussionen gewidmet).
Die so gewonnenen formale Struktur kann mit
beliebigen und von Mal zu Mal veränderbaren geistigen Inhalten
(imagines debilibes oder materia oder Schrift)
"gefüllt" werden. Diese "Füllung" wird mit den Bildern
vorgenommen, die auf möglichst nachhaltig beeindrukende Weise die
Dinge oder Begriffe symbolisieren sollen, die zu erinnern sind.
Auch hier wird die Willkürlichkeit in der Wahl der Bilder durch
Regeln beschränkt, die jetzt die "Monstrosität" oder "Fremdheit"
dieser Bilder und ihren die Inhalte unmittelbar evozierender
Charakter betreffen. Die einzelnen Bilder werden schließlich in den
einzelnen Orten "provisorisch" (d.h. im Hinblick auf die Erinnerung
einer ganz bestimmten Serie von Namen oder Sachen) plaziert
(collocare). Indem man im Geiste die so gewählte Lokalität oder
so errichtete Struktur (auf halbautomatische Weise) wieder
durchgeht, können über den Aufruf der Bilder und über die von ihnen
ausgeübte Suggestion unmittelbar die Begriffe oder Dinge
vergegenwärtigt werden, die zu der Reihe gehören, die erinnern
werden sollte. Angesichts der fixierten Struktur der Orte
erscheinen Begriffe und Dinge in ihrer ursprünglichen Anordnung
wieder, und diese Ordnung kann nach Belieben umgekehrt
werden.
Die Frage der dispositio locorum und der
Formierung der Bilder nimmt in den von uns erwähnten Abhandlungen
einen recht ansehnlichen Platz ein. Gerade diese Art von
Kodifizierungen wird in dem größeren Teil der Traktate des 15. und
16. Jahrhunderts besonders hervorgehoben . Der schließlich fast
ausschließlich "technische" Charakter dieser Traktate erklärt ihre
Uniformität. Die Autoren, die sich mit der Ars memorativa
beschäftigen, sind keine Erfinder, sondern immer nur "Erklärer" der
Kunst: sie beschränken sich darauf, eine Reihe von schon
kodifizierten Regeln zu überliefern, suchen sie in einer besonders
zugänglichen Form darzulegen und, wenn möglich, dabei zu
irgendeiner Integration oder Verbesserung zu gelangen. Die Kunst
muß, und sei es durch die Reduktion der Regeln auf ein formelhaftes
Schema , leicht
und vor allem schnell erlernbar sein. Dieser "technische" Charakter
der Traktate muß gesehen werden, um ihre Ziele zu verstehen. Die
"ciceronianische" Kunst der Memoria ist im fünfzehnten Jahrhundert
frei von Zielen und Absichten spekulativen Charakters; sie ist ein
für die verschiedensten Tätigkeiten nützliches Instrument. Das
handschriftliche Traktätchen von Guardi (oder Girardi?) eximii
doctoris artium et medicinae magistri will zum Beispiel lehren,
wie man sich erinnert an: substantielle und akzidentielle Begriffe,
zitierte Autoren (auctoritates), öffentliche Diskurse, den
Inhalt von Briefen, Sammlungen und von Geschichtsbüchern,
wissenschaftlich-philosophischen Argumentationen und Diskurse,
Gedichte und Begriffe aus unbekannten Sprachen, Artikel des
Gesetzbuches. Auf die Methoden, sich an Botschaften, Zeugenaussagen
und Argumente zu erinnern, legen übrigens all die Werke Wert, die
sich als eine Ausrichtung der Regeln der Mnemotechnik auf das Ziel
eines Sieges in Disputen und Diskussionen präsentieren .
Durch ihre Ursprünge an die praktischen
Intentionen der Ziele gebunden, präsentiert sich die ars
memorativa also als ein Hilfsmittel für den, der in
"öffentlicher" Tätigkeit engagiert ist. Der Congestorius
artificiosae memoriae von Romberch, ein Werk, das im
sechzehnten Jahrhundert europäische Verbreitung fand, wendet sich
an Theologen, Prediger, Lehrer, Juristen, Mediziner, Richter,
Anwälte, Notare, Philosophen, Professoren der freien Künste,
Botschafter und Kaufleute.
Daß Werke dieser Art so brauchbar sein konnten,
erscheint heute kaum mehr glaubhaft. Wenn wir jedoch einer
zahlreichen Reihe von Zeugnissen Glauben schenken sollen, waren die
Theoretiker der Mnemotechnik zu Resultaten von einiger Bedeutung
gelangt. Der berühmte Pietro da Ravenna (Pietro Tommai), Autor
einer kleinen Abhandlung über künstliche Memoria (Venedig 1491) mit
allergrößter Resonanz und nicht ohne Einfluß auf Bruno, behauptete,
über mehr als hunderttausend Orte zu verfügen, die er eingerichtet
hatte, um jeden in der Kenntnis der heiligen Schrift und des
Rechtswesen übertreffen zu können . "Wenn ich meine Heimat verlasse
- schrieb er - um wie ein Pilger die Städte Italiens zu besuchen,
kann ich wirklich sagen omnia mea mecum porto, und dennoch
höre ich nicht auf, Orte für die Memoria zu bauen." Gegenüber
seinem Lehrer in der Jurisprudenz Allessandro Tartagni von Imola
sah sich unser Peter an der Universität von Pavia mit kaum zwanzig
Jahren in der Lage, totum codicem iuris civilis auswendig zu
zitieren, den Text und die Glossen, und Wort für Wort die
Vorlesungen Allessandros zu wiederholen. Später hatte er in Padua
das Kapitel der Regularkanoniker verblüfft, indem er auswendig
Predigten rezitierte, die er ein einziges mal gehört hatte. Von
seiner Fähigkeit schreibt er mehrfach in Worten, bei denen sich
eine umsichtige Selbstpropaganda dem deutlichen Wunsch gesellt,
Bewunderung im Geiste des Lesers zu erregen: "die Universität von
Padua ist mein Zeuge: jeden Tag halte ich, ohne ein Buch zu
benötigen, meine Vorlesungen in kanonischem Recht, und als ob ich
die Büchern vor Augen hätte, erinnere ich mich auswendig an den
Text und die Glossen und lasse nicht eine einzige Silbe aus, und
sei sie noch so klein... Ich habe in neunzehn Buchstaben des
Alphabets zwanzigtausend Stellen des kanonischen und des zivilen
Rechts plaziert und in derselben Ordnung siebentausend Stellen aus
den Heiligen Bücher, tausend Carmina von Ovid.. zweihundert
Sentenzen von Cicero, dreitausend Sätze der Philosophen und den
größeren Teil des Werks von Valerius Maximus..." .
Weniger verdächtig als die Zeugnisse dieses
Parteigängers erscheinen die der Eleonora d'Aragona, welche die
ganze Stadt von Ferrara aufrief, Zeugin des wunderbare Gedächtnis
des Ravennaten zu sein, oder des Bonifacio del Monferrato, der ihn,
nachdem er seine außerordentliche Fähigkeit festgestellt hatte,
wärmstens den Königen, den Fürsten, den "prächtigen Hauptleuten"
und dem italienischen Adel empfahl.
Der außerordentliche Ruhm, den diese ungewöhnliche
Juristengestalt in Italien und in Europa genoß, war mehr als seinen
nicht zu vernachlässigenden juristischen Kenntnissen der Tatsache
zuzuschreiben, daß er sich als der lebendige Beweis für den Wert
einer Ars präsentierte, der sich Vieler Hoffnungen und
Bestrebungen zuwandten. Als Professor des Rechts in Bologna,
Ferrara, Pavia, Postoia und Padua trug Pietro Tommai zweifelsohne
dazu bei, in ganz Italien das Interesse an der ars
memorativa zu verbreiten. Nachdem ihn Herzog Bogislav von
Pommern und Friedrich von Sachsen dem Dogen Agostino Barbarigo
streitig gemacht hatten, öffneten sich dem Peter um 1497 die Tore
der Universität Wittenberg. Nachdem er eine Einladung des Königs
von Dänemark abgewiesen hatte, ging er nach Köln und von da aus war
er unter der Anklage eines wenig anständigen Benehmens
(scholares itali non poterant vivere sine meretricibus)
gezwungen, nach Italien zurückzukehren. Die Berühmtheit dieser
Persönlichkeit sollte beträchtliche Konsequenzen haben: der
Phoenix seu artificiosa memoria des Ravennaten wird auf die
ganze folgende Produktion der Mnemotechnik einen außerordentlich
großen Einfluß ausüben. Auf Pietro als herausragenden Meister
berufen sich alle italienischen und deutschen Theoretiker des
sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Die Verbreitung seiner
Schriften, die zum erstenmal in Venedig gedruckt, dann in Wien,
Vicenza und in Köln wieder aufgelegt und (um die Mitte des
sechzehnten Jahrhunderts) nach einer vorangehenden Ausgabe auf
französisch ins Englische übersetzt wurden, beweist schon allein,
daß zwischen dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts und dem ersten
Jahrzehnt des siebzehnten nicht nur italienische Kreise an der
"memoria locale" interessiert waren .
Das Werkchen des von Ravenna ist nach den
bekannten Mustern der "ciceronianischen" Tradition eingerichtet.
Mehr als auf die Regeln zum Aufsuchen der Plätze richtet Pietro
seine Aufmerksamkeit auf die von den Bildern ausgeübte Funktion. Um
wirklich effektiv zu sein, müssen diese wie regelrechte
"Aufputschmittel" wirken. "Gewöhnlich plaziere ich in die Orte ganz
famos hübsche Mädchen ... und glaubt mir: wenn ich als Bilder sehr
schöne Mädchen genommen habe, wiederhole ich leichter und
geordneter die Begriffe, die ich den Orten anvertraut hatte. Da
hast du nun ein äußerst nützliches Geheimnis für die künstliche
Memoria, ein Geheimnis, das ich lange aus Scham verschwiegen habe:
wenn du schnell zu erinnern wünschest, stelle in die Orte
allerschönste Jungfrauen; die Memoria wird nämlich durch diese
Kollokation von Mädchen ganz phantastisch angeturnt ... Diese
Vorschrift wird jenen nichts nützen, die Frauen hassen und
geringschätzen und diese werden mit größerer Schwierigkeit die
Früchte der Kunst ernten. Mögen mir also die keuschen und frommen
Männer verzeihen: ich hatte die Pflicht, eine Regel nicht zu
verschweigen, die mir nicht nur in dieser Kunst Auszeichnungen und
Ehrungen verschafft hat, sondern durch die ich auch mit allen
meinen Kräften ausgezeichnete Nachfolger hinterlassen will.
Werke wie die von Romberch und Pietro da Ravenna
hatten, wie wir sagten, eminent "praktische" Ziele: sie richteten
sich an Philosophen nur insoweit, als auch diese, ganz wie die
Ärzte, Notare oder Juristen, in irdische Angelegenheiten verwickelt
sind. Selbst in diesen Traktaten aber werden Themen (wie das der
Bilder), die in enger Beziehungen zur Kultur der Renaissance
stehen, und Fragen (zum Beispiel nach dem Verhältnis Kunst-Natur)
angeschnitten, die auf einer viel spezifischer philosophischen
Ebene weitläufig diskutiert worden waren und sein werden.
"Die lokale Memoria ist eine Kunst, durch die es
uns gelingt, leicht und geordnet uns vieler Dinge zu erinnern, von
denen es mit natürlichen Kräften es nicht möglich wäre, entweder
ein so promptes oder so genaues Gedächtnis zu haben", wird in
Urb.lat.1743 behauptet. Diesem Thema, dessen Stichworte schon in
den Werken von Cicero und Quintilian gegeben worden waren, wird man
sich von mehreren Seiten mit signifikanten Akzentuierungen wieder
zuwenden. So stellt der anonyme Autor des in der Marciana
aufbewahrten Ms.lat.272 die Ergebnisse der Kunst denen der Natur
entgegen; dann vergleicht er die Kunst der Memoria mit anderen
Entdekungen der Technik, fühlt das Bedürfnis, die Kunst unter den
legendären Schutz des Demokrit zu stellen und präsentiert sich
schließlich als Erklärer der außerordentlichen Schwierigkeiten und
"Dunkelheiten", die in der Rhetorica ad Herennium enthalten
sind:
/41 r./ Ars memoriae artificialis, pater
reverende, est ea qualiter homo ad recordandum de pluribus
pervenire possit per memoriam artificialem de quibus recordari non
possit per memoriam naturalem. Debetis enim scire quod sic natura
adiuvatur per artem adiunctam sicut sunt navigia ad mare
transfretandum quia non potest transfretari per virtutem et viam
naturae, sed solum per virtutem et viam artis; unde philosophi
vocaverunt artem adiutricem natue. Sicut enim invenerunt homines
diversas artes ad iuvandum diversis modis naturam, sic etiam
videntes quod per naturam hominis memoria labilis est, conati sunt
invenire artem aliquam ad iuvandum naturam seu memoriam ut homo per
virtutem artis recordari possit multarum rerum quarum non poterat
recordari aliter per memoriam naturalem et sic adinvenerunt
scripturas et viderunt non posse recordari horum quae scripserant.
Postea in successione temporum, videntes quod semper non poterant
secum portare scripturas, nec semper parati erant ad scribendum,
adinvenerunt subtiliorem artem ut sine quacumque scriptura multarum
rerum reminisci valerent et hanc vocaverunt memoriam artificialem.
Ars ista primum inventa fuit Athenis per Democritum eloquentissimum
philosophum. Et licet diversi philosophi conati fuerint hanc arten
declarare, tamen melius et subtilius declaravit suprascriptus
philosophus Democritus huius artis /41 v./ adinventor. Tulius vero
perfectissimus orator in cuius libro Rhetoricorum de hac arte
tractavit licet obscuro et subtili modo in tantum quod nemo ipsum
intellegere valuit nisi per divinam gratiam et doctorem qui doceret
ipsam artem qualiter deberre pratichari.
Auf eine unterschiedliche kulturelle Atmosphäre
und auf Themen, die eher mit der "Psychologie" und "Philosophie"
als mit der Rhetorik verbunden sind, berufen sich dagegen andere
Schriften des späten fünfzehnten Jahrhunderts, in denen der Einfluß
der aristotelischen und thomistischen Formulierungen viel stärker
ist als jener der Tradition der ciceronianischen Rhetorik. Bei der
Lektüre dieser Abhandlungen kann man in einigen Fällen den
interessanten Versuch verfolgen, direkt aus den aristotelischen
Werken einige Regeln der künstlichen Memoria zu
gewinnen. Typisch in diesem Sinn ist das De nutrienda
memoria, das 1476 in Neapel publiziert wurde, und in dem
Domenico De Carpanis sich vornimmt, die von Aristoteles in De
memoria et reminiscentia entwickelten Lehren "mit dem Salz des
heiligen Doktor Thomas von Aquin abgeschmeckt" aufzutischen.
Der sensus communis erscheint De Carpanis
ähnlich einem gigantischen Wald, in dem die von einem jeden der
fünf Sinne hervorgerufenen Bilder akkumuliert werden. Über diesem
chaos agiert der Intellekt mit einer dreifachen Operation:
erstens nimmt er Kenntnis von den Bildern; zweitens verbindet er
sie nach einer genauen Ordnung; drittens verkettet er, eins mit dem
anderen, die ähnlichen Dinge und legt sie in archa memoriae
ab. Wenn von diesen Dingen gesprochen werden soll, gibt der
Intellekt "als ob er Speise aus einer Vorratskammer nimmt, die
Worte durch die Zähne des wiederkäuenden Intellekts von sich." Die
Memoria ihrerseits bewegt sich auf einer doppelten Ebene: auf jener
der Sinne und jener des Intellekts. Die sensitive Memoria ist fest
an den Körper gebunden und kann "nur die körperlichen Dinge"
behalten; die intellektuale ist im Gegenteil "das Depot der ewigen
Bilder {specie eterne}". Zu den Hauptlehren des Aristoteles
zitiert der Autor fast immer Stellen aus dem elften Buch von De
trinitate des Augustinus: zur aristotelischen Lehre vom
körperlichen Charakter der Inhalte der sensitiven Memoria wird des
Augustinus Stelle über das Gedächtnis der Schafe herangezogen, die
sich von der Weide zu den Oliven wenden; die augustinische These
von der Identität zwischen intellektualer Memoria und Wille wird
zitiert, um den intellektualen Charakter eines der beiden Teile zu
bekräftigen, in welche die Memoria unterteilt ist. Auch zeigt die
Lehre von den Hilfsmitteln (adminicula) der Memoria näher
besehen Nachwirkungen ihres thomistischen Ursprungs: Neben die
Ordnung und die Wiederholung setzt De Carpanis die
similitudo und die contrarietas. Ohne auf die Kunst
der "lokalen" Memoria zurückzugreifen, gelingt es dem Autor auf
diese Weise, einige Regeln festzusetzen, die eher der
aristotelischen Psychologie als Cicero entnommen sind.
Ein weiterer Versuch dieser Art findet sich in dem
1481 in Bologna veröffentlichten De omnibus ingeniis augendae
memoriae des bergamaskonischen Arztes, Geschichtsschreibers und
Dichters Giammichele Alberto da Carrara. Auch hier werden die
Beobachtungen von Aristoteles über die Ordnung, über das
Fortschreiten vom Ähnlichen zum Ähnlichen und über die
contrarietas umstandslos als "Regeln" der ars
memorativa interpretiert . Aber außer durch diesen Anschluß
an Aristoteles und durch den Vorschlag eines speziellen Typus von
"memoria locale", der auf der Einteilung des Körpers der Tiere in
fünf Teile gründet, ist dieses Werk von Carrara auch wichtig, weil
es die enge Verbindung zeigt, die sich innerhalb der
aristotelischen Tradition zwischen der Kunst der Memoria und der
Medizin etabliert. Unter Berufung auf Galen und Avicenna macht sich
Carrara ersteinmal an das Problem einer Lokalisation der Memoria
heran; dann geht er dazu über, die Hauptkrankheiten zu diskutieren,
die den Gebrauch der Memoria behindern; dann beschäftigen ihn eine
Reihe von Regeln für den Gebrauch von Speisen und Getränken und für
Schlaf und Bewegung, und schließlich gelangt er zur Formulierung
einer regelrechten Rezeptsammlung. Auf die Idee einer Therapeutik
der Memoria, wie sie schon im Regimen aphoristicum von
Arnaldo da Villanova vorlag und in der mittelalterlichen Medizin
verbreitet war, war neben Carrara auch Matteolo da Perugia
gekommen, der im gleichen Jahr ein Werkchen über mnemonische
Medizin
veröffentlichte. In beiden Werken wird häufig Avicenna zitiert: die
von Carrara verfochtene These, daß die Feuchtigkeit ein
Hindernis für das Gedächtnis sei, ist zum Beispiel schon in den
Werken des arabischen Arztes ausgesprochen, aber die Abhandlung von
Carrara erscheint im Unterschied zu der des Matteolo und den
anderen hier schon untersuchten auf umfassendster Lektüre
gegründet. Außer den schon bekannten Klassikern der Memoria
erscheinen hier die Namen von Galenus, Boetius, Hugo von St.Viktor,
Johannes Scotus und Avveroës.
Über diesen Kontakt mit der Tradition der Medizin
und mit einigen Lehrsätzen des Aristotelismus nähert sich also die
Traktatliteratur zur ars memoriae des späten fünfzehnten
Jahrhunderts Themen oder Problemen an, die nicht nur von bloß
"technischem" oder "rhetorischem" Interesse sind. Wenn sich in der
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die Begegnung zwischen der
großen Tradition des Lullismus und der ars reminiscendi
rhetorischer Herkunft ereignet, werden gerade die strikt
technischen Abhandlungen der "Ciceronianer" eine wesentliche
Funktion übernehmen. Diese Kunst der Orte und Bilder war trotz
ihrer anscheinenden Neutralität und Zeitlosigkeit durch eine
Vielzahl von Beziehungen mit der Kultur der Renaissance verbunden.
Nur so läßt sich erklären, warum häufig so trockene und fast immer
inoffensiv spekulative Texte eine so bemerkenswerte Faszination auf
die Geister von Agrippa und Bruno ausüben konnten. Wer über die
Bedeutung der Zeichen, der Impresen und der Allegorien in der
Renaissancekultur nachdenkt, wer sich die Werke Ficinos über die
"Symbole und die poetischen Figurationen voll verborgener
göttlicher Geheimnisse" vergegenwärtigt und die Bedeutung der
Vorliebe für Allegorien und "symbolische Formen" in den Schriften
von Landino, Valla, Pico, Poliziano (und später von Bruno)
wahrnimmt, kann nicht umhin, die Resonanz hervorzuheben, welche die
Kunst der Memoria als Konstrukteurin von Bildern in einem
Zeitalter haben mußte, das Ideen in sensiblen Formen zu verkörpern
liebte, das sich daran ergötzte, Fieber und Schicksal als
allegorische Figuren auf das Niveau von intellektuellen
Diskussionen zu heben, das in Hieroglyphen ein Mittel sah, die
Wahrheit dem Pöbel unentzifferbar zu machen, das "Alphabete" und
Ikonologien liebte und das Wahrheit und wahre Wirklichkeit als
etwas ansah, das sich zunehmend durch Zeichen, "Fabeln" und Bilder
offenbaren wird.
In einem charakteristischen und zu Recht berühmten
Werk sprach Alcati von "der Kunst, Symbole zu
erfinden und zu ersinnen", um dabei ausführlich die Unterschiede
zwischen schemata, imagines und symbola zu erörtern.
Achtzig Jahre später präsentierte der Perugianer Cesare Ripa in
einem ebenso erfolgreichen Buch eine "Beschreibung von Bildern der
menschlichen Tugenden, Laster, Affekte, Leidenschaften, der
Himmelskörper und der Welt und ihrer Teile" mit der Ankündigung,
daß seine Schrift (die wirklich "der Schlüssel zum Allegorismus des
siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts ist") dazu dienen sollte,
"all das in typischen Symbolen zu versinnlichen, was dem
menschlichen Denken einfallen kann" . Unter dem Stichwort
memoria finden wir die Darstellung "einer in schwarz
gekleideten Frau mit zwei Gesichtern, die in der rechten Hand eine
Feder und in der linken ein Buch trägt": die zwei Gesichter sollen
bedeuten, daß die Memoria "alle vergangenen Dinge zur Orientierung
der Prudentia in den zukünftigen umfaßt"; das Buch und die Feder
als Symbole der häufigen Lektüre und der Schrift "zeigen, daß die
Memoria sich, wie man zu sagen pflegt, mit dem Gebrauch
vervollkommnet." In einem in den letzten Jahren des sechzehnten
Jahrhunderts verfaßten Handbuch der Ikonologie finden wir
einerseits die antike Vorstellung von der Übung und der Schrift als
Hilfsmittel der Memoria wieder (zwei Jahrhunderte später wird Hume
vom "Fleiß" und der "Schrift" sprechen) und andererseits das Echo
der Diskussionen über die Memoria und die "Klugheit", die Albertus
Magnus und Thomas beschäftigt hatten. Aber gerade die Idee einer
sensiblen Repräsentation der "Dinge" und "Begriffe" und einer
"Personifikation" der Vorstellungen, an der Ripa (und viele andere
mit ihm) sich inspirierten, hatte zweifelsohne ziemlich feste
Verbindungen mit jenem Teil der Mnemotechnik, der die Konstruktion
der Bilder zum Ziel hatte.
Gerade im Innersten der mehr orthodoxen Tradition
der ciceronianischen ars memorativa fehlt es nicht an
Zeichen einer besonderen Sensibilität für die Probleme der Bilder.
Viele Abschnitte der Oratoriae artis epitoma (Venedig 1482)
von Iacobo Publico zeigen, daß zwischen diesen Bildern und denen
der Ikonologien eine reale Verbindung bestand. Die intentiones
simplices und die "spirituellen" Intentionen verflüchtigen
sich, behauptete Publicio, schnell aus der Memoria, wenn sie von
keiner körperlichen Ähnlichkeit unterstützt werden. Die Bilder
haben nun genau die Aufgabe, durch die erstaunliche Geste, die
grausame Miene, das Erstaunen, die Traurigkeit oder die Strenge,
Ideen, Ausdrücke und Begriffe in der Erinnerung zu fixieren. Die
Traurigkeit und die Einsamkeit sollen das Symbol des Alters sein,
die fröhliche Sorglosigkeit das der Jugend, die Gefräßigkeit wird
durch den Wolf ausgedrückt, die Furchtsamkeit durch den Hasen, die
Waage soll das Symbol der Gerechtigkeit sein, die herkuleische
Keule das der Stärke, das Astrolabium das der Astrologie. Aber vor
allem soll man bei der Konstruktion der Bilder die Werke von
Dichtern wie Virgil und Ovid benutzen. Ihre Versinnbildlichungen
des Ruhms, des Neids und des Schlafs können hervorragend bei der
collocatio in locis seltener und vortrefflicher Bilder
eingesetzt werden.
Symbole und Bilder als Erinnerungsinstrumente:
auch als die Idee einer "Plazierung oder Kollokation der Bilder in
den Orten" aufgegeben wird, verliert die Vorstellung von den
Symbolen und Bildern als Stützen der Memoria nicht ihre Kraft. Die
1697 von Francesco Bianchini veröffentlichte Istoria universale
provata con monumenti e figurata con simboli degli antichi
sollte "die Festigkeit des Ordnens und Behaltens mit der
Leichtigkeit des Lernens und Begreifens verbinden"; das "Bild auf
dem Titelblatt" der Scienza Nuova von Giambattista Vico
sollte dem Leser helfen, "die Idee dieses Werkes schon vor der
Lektüre zu begreifen, um sie leichter dem Gedächtnis
einzuprägen".
Für Vico wie für Hobbes war das Gedächtnis die
"Mutter der Musen". In einer Distinktion von Hobbes finden wir ein
geläufiges Thema wieder: "Bei dieser Auflösung {diluzione}
der Sinneswahrnehmung {im Medium ihrer Übertragung zum sensus
communis?} nennen wir Imagination die Sache selbst,
nämlich das Phantasma; wenn wir jedoch die Auflösung selbst
bezeichnen wollen, nennen wir sie memoria: so daß
Imagination und Memoria diegleiche Sache sind, bezeichnet durch
unterschiedliche Namen nach der unterschiedlichen Art, sie zu
betrachten."
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selbst bezeichnen wollen, nennen wir sie memoria: so daß
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