Zu Beginn seines 1668 in London unter den Auspizien der
Royal Society veröffentlichten Essay Towards a Real Character
and a Philosophical Language verwies John Wilkins bei der
Erklärung der Grundlinien seines Projektes einer "philosophischen",
"perfekten" oder "universalen" Sprache den Leser auf die Passagen
aus dem Advancement of Learning (und aus De
augmentis), in denen Bacon die Unterschiede zwischen
Hieroglyphen und "realen Charakteren" aufgezählt hatte. Jene haben
als Embleme "immer etwas mit der bezeichneten Sache gemein"; diese
"haben nichts Emblematisches" und sind künstlich konstruierte
Zeichen, deren Bedeutung nur von einer Konvention und von der in
der Folgezeit aus ihr entwikelten Gewohnheit abhängt. Auch die
Buchstaben des Alphabets stammen aus Konvention, die Realcharaktere
jedoch stellen im Unterschied zu den Zeichen des Alphabets "nicht
Buchstaben oder Worte, sondern direkt Dinge und Begriffe
dar".
Es ist seit einiger Zeit recht bekannt, daß heute
in China und in den Gebieten des äußersten Orients reale,
nicht nominale Zeichen in Gebrauch sind, die nicht
Buchstaben und Worte ausdrücken, sondern Dinge und Begriffe. Auf
diese Art kommunizieren, indem sie in dieser Art von Charakteren
übereinkommen, Völker unterschiedlichster Sprachen, schriftlich
untereinander; so kann ein Buch, das in diesen Charakteren
geschrieben ist, von jedem in seiner eigenen Sprache gelesen
werden... Die Realcharaktere haben nichts Emblematisches und sind
gewissermaßen stumm, arbiträr konstruiert (ad placitum), und
dann aus Gewohnheit wie durch eine stillschweigende Übereinkunft
angenommen. Demnach ist klar, daß diese Art von Schrift eine sehr
große Menge von Charakteren benötigt, nämlich so viele wie es
Wurzelwörter (vocabula radicalia) gibt.
Der Schöpfung einer universalen und künstlichen
Sprache, welche die Verwirrung {confusio} der natürlichen
Sprachen eliminiere und deren Mängel überwinde, aus Symbolen
gewebt, die nicht auf die Laute, sondern direkt auf die "Dinge"
verweisen, werden sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht
wenige englische Liebhaber von Logik und
Sprachtheorien widmen: 1652 erscheint in London
eine Schrift von Francis Lodowick: The Grundwork or Foundation
Laid (or so Intended) for the Framing of a New Perfect
Language; 1653 Langopandecteision, or an Introduction
to the Universal Language von Thomas Urquhart (1611-1660), dem
Übersetzer von Rabelais; vier Jahre danach publiziert Cave Beck
The Universal Character by Which all Nations May Understand One
Another's Conceptions; immer noch in London erblicken 1657
beziehungsweise 1661 die Tables of the Universal Character
und die Ars signorum, vulgo character universalis et lingua
philosophica von George Dalgarno (1626-1687) das Licht; 1668
schließlich veröffentlicht John Wilkins den schon erwähnten
Essay Towards a Real Character and a Philosophical
Langague.
Um die Bedeutung dieser Werke (und der anderen
dieser Art) und ihre historische Funktion zu begreifen, um die
kulturelle Atmosphäre zu verstehen, aus der sie ihre Nahrung und
die Gründe ihrer Verbreitung und ihres Erfolges zogen, müssen drei
große historische Phänomene berücksicht werden, die (was unser
Thema betrifft) das geistige Leben Englands in der ersten Hälfte
des XVII. Jahrhunderts charakterisieren. Es geht dabei 1) an erster
Stelle um die tiefgreifenden Auswirkungen des Werkes von Bacon und
der "baconischen" Gruppen der Royal Society in England, die in
einem harten Kampf gegen die Rhetorik des Späthumanismus und in
einer leidenschaftlichen Verteidigung der Neuen Wissenschaft
engagiert waren; 2) an zweiter Stelle um die große "Revolution"
(die nicht nur "mental" war, weil sie nicht nur die Ideen und die
Kultur, die Literatur und die Art und Weise des Denkens bestimmte,
sondern auch die akademischen und wissenschaftlichen Institutionen,
die Formen des Unterrichts, des Lernens und des Lebens), die aus
den großen Fortschritten der "experimentellen Philosophie" und der
physikalisch-mathematischen Studien hervorging; 3) an dritter
Stelle schließlich um die tiefe Resonanz, die das Werk, die Lehre,
die Utopien und die Hoffnungen von Johann Amos Comenius in vielen
Bereichen der philosophischen, politischen und religiösen Kultur
Englands und des siebzehnten Jahrhunderts hatten.
Beginnen wir also mit Bacon, auch weil seine
Behauptungen zu den Realcharakteren (der Begriff wird in
England und auswärts bemerkenswerten Erfolg haben) und die
Stellung, die er gegenüber dem Sprachproblem einnahm, in allen
diesen Abhandlungen über die Universalsprache die implizit (oder
doch fast immer explizit) gegenwärtige Voraussetzungen bilden. Über
den "materialistischen" Charakter der linguistischen Theorie von
Bacon hat Richard Foster Jones sehr Bedeutendes geschrieben, wobei
er unter anderem auch das Gewicht aufgezeigt hat, das die
baconischen Thesen für die "stilistische Revolution" hatten, die in
England während der Restauration die Entwicklungen der säkularen
(Werke über Geschichte, Naturphilosophie, Politik) und der
religiösen (Erbauungsbücher, Predigt- und Gebetsammlungen) Prosa
kennzeichnet . Foster
Jones hat von einer "Antipathie Bacons gegenüber der Sprache"
gesprochen. In Wirklichkeit handelt es sich um etwas mehr als um
eine "Antipathie": Die Haltung Bacons gründet sich auf der
Überzeugung, daß die Sprache, wie auch die anderen Produkte des
menschlichen Geistes, ein Hindernis (um das man jedoch als
menschliche Kreatur nicht herumkommen kann) für das Begreifen der
Realität darstelle oder darstellen könne. Um "an die Dinge
heranzukommen" ist es einerseits notwendig, die Namen
{R:nomi} abzuweisen, die nicht wirklichen Dingen
entsprechen, andererseits muß man Worte konstruieren lernen, die
der wirklichen Realität der Dinge entsprechen. Die Idole,
die sich dem Intellekt durch die Worte aufzwingen - behauptet Bacon
im Paragraph 60 des Novum Organum - sind zweierlei Art:
entweder sind sie Namen von Dingen, die nicht existieren, oder
Namen von Dingen, die existieren, aber konfuse, schlecht definierte
und flüchtig und stückweise von den Dingen abstrahierte
Namen. Jene sind an bestimmte phantastische Theorien gebunden (das
Glück, der erste Beweger etc.), und durch die Widerlegung
{R:rifiuto} dieser Theorien kann man sich von ihnen
befreien. Bei letzteren ist das Problem sehr viel komplexer, denn
hier hat man es mit einer inkompetenten "Abstraktion von den
Dingen" zu tun, die zu verworrenen Begriffen Anlaß gegeben
hat.
Diese Behauptungen können die Position Bacons
gegenüber der Sprache deutlicher machen: die Begriffe müssen auf
richtige Art und Weise von den Dingen abstrahiert werden und ihnen
entsprechen : wo der Begriff auf vage und ungenaue Art konstruiert
ist, übernimmt der Name diese Vagheit und Ungenauigkeit. Außerdem
üben die den Dingen zugeordneten Namen, die Worte {R:le
parole}, ihrerseits eine Wirkung auf den Intellekt aus: die
Worte, die vage Begriffe anzeigen, "wenden und reflektieren ihre
Kraft auf den Intellekt zurück" und beeinflussen negativ seine
Suche nach präzisen Begriffen. Die Worte "werfen" auf diese Weise
"ihre Strahlen und Bilder in den Geist zurück und sind nicht nur
für die Kommunikation verderblich, sondern auch für das Urteil und
den Intellekt {R:al giudizio et al intelletto}." Wenn man
durch eine akkuraterere Beobachtung und eine sorgfältiger
durchgeführte "Abstraktion" versucht, die Worte besser der Natur
entsprechen zu lassen, "rebellieren die Worte " und geben Anlaß zu
sterilen Kontroversen, die nicht die Wirklichkeit zum Gegenstand
haben, sondern nur die Namen und Worte. Der Versuch, präzise
Definitionen nach Art der Mathematiker zu verwenden, erscheint
Bacon nicht sehr nützlich: "wenn es um natürliche und materielle
Dinge geht, können nicht einmal die Definitionen diesem
Übel abhelfen, da auch diese Definitionen aus Worten bestehen
und diese wieder andere Worte zeugen."
Das war ein ziemlich bedeutsames Ergebnis, und die
von Bacon im Novum Organum entwikelte Kritik des Ausdrucks
"feucht" kann seine Sichtweise verständlich machen: die
Zweideutigkeit des Ausdrucks "feucht" hängt von der Zweideutigkeit
des Begriffs von "feucht" ab, der eine Vielfalt verschiedener
Wirkungsweisen anzeigt und nur vom Wasser und den gewöhnlichen
{R:volgari} und gemeinhin bekannten Flüssigkeiten
"oberflächlich und ohne die nötigen Kontrollen abstrahiert worden
ist" . Es
handelt sich für Bacon nicht darum, angesichts dieser Vielfalt der
Bedeutungen eine Definition zu geben, die das Feld und die
Anwendung des Begriffs {R:termine} "feucht" bestimmt, indem
sein möglicher Gebrauch vorher festgesetzt und seine Bedeutung
eingegrenzt wird, sondern darum, auf der Grundlage "eines Studiums
der Einzelfälle, ihrer Folge {R:serie} und ihrer Ordnung",
einen Begriff auszuarbeiten, der die Vielfalt der Wirkungsweisen
auf eine Einheit zurückführe und als Kriterum diene, diese Vielfalt
zu deuten. Die Gültigkeit dieses Kriteriums wird deshalb in allen
Fällen von der größeren und geringeren Übereinstimmung des
so entwikelten Begriffs mit den Dingen abhängen. So läßt
sich begreifen, wie Bacon, im Kontrast zu den konventionalistischen
Bemerkungen in seiner Erörterung der Sprache, zu einer
Identifikation der Ausdrücke "Begriff" und "Wort" {R:termine;
nozione; parola} kommen kann ("mala et inepta verborum
impositio", "nomina temere a rebus abstracta" etc.). Im Ergebnis:
was Bacon in keinem Fall bereit ist zu akzeptieren, ist eine
Theorie, welche die Wahrheit eines Satzes {R:proposizione}
mit der logischen Kohärenz unter den Ausdrücken identifiziert, die
diesen Satz bilden. Die Forschung greift kontinuierlich auf die
Dinge zurück, auf die sinnenhaften Qualitäten, auf Eigenschaften
der Körper. Die "materialistische" Inspiration dieser Auffassung
von Sprache wird evident, wenn Bacon eine Art Rangfolge aufstellt,
die "die verschiedenen Grade von Abirrung und Irrtum in den Worten"
widerspiegelt: die Klasse der weniger mangelhaften Namen ist jene
der Namen von einigen gut bekannten Substanzen (Ton, Schlamm
usw.); mangelhafter ist die der Namen für Handlungen
(erzeugen, verderben usw.); am mangelhaftesten von allen ist die
Klasse der Namen für Qualitäten (schwer, dicht, leicht usw.).
Mit der Gegenüberstellung von "Dingen" und
"Worten" hatte Bacon die Notwendigkeit einer Sprache betont, die zu
den in der Natur wirkenden Tätigkeiten oder Kräften zurückführe;
hatte er die im Gebrauch der Sprache lauernden Gefahren
hervorgehoben; hatte er an eine Kunstsprache gedacht, aus Symbolen
aller "Wurzelworte" {R:parole radicali} gebildet, die einige
oder viele dieser Gefahren zu beseitigen könnte. Aber Bacon - und
das ist ebenso wichtig - war auch der leader des
Anticiceronianismus gewesen; er hatte sich zum Verfechter der
kurzen Aphorismen gemacht, die er dem voluminösen Periodenbau der
Anhänger Ciceros gegenüberstellte; er hatte die Notwendigkeit einer
Rückkehr zum "attischen" oder "senecaischen" Stil verfochten, der
auf eine der "Kürze" der Stoiker - "ernst" und "sententiös" -
ähnliche Expressivität und Klarheit zielte, weit entfernt von den
rhetorischen Verschönerungen, den stilistischen Blüten, und der
Verwendung von Analogien und Metaphern. Bacon hatte gegen die
scholastischen "Wortgefechte" polemisiert und hatte der in den
Schulen gebräuchlichen Sprache eine kurze und essentielle
entgegengesetzt, präzise und nackt, die den Menschen erneut - nach
so vielen Jahrhunderten "freiwilliger Blindheit /Verblendung -
wieder in Kontakt mit der Welt bringen konnte.
In den Schriften der Anhänger und Bewunderer von
Bacon und in den Werken vieler der größten Verteidiger der Neuen
Wissenschaft finden wir diese Positionen energisch bestätigt. Ein
Beispiel möge genügen: John Webster, Kaplan bei der Armee des
Parlaments und glühender Verfechter der baconischen Philosophie,
greift im Academiarum Examen (London, 1653) mit äußerster
Heftigkeit eine Rhetorik und Redekunst {R:oratoria} an, die
"nur als Schmuck dient und nur Gewand und äußeres Kleid viel
soliderer Wissenschaften ist"; er weist die grammatikalischen
Studien zurück, die ihm für einen wirklichen Fortschritt des
Wissens unnütz erscheinen und betont die Eignung einer
"symbolischen und emblematischen Schrift" zur Überwindung der
Konfusionen und Mängel der natürlichen Sprachen. In den
Considerations Touching the Style of the Holy Scriptures von
Robert Boyle (1653 geschrieben, 1661 veröffentlicht) finden wir
eine große Verachtung für alle nutzlosen Verschönerungen des Stils.
In einem autobiografischen Abschnitt konstrastierte Boyle seine
Vorliebe für die experimentelle Philosophie und die Erkenntnis der
Dinge selbst mit seiner Abneigung und Verachtung gegenüber dem
Studium der Worte und kritisierte die Ambiguität und
"Lizenziosität" der wissenschaftlichen Begriffe als Hemmnis für den
Fortschritt der wahren Philosophie: "mein Vorliebe für ein reales
Wissen hat in mir Abneigung und Verachtung für das leere Studium
der Worte erzeugt". Robert Boyle hatte sich seit langem für die
Probleme einer künstlichen Sprache interessiert; bei den Schäden,
die der Wissenschaft aus der Verwirrung {confusio} der
natürlichen Sprachen erwachsen, verweilte ausführlich ein anderer
glühender Baconianer, Joshua Childrey, der in seiner Britannia
Baconia (London, 1660) fordert, daß "das Antlitz der Wahrheit
nicht dadurch entstellt werde, daß man es mit der Schminke der
Sprache beschmiert". Auch Thomas Sprat, dessen History of the
Royal Society (1667) die Meinungen seiner Kollegen
widerspiegelt, verurteilt den Gebrauch der Metaphern, die
verderbliche Fülle der Phrasen, die ewige Variabilität der Sprachen
als ebensoviele Übel, von denen die Männer der Wissenschaft sich
reinigen müssen. In einer Verteidigung der
Royal Society gegen die Attacken von Henry Stubbe, der es
gewagt hatte, all die "true-hearted virtuous intelligent disciples
of our Lord Bacon" anzugreifen, schrieb 1671 George Thompson:
'Tis Works, not Words; Things not
Thinking; Pyrotechnie [Chemie], not Philologie;
Operations, not merely Speculation, must justifie us
physicians. Forbear then herafter to be so wrongfully satyrical
against us noble Experimentators, who questionless are entred into
the right way of detecting the True of things.
Die auf die Konstruktion einer "philosophischen"
oder "vollkommenen" Sprache gerichteten Forschungen fanden in der
soeben kurz skizzierten kulturellen Atmosphäre ein günstiges
Terrain. Die Anforderungen an Klarheit und Strenge und die Projekte
einer symbolischen Sprache wurden ohne Zweifel auch durch die
Fortschritte der mathematischen Studien bestärkt; aber
nachzuweisen, daß die Universalsprachen von solchen Entwicklungen
abhängig oder aus ihnen historisch herzuleiten seien,
wäre ein hoffnungsloses Unterfangen. Dennoch bestärkte die
"Strenge" der mathematischen Beweise und die weitreichende
Verwendung von "Symbolen" in der Mathematik zweifelsohne die
Vorstellung, daß es den Wissenschaftlern möglich sei, ihren Stil
zur jener "mathematische Simplizität" zurückzuführen, von der der
Baconianer Thomas Sprat in seiner History of the Royal
Society sprach:
Sie waren fest entschlossen gewesen, alle
Amplifikationen, Digressionen und Schwülstigkeiten des Stils
abzuwerfen: sie wollten zur Zeit der ursprünglichen Reinheit und
Kürze zurückkehren, als die Menschen die vielen Dinge mit
einer annähernd gleichen Anzahl von Worten ausdrückten. Von
allen Mitgliedern der Gesellschaft verlangten sie: eine deutliche
Art zu reden, nackt und natürlich; positive Ausdrücke; klare
Bedeutungen {R:sensi chiari}; eine natürliche Leichtigkeit;
die Fähigkeit, alle Dinge in möglichste Nähe zur Klarheit der
Mathematik zu bringen; und eine Bevorzugung der Sprachen der
Handwerker, der Bauern, der Kaufleute vor jener der
Gelehrten.
Zu präziseren Ergebnissen als denen von Sprat
gelangten jene Wissenschaftler, die zumindest teilweise den Einfluß
der Positionen Hobbes erfahren, und seine Definition der "Termini"
als Symbole für Relationen und Quantitäten und seine Auffassung der
Sprache als "Kalkül" übernommen hatten. Typisch dafür ist die
Position von Seth Ward, Professor der Astronomie in Oxford, der in
dem "symbolicall way invented by Vieta, advanced by Harriot,
perfected by Mr. Oughtred and Des Cartes" das beste Heilmittel gegen die
exzessive Verbosität der Mathematiker sah. Dieser Typ von Schrift
kann nach Ward dergestalt auf die ganze Sprache ausgedehnt werden,
daß "for every thing and notion" geeignete "symboles might be
found", die jede Art von Konfusion eliminieren könnten. Mit Hilfe
von Logik und Mathematik (by the helpe of logick and
mathematicks) können alle Diskurse in Sätze
{R:enunciati} aufgelöst werden (resolved in
sentences), diese in Wörter (words), und da die Wörter
einfache Begriffe {R:nozioni semplici} bezeichnen oder in
sie zerlegt werden können (either simple notions or being
resovible into simple notions), wird man, einmal die einfachen
Begriffe aufgefunden und ihnen Symbole zugewiesen, zu einem streng
beweisführenden Diskurs gelangen, der (und dieser Zusatz ist
wichtig) die Natur der Dinge (the natures of things)
offenbaren kann:
Ein Sprache dieser Art, in der jeder Ausdruck
{R:termine} eine Definition wäre und die Natur der Dinge
enthielte, könnte zu Recht eine natürliche Sprache genannt werden
und das Unternehmen vollenden, das Kabbalisten und Rosenkreuzer
vergeblich begonnen hatten, als sie im Hebräischen die von Adam den
Dingen gegebenen Namen suchten.
An einer Universalsprache aus "unvergleichlich
deutlicheren Charakteren als den derzeitigen" und an einem
Dictionary of sensible words mit der für den hobbesianischen
Mechanismus notwendigen Terminologie arbeitete auch seit der Mitte
des Jahrhunderts William Petty, Mitglied der Royal Society und
großer Pionier der politischen Ökonomie. "Das von mir erwähnte
Wörterbuch - schrieb er in einem Brief an Southwell - sollte alle
in der Beweisführung {R:nell'argumentazione} und in
wichtigeren Materien benutzten Begriffe in andere equivalente
Begriffe übersetzten, die signa rerum et motuum wären". Auch
Robert Boyle hatte in einem Brief vom März 1647 in dem
interliguistischen Charakter der mathematischen Symbole einen
Beweis für die Möglichkeit gesehen, eine aus Realcharakteren
gebildete Sprache zu konstruieren:
Wenn das Projekt eines Realcharakters verwirklicht
werden sollte, wird es dem Menschengeschlecht das wiederbringen
können, was es auf Grund seines Hochmutes zur Zeit des Turms von
Babel verlieren mußte. Und wahrlich, da unsere arithmetischen
Charaktere von allen Nationen Europas auf diegleiche Weise
verstanden werden ... sehe ich es als nicht unmöglich an, bei den
Worten das zu erreichen, was wir schon bei den Zahlen erreicht
haben.
Den Liebhabern der Algebra und der Mathematik
ihrerseits waren diese Diskussionen über die Sprache, die Schrift
und die Symbole nicht fremd. Wir haben schon gesehen, welcher Art
die Meinungen des Astronomen und Mathematikers Seth Ward zu diesen
Themen waren, aber auch in den Schriften des Mathematikers John
Wallis wurde das Problem der in der Algebra anzuwendenden
Charaktere oder Noten als ein Aspekt des
allgemeineren Problems der Zeichen, Chiffren und der Schrift
präsentiert. Auch Wallis war sehr an den historischen Entwicklungen
der Algebra interessiert und hob in De algebra die Vorteile
hervor, die die characteres oder die notae
compendiosae von William Oughtred gegenüber der allzu prolixen
Symbolik von Viète boten. In der Mathesis universalis von
1657 finden wir zahlreiche Hinweise auf das Problem der Schrift "in
genere" und der okkulten Schrift "in specie". In De loquela sive
sonorum formatione, dem Vorwort der Grammatica linguae
anglicanae, hatte Wallis sich ausführlich mit Problemen der
Grammatik und der Laute beschäftigt. Schließlich finden wir in
De algebra neben einer äußerst heftigen Attacke auf die
mathematische Inkompetenz von Hobbes und seine "schamlosen
Paralogismen" {CU: turpissimis paralogismis ubique scatet liber
iste} ein langes Kapitel, das den Vorteilen gewidmet ist, die
der Mathematik die Techniken zur Stärkung der Memoria
bieten.
Der Einfluß, den die Lehre von Comenius auf die
Projekte einer Universalsprache ausübte, ist minuziös dokumentiert
worden. Vor Comenius' Reise nach London 1641 war kein der perfekten
Sprache gewidmetes Buch in England erschienen: nach jenem Jahr
erschienen sie in Hülle und Fülle. Das war kein Zufall. Samuel
Hartlib - der lange Jahre mit Comenius korrespondiert hatte und den
Menschen seiner Zeit als Verteidiger und Verbreiter des
comenianischen Werkes in England erschien - war ein
leidenschaftlicher Verfechter und Herausgeber von Werken über die
Universalsprache. Hartlib publizierte 1646 das Werk von Lodowick
(A Common Writing), ermutigte viele Versuche zur Schaffung
eines Vokabulars der essentiellen Begriffe, korrespondierte mit
Boyle über diese Probleme und wirkte mit an der Veröffentlichung
der Ars signorum von Dalgarno. Explizite Hinweise auf
Comenius finden wir in den Schriften von Henry Edmundson (Lingua
linguarum) und von John Webster (Academiarum examen,
1654), während John Wilkins, der bekannteste und gefeiertste unter
den Theoretikern der perfekten Sprache, von einem anderen
englischen Schüler von Comenius, mit dem er in enger Freundschaft
stand, unterstützt und ermutigt wurde: Theodor Haak. Comenius
selbst, der 1668 der Royal Society die Via lucis vestigata et
vestiganda widmete, beteuerte, daß das im selben Jahr
veröffentlichte Werk von Wilkins die Verwirklichung seiner Pläne
und seiner allerhöchsten Aspirationen darstellte.
Gerade in der Via lucis, die seit 1641 in
England als Handschrift zirkulierte, hatte Comenius in weitaus
größerem Umfang die Untersuchungen Bacons über die "Realcharaktere"
wieder aufgenommen. Die von den Chinesen benutzten symbolischen
Charaktere - schrieb er - erlauben es Menschen mit verschiedenen
Sprachen sich untereinander zu verständigen: wenn solche Charaktere
eine gute und nützliche Sache sind, warum soll man nicht unsere
Forschungen der Entdeckung einer "realen Sprache" widmen: der
Entdekung nämlich "nicht nur einer Sprache, sondern des Denkens und
der Wahrheiten der Dinge selbst?" Wenn die Vielfalt der
Sprachen
aus dem Sündenfall oder der Sprachverwirrung
{confusio} kommt, warum sollte man nicht in einem bewußten
und rationalen Vorgehen eine einzige Sprache konstruieren, die
elegant, ingeniös und imstande wäre, diese verderbliche Verwirrung
zu überwinden? Wenn wir die Möglichkeit haben, unsere Begriffe den
Formen der Dinge anzugleichen, warum sollten wir nicht auch jene
haben, die Sprache mit genaueren Ausdrücken und präzisieren
Begriffen einzurichten.
Das Thema der Universalsprache nimmt im
comenianischen Werk eine zentrale Stelle ein: in seinem Denken ist
zweifelsohne der Anspruch auf größere terminologische Präzision und
eine klarere, verständliche und rigoros genaue Sprache gegenwärtig,
aber zu Grunde lagen seinem Projekt nicht Bemühungen um
"metodologia", sondern jene typisch "religiösen" Aspirationen, die
einmal in den Werken des Lullismus und des Neoplatonismus ihren
Ausdruck gefunden hatten und dann in den Ideen einer universalen,
auf einer gemeinsamen Sprache gegründeten Pazifizierung, wie sie
von Pantheisten, Kabbalisten und Rosenkreuzern gehegt wurden.
Eher als an die Werke der Lullisten sollte man
sich an den Glauben eines der Lehrer von Comenius - Johann Valentin
Andreä - an eine mystische, durch eine neue Universalsprache
erreichbare Harmonie der Nationen (die respublica
christianopolitana) erinnern und an den Comenius wohlbekannten
Jakob Boehme und seine Bemerkungen zu einer ursprünglichen Sprache
der Natur (Natursprache), einst in der Konfusion der
Sprachen untergegangen und nun zum Heil des Menschengeschlechts
wiederhergestellt und wieder verstanden. Auch für Comenius - wie
schon für die Anhänger des Lullus und für Andreä - hat die reale
oder "perfekte philosophische Sprache" zwei fundamentale Ziele: 1)
den Menschen in erneuerten Kontakt mit der im Universum
gegenwärtigen göttlichen Harmonie zu bringen und ihm die volle
Übereinstimmung zwischen dem Rhytmus des Denkens und dem der
Wirklichkeit, zwischen den Dingen und den Worten zu zeigen; 2) sich
selbst als die einzig mögliche Grundlage für eine volle Versöhnung
des menschlichen Geschlechts und für einen stabilen religiösen
Frieden zu begreifen.
In der Vielzahl und Verschiedenheit der Sprachen
hatte Comenius das größte Hindernis für die Verbreitung des
Lichtes und den Durchbruch der Pansophie bei allen Völkern
gesehen. Wenn "eine absolut neue, absolut klare und rationale, eine
pansofische Sprache konstruiert ist, dann werden die Menschen einem
einzigen Geschlecht {R:razza} und einem einzigen Volk
angehören." Pax philosophica, concordia mundi und die
Einheit des menschlichen Geschlechts {R:genere umano},
darauf hatten Pico und Sabunde, Cusanus und Guillaume Postel
beharrt, und genau auf diese Tradition beriefen sich die
millenaristischen Hoffnungen von Comenius. Aber über die
Wichtigkeit und Bedeutung der Uneinigkeiten terminologischen
Charakters, über die Notwendigkeit einer gemeinsame Sprache und
über die Möglichkeit, die gemeinsamen Elemente des Glaubens zu
bewahren und die nichtigen "Redegefechte" aufzugeben, hatte man
auch während der Reformation lang und breit in sehr verschiedenen
Gruppierungen diskutiert. Es ist hier sicher nicht der Ort, ein
solch komplexes Problem anzugehen, aber es lohnt durchaus die Mühe
- auch wenn nur im Hinblick auf ziemlich begrenzte Ziele - einige
charakteristische Positionen aufzuzeigen.
William Bedel (1571-1642), der in England einer
der größten Verfechter des Irenismus und der Versöhnung zwischen
Lutheranern und Calvinisten war, schrieb den Kontroversen unter den
Sekten hauptsächlich verbalen Charakter zu und war sehr an den
Universalsprachprojekten von Comenius und der englischen Comenianer
interessiert. Aber auch in den Schriften der Theoretiker der
Universalprache steht dieses "religiöse" Interesse in vorderster
Linie. Die philosophische Sprache - versichert Wilkins - wird die
aktuellen Divergenzen in religiösen Dingen klären und diese werden
sich als inkonsistent erweisen, wenn einmal die Sprache von allen
Unvollkommenheiten und Zweideutigkeiten befreit sein wird. Die
Ausmerzung der linguistischen Zweideutigkeiten wird für Cave Beck
ein großartiger Beitrag zur Verbreitung der {christlichen} Religion
in der Welt sein. William Petty will alle Begriffe, die in den
Argumentationen gebraucht werden, in andere Begriffe übersetzen,
die signa rerum sind ("translate all words used in argument
and important matters into words that are signa rerum"); er
vertritt eine Unterscheidung zwischen bedeutenden und
bedeutungslosen Begriffen und begreift sein Wörterbuch als Beitrag
zu einer Klärung der Begriffe des religiösen Lebens. Wenn man die
genaue Bedeutung von God, und devil, angel und
world, heaven und hell, religion und
spirit, church und christian, catholic
und pope bestimmt hat, muß man zu der Folgerung gelangen,
daß die Streitigkeiten und Kriege zwischen den verschiedenen Sekten
auf terminologischen Divergenzen beruhen und daß tatsächlich die
Möglichkeit einer effektiven Einigung /Absprache {R:intesa}
über die Begriffe und Dinge existiert. Auch mit der Ars
signorum von Dalgarno liegt ein solcher Versuch vor, der über
ein kompliziertes System von Rückführung der Begriffe auf geeignete
Symbole realisiert wird. In der History of the Royal Society
spricht Thomas Sprat von einer "Philsophie der Menschheit", die die
Differenzen und Feindseligkeiten religiösen Charakters überwinden
kann: "not to lay the foundation of an English, Scotch, Irish,
Popish or Protestant philosophy, but a philosophy of mankind". Es
handelt sich nicht nur um die Überzeugung, daß die neue
"experimentelle Philosophie" die Menschen jenseits aller
politischen Fraktionen und verschiedenen religiösen Überzeugungen
verbrüdern könne, es handelt sich auch um die Hoffnung, daß gerade
die wissenschaftliche Organisation {die Royal Society?} ein Mittel
zur Wiederherstellung der concordia mundi und der religiösen
und spirituellen Einheit des menschlichen Geschlechts sein kann.
Nicht anders übrigens war die Neue Wissenschaft von Bacon
verstanden worden: als ein Instrument universaler Erlösung von der
Ursünde.
Wenn wir darauf verzichten, unsere Probleme in der
Zeit zurückzuprojizieren, um sie den Männern zuzuschieben, die um
die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts schrieben, müssen wir uns
klar machen, daß die Projekte einer "vollkommenen" oder
"universalen" Sprache, an denen sich in jenen Jahren nicht wenige
Gelehrte abmühten, sich auch aus der kulturellen Atmosphäre
nährten, die mit der Geburt der Neuen Wissenschaft und den
Forschritten von Physik und Mathematik verbunden war, daß sie aber
den Naturphilosophen nicht nur semantische Klärungen anbieten
wollten. Diese "Sprachen" hatten viel weiter greifende und
ehrgeizigere Ziele: sie wollten Instrumente totaler Erlösung und
Schlüssel zur Entzifferung des göttlichen Alphabets sein.
Historisch verbanden sie sich mit den Pazifizierungsträumen und den
millenaristischen Utopien der Autoren, denen wir in den
vorangehenden Kapiteln unsere Aufmerksamkeit gewidmet haben.
In der Ars Signorum von George Dalgarno und
im Essay Towards a Real Character von John Wilkins finden
wir Überlegungen zu Hieroglyphen und Alphabeten, zu normalen und
chriffrierten Schriften; Kapitel mit Diskussionen über Sprache und
Logik, Grammatik und Syntax; Seiten über Seiten, in denen eine
minuziöse Klassifizierung der Elemente und der Meteore, der Steine
und der Metalle, der Pflanzen und der Tiere, der menschlichen
Aktivitäten und der liberalen und mechanischen Künste vorgenommen
werden, Wörterbücher essenzieller Begriffe der verschiedenen
Sprachen und "parallele" Wörterbucher. Hier finden wir schließlich
den Vorschlag einer künstlichen Sprache.
Das ist dasselbe Geflecht von Themen, so
außerordentlich und chaotisch für uns Moderne, das wir so oft in
den Werken und Enzyklopädien gefunden haben, die sich direkt oder
indirekt auf die logisch-enzyklopädische Bewegung des Lullismus
berufen. Der Klarheit und Kürze zuliebe und um dem Leser
entgegenzukommen, soll auf den folgenden Seiten versucht werden,
nacheinander einige grundsätzliche und von einander abhängige
Thesen bezüglich der perfekten oder universalen Sprache zu
entwickeln. Die Darstellung des Inhalts der verschiedenen Werke
wird dazu dienen, von Mal zu Mal die Bedeutung jeder der folgenden
Behauptungen zu dokumentieren und zu klären:
1) Die Theoretiker der "vollkommenen" oder
"philsophischen" oder "universalen" Sprache gehen von der
Gegenüberstellung von "natürlichen" und "künstlichen" Sprachen aus
und wollen eine künstliche Sprache oder ein Zeichensystem
konstruieren, das unabhängig von der "natürlichen" Sprache, die man
wirklich spricht, kommunizierbar und verständlich (und also sowohl
in schriftlicher wie in gesprochener Sprache anwendbar) ist . Die
Charaktere, aus denen diese Sprache gebildet wird, sind in jeder
"distinct language" "effables" und auf keinen Fall müssen die
Regeln der Universalsprache mit denen der natürlichen Sprachen
übereinstimmen.
2) Die künstliche Sprache ist deshalb möglich,
weil die innerlichen Begriffe oder Apprehensionen der Dinge
(internal notions or apprehension of things) oder mentalen
Bilder (mental images) allen Menschen gemeinsam sind,
während die den Begriffen und Dingen in den verschiedenen Sprachen
zugeteilten Namen aus Vereinbarung oder aus Zufall entstandene
Laute oder Worte (sounds or words) sind, durch welche die
inneren Begriffe oder mentalen Bilder von Sprache zu Sprache
verschieden ausgedrückt werden. Den gemeinsamen Begriffen
entsprechen also beim gegenwärtigen Stand der Dinge keine
gemeinsamen Ausdrücke (expressions): diese künstlich
herzustellen ist genau die Aufgabe, die sich die Theoretiker der
Universalsprache stellen.
3) Die künstliche Sprache (die der schon in der
Sphäre der mentalen Bilder vorhandenen Übereinstimmung auch die
Übereinstimmung in den Ausdrücken entsprechen läßt) bildet also ein
wirksames Heilmittel gegen die babylonische Sprachverwirrung und
soll die Absurditäten und Schwierigkeiten, die Ambiguitäten und
Zweideutigkeiten eliminieren, von denen die "natürlichen" Sprachen
wimmeln.
Der ganze erste Teil (Prolegomena) des
Werkes von Wilkins ist einer ziemlich umfassenden und genauen
Untersuchung der Situation, in der sich die verschiedenen Sprachen
befinden, der Veränderungen und Korruptionen (changes and
corruptions), die in ihnen eintreten, ihrer Defekte
(defects), sowie der Frage des Ursprungs der Sprache
gewidmet. Wilkins geht von der - all diesen Gelehrten gemeinsamen -
Voraussetzung aus, daß jede natürliche Sprache notwendigerweise
unvollkommen ist: jede Veränderung, die im sprachlichen Erbe
eintritt, fällt mit einem Prozess "stufenweiser Korruption"
zusammen: "every change is a gradual corruption". In der
Vermischung der Nationen durch den Handel, in den Heiraten der
Souveraine, in den Kriegen und Eroberungen, in der Sucht der
Gelehrten nach Eleganz, die zur Verachtung der traditionellen
sprachlichen Formen führt, sieht er ebensoviele Faktoren der
Korruption. Alle Sprachen sind mit Ausname der ursprünglichen durch
Imitation (imitation) geschaffen worden und entstammen der
Willkür oder dem Zufall; in allen Sprachen finden sich also Mängel,
die mithilfe der Kunst eliminiert werden können. "Weder die
Buchstaben noch die Sprachen sind den Regeln der Kunst entsprechend
ordnungsgemäß gebildet": die Unkünstlichkeit der Sprachen, die wir
ihre Spontaneität nennen, erscheint Wilkins als eine Art Urübel und
Erbsünde, als Quelle eines unausweichlichen Degenerierungsprozesses
und als Wurzel einer immer weiter wachsenden Verwirrung. In wenigen
Jahrhunderten - behauptet er - können einige Sprachen völlig
verloren gehen; andere verändern sich so weit, bis sie
unverständlich werden; die Grammatik (die einzige Kunst, die
Ordnung in die Sprache hätte bringen können), hat sich später
entwikelt als die Sprachen selbst und hat sich darauf beschränkt,
von einer Situation Kenntnis zu nehmen, die von der Ambiguität der
Begriffe beherrscht ist, welche je nach Kontext eine Unzahl von
Bedeutungen annehmen. Die von Dalgarno vertretenene Position ist in
diesem Punkt identisch: die Kunst hat die Aufgabe, "Abhilfe
gegenüber den Schwierigkeiten und Verwirrungen zu schaffen, von
denen die verschiedenen Sprachen wimmeln, indem sie jede Redundanz
eliminiert, jede Anomalie berichtigt und jede Ambiguität und
Zweideutigkeit aus dem Wege räumt".
4) Die künstliche Sprache wird als ein
außerordentlich einfacheres Kommunikationsmittel als alle
gegenwärtig gebräuchlichen präsentiert. In den Texten von Dalgarno
und Wilkins finden wir genau jene großartigen Versprechungen
wieder, die für zwei Jahrhunderte die Frontispizen der
lullianischen und mnemotechnischen Werke gefüllt hatten. Innerhalb
eines Zeitraums von zwei Wochen, bekräftigt Dalgarno, können
Menschen verschiedenster Sprachen dazu gelangen, schriftlich und
mündlich "auf nicht weniger verständliche Weise als in ihren
natürlichen Sprachen" zu kommunizieren {CU 1960: non minus
intelligibiliter quam linguis propriis vernaculis}. Innerhalb
eines Monats kann laut Wilkins ein Mensch von normaler
intellektueller Fähigkeit sich der Universalsprache bemächtigen und
sich in ihr mit der gleichen Klarheit ausdrücken, mit der man sich
nach vierzigjährigem Lateinstudium ausdrücken würde.
5) Die künstliche Sprache hat eine therapeutische
Funktion gegenüber der Philosophie, die durch sie von ihren
Krankheiten (dem Gebrauch von Sophismen und der Neigung zur
Logomachie) befreit werden kann; sie ist aufgrund ihrer Exaktheit
ein wertvolles Instrument zur Vervollkommnung der Logik: "die
Ars signorum ist nicht nur ein Heilmittel gegen die
Sprachverwirrung und ein besseres Kommunikationsmittel als jedes
bis jetzt bekannte, sondern heilt auch die Philosophie von der
Krankheit der Sophismen und Logomachien und versieht sie mit
elastischeren und handhabbareren operativen Instrumenten (wiedly
and manageable instruments of operation) zum Definieren,
Zerlegen, Beweisen usw."
6) Durch die Übernahme der künstliche Sprache wird
die Übermittlung der Ideen unter den Völkern erleichtert. Die
Grenzen des Wissens können erweitert werden und mit neue Kraft kann
das allgemeine Wohl der Menschheit (general good of mankind)
verfolgt werden. Die neue Sprache trägt schließlich entscheidend
zur Festigung eines wahren religiösen Friedens bei: "dieses Projekt
trägt dazu bei, einige unserer modernen Divergenzen in Sachen
Religion zu beseitigen, indem es viele extravagante Irrtümer
entlarvt, die sich unter den gekünstelten Phrasen verbergen; wenn
diese einmal philosophisch auseinandergenommen und gemäß der
genuinen und natürlichen Bedeutung der Wörter rückübersetzt sind,
werden sie sich als inkonsistent und widersprüchlich
erweisen."
7 ) Die Zeichen, aus denen die universale Sprache
gebildet wird, sind (im Sinne von Bacon) "Realcharaktere":
konventionale Zeichen, die nicht die Laute und die Worte
repräsentieren oder bedeuten, sondern direkt die Begriffe und die
Dinge.
Indem er die Thesen Bacons aufnimmt und sich auf
die (damals ziemlich verbreiteten) Diskussionen über die
Hieroglyphen bezieht, unterscheidet Wilkins von den (ursprünglich
von Adam erfundenen) normalen Buchstaben des Alphabets die Noten
(notes), die for secrecy und for brevity sind.
Zur denen for secrecy gehören "die mexikanische Art, mit
Bildern zu schreiben" und die ägyptischen Hieroglyphen, die
"Darstellungen von lebenden Kreaturen oder anderer Körper sind,
hinter denen die Ägypter die Mysterien ihrer Religion versteckten";
zu denen for brevity gehören die letters oder
marks, derer man sich wie einer Art von Kurzschrift bedienen
kann, um jedes beliebige Wort auszudrücken. Ganz anders ist die
Funktion des "universalen Realcharakters", der "nicht Worte,
sondern Dinge und Begriffe bedeutet und der infolgedessen von jeder
Nation in ihrer eigenen Sprache gelesen werden kann".
Alle Charaktere bedeuten laut Wilkins
naturally oder by institution. Die "natürlich"
bedeutenenden sind pictures of things oder andere Bilder
oder symbolische Darstellungen; die anderen erhalten ihre Bedeutung
aus einer frei angenommenen Übereinkunft. Zu letzterem Typ gehören
die "Realcharaktere", die einfach, verständlich, deutlich
unterscheidbar, von gefälligem Klang und graziöser Form sein
sollen; vor allem sollen sie methodical sein: das heißt, sie
sollen die Anwesenheit von Korrespondenzen, Relationen und
Rapporten aufdecken.
8) Zwischen den Zeichen und den Dingen besteht
eine univoke Beziehung und jedes Zeichen entspricht
einer Sache oder Handlung ("to every thing and notion there
were assigned a distinct mark"): das Projekt einer Universalsprache
impliziert also die vollständige und geordnete Aufzählung und die
rigorose Klassifizierung all der Dinge und Begriffe, denen in der
perfekten Sprache ein Zeichen entsprechen soll. Weil das
Funktionieren der Universalsprache von der Ausdehnung des Feldes
der Erfahrung abhängt, das ihr zu umfassen und über das ihr Buch zu
führen gelingt, erfordert die vollkommene Sprache im Grenzfall eine
vorgängige Klassifizierung von allem, was im Universum existiert
und was zur Rede stehen kann, sowie eine totale Enzyklopädie und
die Konstruktion von "vollkommenen Tafeln". Im Hinblick auf diese
totale Klassifizierung und diese "reductio" der Dinge und
Begriffe "auf Tafeln" wird eine klassifikatorische Methode
entwickelt, die auf der Aufteilung in generelle Kategorien, in
Arten und in Differenzen beruht. Nur über diese enzyklopädische
Konstruktion kann jedes benutzte Zeichen als Zeichen einer
vollkommenen Sprache funktionieren, das heißt eine exakte
Definition der bedeuteten Sache oder des Begriffes liefern. Eine
Definition liegt dann vor, wenn das Zeichen den "Ort"
{R:posto} enthüllt, den die (vom Zeichen bezeichnete) Sache
oder Handlung in dem geordneten Ganzen aus realen Gegenständen und
realen Handlungen einnimmt, für das die Tafeln als Spiegel
fungieren.
Anfänglich, etwa zwischen 1640 und 1657, waren die
Konstruktöre von Universalsprachen einen teilweise anderen Weg
gegangen: sie hatten mit der Sammlung aller primitiven Worte
(primitive oder radical words) begonnen, die in den
verschiedenen Sprachen enthalten waren, um zur Konstruktion eines
essentiellen Wörterbuches zu gelangen. In diese Richtung hatte sich
auch Wilkins in einem Werk von 1641 bewegt, das im Titel eine
Formulierung von Comenius wieder aufnahm: Mercury or the Secret
and Swift Messenger. Die Wurzelbegriffe {R:termini
radicali} erschienen Wilkins hier in einer "weniger
zweideutigen Beziehung zu den Dingen", als die derived
words. Auf
dieselbe Suche nach den primitiven Begriffen (man erinnere hierbei
die Tafeln der Fundamentalbegriffe von Bisterfield) hatten sich in
England Francis Lodowick in seinem Werk über die perfekte Sprache
und Cave Beck im Universal character gemacht. Letzterer
hatte als Charaktere die arabischen Zahlen von 0 bis 9 benutzt; die
Kombinationen solcher Charaktere, die alle primitiven Begriffe
einer jeden Sprache ausdrückten, waren in fortschreitender Ordnung
von 1 bis 10.000 angeordnet, eine Zahl, die Beck ausreichend
erschien, um alle allgemein verwendeten Begriffe auszudrücken.
Jeder Zahl entsprach ein Begriff einer jeden Sprache: das ergab ein
"numerisches Wörterbuch", dessen Begriffe dann alphabetisch (je
nach den verschiedenen Sprachen) in einem anderen "alphabetischen
Wörterbuch" angeordnet wurden. Jedes der beiden Wörterbücher diente
auf diese Weise als "Schlüssel" für das andere.
Die Anwendung der Realcharaktere und das damit
verbundenen Projekt einer Konstruktion von "vollständigen Tafeln"
ließ dann die Suche nach den radical words in die zweite
Linie treten: es handelte sich jetzt darum, "zur Rückführung aller
Dinge und Begriffe auf die Tafeln" zu schreiten. Eine Sammlung
dieser Art zu bilden, erscheint Wilkins als eine Aufgabe, für die
eher eine Akademie und eine ganze Epoche als eine einzelne Person
geeignet wäre: die prinzipielle Schwierigkeit bestand gerade in der
Vollständigkeit und Systematizität. Das Problem der primitiven oder
radikalen Begriffe konnte dennoch nicht umgangen werden. Die Tafeln
konnten offensichtlich nicht wirklich alles enthalten. Die
"ordnungsgemäß in den Tafeln aufgezählten und beschriebenen" Dinge
und Begriffe waren nur die, welche (per Beschluß) in die
Universalprache übernommen wurden oder "in den Bereich des
Diskurses fielen".
Die Vollständigkeit der Sprache hing also von der
Vollständigkeit der Tafeln ab, die ein Spiegel der Ordnung der
wirklichen Welt waren. Um eine nicht unrealisierbare
Vollständigkeit (vollständige Aufzählung) zu erreichen, nahm
Wilkins die Forderung wieder auf, die der Suche der radical
words zugrundegelegen hatte. Die Tafeln durften nicht alles
enthalten, sondern nur die Dinge "allereinfachster Natur; die mit
"gemischterer oder komplizierterer" Bedeutung mußten auf die
primären zurückgeführt und durch Umschreibungen
(periphrastically) ausgedrückt werden. Das englische
alphabetische Wörterbuch, das Wilkins als Anhang beistellte, sollte
diesem Ziel entsprechen: zeigen, wie alle Begriffe der
englischen Sprache auf irgendeine Weise auf die in den Tafeln
aufgelisteten und angeordneten zurückzuführen wären .
Um die Einordnung aller Dinge und Begriffe auf
Tafeln zu verwirklichen, liefert Wilkins ein Verzeichnis von
vierzig Gattungen, von denen jede nach den Differenzen unterteilt
wird, die (mit Ausname einiger zoologischen und botanischen
Klassifikationen) sechs an der Zahl sind. Die sechs ersten Genera
umfassen "such matters {R:argomenti}, as by reason of their
generalness, or in some other respect, are above all those common
head of things called predicaments" ; es sind dies:
1. Allgemeines Transzendental 2. Gemischte transzendentale Relation 3. Transzendentale Relation der Aktion |
4. Diskurs 5. Gott 6. Welt |
Die anderen vierundreißig Genera sind wie folgt
unter den fünf Prädikamenten eingeordnet:
Pflanzen hinsicht- lich: Tiere: Teile: |
Substanz 7. Element 8. Stein 9. Metall │ 10. Blatt ┤ 11. Blüte │ 12. Samen 13. Strauch 14. Baum │ 15. blutlose ┤ 16. Fisch │ 17. Vogel │ 18. Tier ┤ 19. spezielle Teile │ 20. generelle Teile Quantität 21. Größe 22. Raum 23. Maß |
private: öffentliche: |
Qualität 24. natürliches Vermögen 25. Habitus 26. Sitten 27. sensibl. Qualität 28. Krankheit Aktion 29. geistige 30. körperliche 31. Bewegung 32. Operation Relation │ 33. ökonomisch ┤ 34. Eigentum │ 35. Vergütung {Vorrat; R:provvigione} │ 36. bürgerliche │ 37. rechtliche ┤ 38. militärische │ 39. nautische │ 40. kirchliche |
Jedes dieser vierzig Genera wird nach seinen
Differenzen unterteilt und dann werden die verschiedenen jeder
Differenz zugehörigen Spezies "in solcher Ordnung und Abhängigkeit
aufgezählt, daß sie zu einer Definition der Diffferenzen und der
Spezies führen und so die Grundbedeutung bestimmen können." Vom
achten Genus (Stein) werden zum Beispiel sechs Differenzen
aufgezählt:
Die Steine können unterschieden werden je nachdem sie
sind: |
|
│ gewöhnliche oder ohne Wert │ von mittlerem Wert │ wertvoll: |
I II |
│ weniger transparent │ mehr transparent |
III IV |
Die Konkretionen der Erde sind: |
|
löslich nicht-löslich |
V VI |
Jede der Differenzen ist in die verschiedenen
Spezies unterteilt. Die "gewöhnlichen Steine" (erste Differenz)
umfassen zum Beispiel acht Spezies, die nicht (dieser Dreh ist
wesentlich für die Technik von Wilkins) einfach aufgezählt werden,
sondern verschieden in den Tafeln gruppiert und klassifiziert
werden: entsprechend ihrer stärkeren oder minderen Größe, dem
Gebrauch, den man von ihnen in den Künsten macht, der An- oder
Abwesenheit von metallischen Elementen, usw....
Solcherart sind die Tafeln von Wilkins, die nur
wenig unter dreihundert Seiten seines Werkes in Kleindruck
einnehmen. Durch diese Klassifikation der Dinge und Begriffe,
"denen die Namen entsprechend ihrer jeweiligen Natur zugeordnet
werden müssen", wurde jene universal philosophy realisiert,
die der perfekten Sprache zugrunde liegt und welche die Ordnung,
die Abhängigkeit und die Relationen zwischen den Begriffen und den
Dingen anzeigt. Unter Verwendung von Buchstaben und konventionalen
Zeichen ist nun eine Universalsprache als Gegenstück der
"Universalphilosophie" möglich. Die Genera (wir beschränken uns
hier auf die ersten neun) werden wie folgt angezeigt:
allgemeines Transzendental gemischte transzendentale Relation Transzendental der Aktion Diskurs Welt Element Stein Metall |
Ba Ba Be Bi Da Da Di Do |
Um die Differenzen auszudrücken, werden in der
Reihenfolge die Konsonanten B, D, G, P, T, C, Z, S, N angegeben;
die Spezies werden bezeichnet, indem nach dem Konsonanten, der die
Differenz anzeigt, die folgenden Zeichen folgen: a, a, e, i, o, o,
y, yi, yo. Zum Beispiel: Di bedeutet "Stein"; Dib
bedeutet die erste Differenz, die "gewöhnlicher Stein" heißt;
Diba bezeichnet die zweite Differenz, die da heißt
"Gestein"; De bedeutet Element; Deb bedeutet die
erste Differenz, das heißt "Feuer"; Deba bezeichnet die
erste Spezies, nämlich "Flamme", Det die fünfte, "Meteor"
und Deta die erste Spezies der fünften Differenz:
"Regenbogen".
Durch die Bestimmung der Position, die ein
gegebener Begriff in den Tafeln einnimmt, kann er definiert und so
"die Grundbedeutung der Dinge" mit hinreichender Klarheit bestimmt
werden. Wilkins' Tafeln liefern zweifelsohne nicht wenige
Informationen: zum Beispiel ergibt sich die Bedeutung von "Diamant"
mithilfe der Tafeln als die eines Steines, eines wertvollen
Steines, transparent, gefärbt, sehr hart, glänzend. Aber es wäre
der Mühe wert, sich bei einigen typischen Definitionen wie der von
"Güte", von "Mäßigung" oder von "Fanatismus" aufzuhalten. Die
Codierung der Plurale, der Adjektive, der Präpositionen, der
Pronomen usw. ermöglicht Wilkins, wenn auch unter großen Mühen, die
Konstruktion einer wirklichen Sprache. Von ihrem Gebrauch gibt er
uns, indem er zuerst die alphabetischen Buchstaben benutzt, dann
die komplexeren Realcharaktere, ein Beispiel mit der Übersetzung
des Pater noster und des Credo.
Nicht sehr viel anders war George Dalgaro
vorgegangen, als er in der Ars signorum, vulgo character
universalis et lingua philosopica eine logische Klassifikation
aller Ideen und aller Dinge konstruiert und sie in siebzehn
Oberklassen aufgeteilt hatte.
A. Wesen, Dinge | M. mathematische Konkreta |
h. Substanzen | N. physische Konkreta |
E. Akzidenzien | F. künstliche Konkreta |
I. konkrete Wesen | B. mathematische Akzidenzien |
(zusammengesetzt aus
Sub- (stanzen und Akzidenzien) |
D. allgemeine physische Akzidenzien G. sensible Qualitäten |
O. Körper | P. sensible Akzidenzien |
v. Geist | T. rationale Akzidenzien |
U. Mensch | K. politische Akzidenzien |
(zusammengesetzt aus Körper und Geist) |
S. gewöhnliche Akzidenzien |
Jede der siebzehn Oberklassen wird in Unterklassen
unterteilt, die sich durch die Veränderung des zweiten Buchstaben
unterscheiden. So zum Beispiel die unterklasse von K:
Ka. Relation des Amtes | Ko. richterliches Amt |
Kh. gerichtliche Relation | Kv. Straftaten |
Ke. gerichtliche Materie | Ku. Krieg |
Ki. Rolle der Parteien | Ska. Religion |
Die in jeder der Unterklassen umfaßten Begriffe
unterscheiden sich durch Variation des letzten Buchstabens. Bei
diesen Begriffen ist das nicht-intitiale s "dienstbar" und
hat keinen bestimmten logischen Sinn, r zeigt Opposition an,
l das Mittlere zwischen den Extremen, v
ist die Initiale der Zahlwörter. Unter Ska (Religion) sind
die folgenden Begriffe umfaßt:
Skam: Gnade | Skag: Opfer |
Skan: Seligkeit | Skap: Sakrament |
Skaf: anbeten | Skat: Myterium |
Skab: richten | Skak: Wunder |
Skad: beten |
Die Einführung des Buchstaben r ermöglicht
die Bestimmung der Gegensätze, in diesem Fall: "Natur" gegenüber
"Gnade", "Elend" gegenüber "Seligkeit", "profanieren" gegenüber
"anbeten", "loben" gegenüber "beten".
Indem er diese Klassifikation im Detail
reproduziert, wird Leibniz zwischen 1702 und 1704 jene umfassenden
Definitionstafeln komponieren, die das wichtigste Dokument seines
Projekts einer universalen Enzyklopädie bilden.
9) Die Funktionalität dieser komplizierten
artifiziellen Sprache hängt offensichtlich (sowohl im Fall von
Wilkins wie auch in dem von Dalgarno) von der größeren oder
geringeren Funktionalität ihrer machinösen Klassifikation der Dinge
und der Begriffe ab. Im Hinblick auf letztere muß eine These
hervorgehoben werden, die für diese Positionen charakteristisch und
fest mit diesen Programmen verbunden ist: die Enzyklopädie, das
Gesamt der Tafeln und mithin die künstliche Sprache, die deren
Korrelat ist, bilden den "Spiegel" der Ordnung der Wirklichkeit.
Die Klassifikation muß auf der Ordnung der Dinge gegründet sein;
die Relationsbeziehungen unter den Begriffen geben die realen
Verhältnisse und Relationen wieder: "By learning the character and
the names of things, we should be instructed likewise in their
natures, the knowledge of both which ought to be conjoyed. For the
accurate effecting of this, it would be necessary, that the theory
itself, upon which such a design were to be founded, should be
exactly suited the nature of things".
Nicht zufällig formulierte Wilkins, der ebenfalls
den Sprachproblemen nicht wenige seiner Energien gewidmet hatte,
mit Bacon und den Baconianern: "as things are better then words, as
real knowledge is beyond the elegancy of speech" .
5. Die
mnemonische Funktion der Universalsprachen: die klassifikatorische
Methode in den Naturwissenschaften
Mithilfe der Zeichen der perfekten oder
universalen Sprache läßt sich präzise der "Ort" {R:il posto}
bestimmen, den jedes Ding (oder jede Handlung) in den Tafeln
einnimmt, und läßt sich jedes einzelne natürliche Objekt in jener
universalen Ordnung lokalisieren, die von der universal
philosophy oder Enzyklopädie widergespiegelt wird. Durch diese
"Lokalisierung" {R:collocazione} können die Relationen
zwischen dem bedeuteten Ding und den anderen zur selben Klasse oder
Spezies gehörigen erkannt und die Beziehungen zwischen ihm und den
Differenzen und Genera, in denen es als Element enthalten ist,
bestimmt werden. Um mit der notwendigen Geschwindigkeit diese
Lokalisierungen und damit präzise Definitionen zu erreichen, hatte
Wilkins eine Reihe von Kniffen mnemonischer Art ersonnen.
Wenn diese Zeichen oder Noten so konstruiert
werden, daß sie in einem der Natur der bedeuteten Dinge
angemessenen wechselseitigen Abhängigkeits- und
Beziehungsverhältnis stehen, und wenn gleichermaßen die Namen der
Dinge so geordnet werden, daß sie in den sie bildenden Buchstaben
oder Lauten eine Art von Affinität und Opposition enthalten, die
den Affinitäten und Oppositionen der bedeuteten Dinge entspricht,
dann hätten wir weitere Vorteile: neben einer optimalen
Unterstüztung der Memoria (helping the memory) würde der
Intellekt sehr gekräftigt werden.
Benjamin De Mott {Autor von Science versus
Mnemonics} hat in seinem Kommentar zu diesem Passus sehr klar
geschrieben: "es war sehr einfach, sich an den Ausdruck zur
Bezeichnung des Gegenstandes Lachs zu erinnern, wenn man wußte, daß
dieser Ausdruck aus zwei Silben zusammengesetzt war und mit
Za, dem Symbol der Gattung Fische begann... War einmal der
Ausdruck Zana erinnert, würde der Wissenschaftler, wenn er
mit der alphabetischen Progression der Charaktere vertraut war,
deutlich die Stelle {R:il posto} des Lachses innerhalb der
Gattung Fische und, in letzter Analyse, innerhalb des Plans der
Schöpfung erkannt haben."
Die Betonung des mnemonischen Wertes der
Universalprache im Werk von Wilkins war nicht zufällig: eine
Sprache dieser Art schien die Hoffnungen und Apsirationen all jener
Theoretiker des künstlichen Gedächtnisses zu erfüllen, die (in den
Worten von Giulio Camillo) versucht hatten, "in ihren
hochkomplizierten Theatern alle jene Plätze geordnet zu disponieren
{R:luoghi; disporre ordinatamente}, die nötig sind, alle
menschlichen Begriffe und alle Dinge aus aller Welt im Geist
aufzubewahren und zu verwalten." Die größten Theoretiker der
Universalsprache bestehen einstimmig auf dem mnemonischen Wert der
perfekten Sprachen. Cyprian {?;R:Cipriano} Kinner, der 1640 mit
Comenius zusammengearbeitet und als erster das Projekt einer
Universalsprache im Detail formuliert hatte, verstand seine Sprache
nicht nur als ein Heilmittel gegen die "babylonische Verwirrung der
natürlichen Sprachen", sondern auch und vor allem als eine
mächtiges "Hilfmittel für die Memoria". Mit seiner Methode könnten
die Forscher in den Naturwissenschaften die kompliziertesten und
schwierigsten Begriffen behalten: "welcher auch noch so erfahrene
Botaniker könnte sich bei einer solchen Vielfalt von
gegensätzlichen Autoren die Naturen und Namen aller Pflanzen im
Gedächtnis einprägen?". Die Benutzung der künstlichen Sprache,
deren Ausdrücke die Natur und die Eigenschaften jeder einzelnen
Pflanze sowie den Platz anzeigen, den jede Planze in der
Klassifikation nach Genus und Spezies einnimmt, wird diese
scheinbar verzweifelte Aufgabe ermöglichen und erleichtern:
"mittels der künstlichen Sprache wird alles erinnert und ohne
Unterbrechung aufgesagt werden können, so wie in einer goldenen
Kette aus tausenden von Ringen, wenn der erste Ring bewegt wird,
sich alle anderen bewegen, auch wenn wir eigentlich nicht wollen,
daß sie sich bewegen." Nicht anders als Kinner, heben Lodowick,
Edmundson und Dalgarno den mnemonischen Wert der Universalsprache
hervor, während Wilkins mehrmals im Verlauf des Essay seine
Sprache als ein Hilfsmittel gegen die Schwäche der natürlichen
Memoria präsentiert. Die dreitausend Begriffe, aus denen seine
Sprache zusammengesetzt ist, sind sicher zahlenmäßig viel geringer
als jene, die in irgendeiner wirklich gesprochenen Sprache benutzt
werden, und dennoch sind diese dreitausend Begriffe "in der Weise
angeordnet, daß sie viel leichter als dreitausend Begriffe
irgendeiner natürlichen Sprache behalten werden können." In einem
Brief an Robert Boyle von 1663 empfahl John Beale, Mitglied der
Royal Society, den Gebrauch der mnemonical characters
(so nannte er die Realcharaktere), weil diese geeignet erschienen,
endlich Ordnung in alle möglichen Kombinationen von Buchstaben,
Silben und Wörtern zu bringen.
Wie Kinner genau gesehen hatte, zeigte sich das
Problem der mnemonischen Funktion der künstlichen Sprachen eng mit
dem der Klassifikation der Mineralien, Pflanzen und der Tiere
verbunden. Gerade über dieses Thema entbrannte seit 1666 eine
interessante Diskussion, deren Wortführer John Ray war, Autor der
monumentalen Historia plantarum generalis (1686-1704) und
einer der größten Wissenschaftler des 17.Jahrhunderts. Zusammen mit
Willoughby arbeitete Ray aktiv am Werk von Wilkins mit, indem er
eine den typischen Zielen und Ansprüchen der Univeralsprache
entsprechende Klassifikation der Pflanzen erstellte.
Den Tafeln der großen Enzyklopädie, die in dem
Essay Towards a Real Character and a Philosophical Language
enthalten waren, kam laut Wilkins sicher nicht nur eine
Hilfsfunktion zu. Nach seinem Verständnis hätten die Tafeln, "vor
allem jene, die die natürlichen Körper betrafen", "die Erkenntnis
der Natur fördern und erleichtern", das heißt direkt zu der von den
Mitgliedern der Royal Society entfalteten Forschungsarbeit
beitragen sollen. Indem er sich an den Präsidenten und die
Mitglieder der illustren Akademie wandte, bekräftigte Wilkins: "auf
den Tafeln habe ich die Dinge in einer Ordnung disponiert, welche
die Gesellschaft billigen wird: in ihr werdet ihr eine optimale
Methode für die Konstruktion eines repository finden, das
einerseits dazu dient, die schon gewonnenen Erkenntnisse zu ordnen,
und andererseits dazu, die eventuellen Lücken zu auszufüllen". Die
Ambitionen von Wilkins sollten bald enttäuscht werden, aber es ist
sicher, daß sein Versuch einer geordneten, vollständigen
Klassifikation all die stark interessierten mußte, die in den
Naturwissenschaften mit der Konstruktion von Klassifikationen für
begrenzte Versuchsfelder /Erfahrungsfelder {R:campi limitati di
esperienza} beschäftigt waren. Es ist sehr scharfsinnig bemerkt
worden, daß Wilkins das mit den Worten machen wollte, was Linné
später mit den Pflanzen tun sollte:
Hauptziel dieser Tafeln - schrieb der Bischhof von
Chester - ist es, eine hinreichende Aufzählung aller Dinge und
Begriffe zu bieten und sie gleichzeitig in solcher Ordnung zu
disponieren, daß der einem jeden Ding zugeschriebene Platz zur
Beschreibung seiner Natur beitragen kann, indem er die allgemeine
und besondere Spezies anzeigt, in der das Ding plaziert ist, und
die Differenz, durch die es von den anderen Dingen dergleichen
Spezies unterschieden ist.
Auf der Basis dieser Konvergenz von Interessen und
Problemen entstand eine Zusammenarbeit zwischen Wilkins auf der
einen und Willoughby und John Ray auf der anderen Seite. Die in dem
Essay präsentierten Klassifikationen der Tiere und Pflanzen
sind in der Tat das Werk der beiden Wissenschaftler. An sie hatte
sich Wilkins 1666 gewandt, um in sein Werk eine "regelrechte
Aufzählung aller Familien der Pflanzen und Tiere" einzufügen. Das
Interesse Rays an Wilkins' Projekt war nicht nebensächlich. Der
bedeutende Wissenschaftler unterzog sich der undankbaren Mühe, den
ganzen Text des Essay ins Lateinische zu übersetzen, um ihn
allen zugänglich zu machen. Die Divergenzen mit Wilkins entstanden
dennoch auf dem Gebiet der Methode und betrafen gerade die
mnemonischen Aspekte der Universalsprache:
Bei der Konstruktion dieser Tafeln - schrieb Ray
an Lister - hat man von mir nicht verlangt, den Befehlen der Natur
zu folgen, sondern die Pflanzen dem System des Autors anzupassen.
Ich muß die Kräuter {R:erbe} in drei möglichst gleiche
Klassen einteilen, dann jede Klasse in Differenzen unterteilen und
dabei darauf achten, daß die in jeder Differenz eingeordneten
Pflanzen nicht eine bestimmte Zahl überschreiten ... Wer könnte
hoffen, daß eine solche Methode befriedigend sei? Sie erscheint
absurd und höchst unvollkommen, und ich muß ganz offen sagen, daß
es sich um eine absurde Methode handelt, weil ich mehr Wert auf die
Wahrheit als auf meinen persönlichen Ruf lege.
Auch Wilkins hatte, wie Ray, gewollt, daß seine
Schemata "genau der Natur der Dinge folgten", aber im Unterschied
zu Wilkins fand Ray es zumindest in der Botanik ziemlich schwierig,
das Alphabet und die Natur, die Ordnung der Memoria
und die der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen. Angesichts
der Schwierigkeiten der Klassifikation der Tiere und Pflanzen
geriet die absolute, für das Funktionieren der perfekten Sprache
wesentliche Regularität der Tafeln in eine Krise: die vierzig
Genera
may be subdivided by its peculiar differences,
which, for the better convenience of this institution, I take leave
to determine (for the most part) to the number of six. Unless it be
in those numerous tribes of herbs, trees, exanguious animals,
fishes, and birds, which are of too great variety to be
comprehended in so narrow a compass.
Auf die Methode als geordnete Klassifikation,
Aufteilung und Konstruktion von Tafeln und Hierarchien hatten
übereinstimmend über Jahrhunderte die Theoretiker der ars
reminiscendi Wert gelegt. Gerade in der Konstruktion der
"Theater" und "Bäume", und in den Ordnungen und Klassifikationen
hatten sie das wichtigste Instrument zur Verwirklichung eines
künstlichen Gedächtnisses gesehen. Aus diesem historischen Terrain
hatte sich die im ganzen siebzehnten Jahrhundert so weit
verbreitete Idee einer logica memorativa genährt: einer
substanziellen Affinität zwischen Logik (Methode) und Memoria (der
Fähigkeit, das geordnete System aller Wissenschaften zu erinnern).
In diesem Sinne hatte Ramus der Memoria eine ordnende Funktion
zugeschrieben und hatte in ihr einen Teil oder Bereich der Methode
gesehen; in diesem Sinne hatte Bacon die ministratio ad
memoriam (der die Aufgabe zukam, "die Verwirrung zu beseitigen"
und die Konstruktion der Tafeln zu besorgen) als integralen
Bestandteil der neuen Logik aufgefaßt; indiesem Sinne hatte
schließlich Cartesius die enumeratio als ein Hilfsmittel
gegen die natürliche Schwäche der menschlichen Memoria verstanden.
In denselben Jahren hatte Alsted in der Memoria eine "Technik der
Ordnung der Begriffe" gesehen und die völlige Absorption der
Memoria, "der Mutter der Ordnung", durch eine Logik vertreten, die
als Kunst des Klassifizierens und als Methode zur Konstruktion des
systema mnemonicum oder der Universalenzyklopädie der
Wissenschaften verstanden wurde.
Auf nicht unähnliche Weise wurde die "Methode" von
den Menschen verstanden, die sich im Laufe des siebzehnten
Jahrhunderts der nicht leichten Aufgabe einer integralen,
geordnenten und kohärenten Klassifikation der Mineralien, Pflanzen
und der Tiere zuwandten. Methode bedeutete für sie "methodische
Aufteilung der verschiedenen Hervorbringungen der Natur in Klassen,
Genera und Spezies", die Einrichtung einer Nomenklatur, deren
Ausdrücke die Beziehungen zwischen dem einzelnen Element und den
einschlägigen Genera und Spezies anzeigten und den Platz eines
jeden Elements in einem umfassenderen System bestimmten. Gerade als
um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die "Methoden" in die
Krise gerieten und die traditionellen Klassifikationen verworfen
wurden, sehen wir, wie in Polemik gegen eine jüngste Vergangenheit
die mnemonische Funktion der Klassifikationen und der Methoden
expliziert erörtert wurde. Indem er im Namen einer exakten
Beschreibung die Idee des "Systems" verwirft und gegen die
botanische Tradition des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts
polemisierte, lehnte Buffon energisch "alle die Methoden ab, die
aufgehäuft worden waren, um die Memoria zu unterstützen". Und genau
auf dieser mnemonischen Funktion der Methoden insistierten
übereinstimmend die größten Exponenten der Botanik des achtzehnten
Jahrhunderts: "Die immense Menge an Pflanzen beginnt auf den
Botanikern zu lasten - schreibt Adanson im Vorwort zu Familles
des plantes {1763} - welches Gedächtnis konnte so vielen Namen
genügen? Um diese Wissenschaft zu erleichtern, ersannen die
Botaniker daher die Methoden." Und Fontenelle schrieb in der vor
der Akademie anläßlich des Todes von Tournefort gehaltenen Eloge:
"er machte es möglich, Ordnung in die außerordentliche Anzahl der
kreuz und quer über die Erde und auch unter den Gewässern der Meere
verstreuten Pflanzen zu bringen und sie in die verschiedenen Genera
und Spezies aufzuteilen, die so ihre Memorierung erleichtern und
verhindern, daß das Gedächtnis der Botaniker unter dem Gewicht
einer Unzahl von Namen zusammenbricht".
Es handelt sich dabei um nicht zufällige
Annäherungen: um das zu sehen, muß man nur das Stichwort
Botanique in der großen aufklärerischen Enzyklopädie
lesen:
Die Methode dient dazu, eine Vorstellung der
wesentlichen Eigenschaften jedes Gegenstandes zu geben und die
Relationen und Kontraste zwischen den verschiedenen
Hervorbringungen der Natur darzustellen... Für den, der sich zum
Studium der Natur entschließt, ist die Methode ein Faden, der als
Führer in einem hochkomplizierten Labyrinth dient, für die anderen
(die schon in den Wissenschaften erfahren sind) ist er ein Bild,
das manche Fakten darstellt, die andere, falls man sie schont
kennt, in Erinnerung rufen können ... eine einzige Methode ist
ausreichend für die Nomenklatur: es handelt sich darum, eine Art
von künstlichem Gedächtnis zu erbauen, um die Idee und den Namen
jeder Planze zu behalten, da die Anzahl der Pflanzen zu groß ist,
als daß eine solche Unterstützung vernachlässigt werden könnte; zu
diesem Ziel ist jede Methode gut...
Die Gewaltsamkeit dieser Polemik und die Vehemenz
dieser Ablehung bilden für sich allein eine Bestätigung für eine
sich das ganze vorangehende Jahrhundert durchhaltende Auffassung
der Methode als "Memoria", Gegen diese Auffassung polemisieren
die Enzyklopädisten : "diese methodischen Aufteilungen - steht auf
den dem Stichwort Histoire naturelle gewidmeten Seiten -
unterstützen das Gedächtnis und scheinen mit dem aus den
Gegenständen der Natur gebildeten Chaos fertig zu werden ... aber
man darf nie vergessen, daß diese Systeme allein auf willkürlichen
menschlichen Konventionen gegründet sind und daß sie nicht mit den
unveränderlichen Gesetzen der Natur übereinstimmen". Hier wurden
nicht nur jene "Hilfsmittel der Memoria" verworfen, die von
illustren Exponenten der Philosophie und Wissenschaft des
siebzehnten Jahrhunderts erörtert und verteidigt worden waren; hier
wurde auch im Namen eines entschlossenen Konventionalismus die alte
Idee einer vollen Korrespondenz zwischen den Begriffen der
Enzyklopädie und der Realität der Dinge verworfen.
Auch der Mathematismus cartesischer Herunkunft
hatte zweifelsohne dazu beigetragen, eine für die Konstruktionen
der künstlichen Sprachen günstige Atmosphäre zu schaffen, aber der
Einfluß, den Cartesius auf die Projekte einer Universalsprache
ausgübte, ist schwer zu bestimmen. In einem Brief an Mersenne vom
November 1629, der in Paris in der Sammlung von Clerslier (1657,
wiedergedruckt 1663 und 1667) veröffentlicht wurde und der daher
von einigen Theoretikern der Universalsprache gelesen worden sein
konnte (aber wir bewegen und auf der Ebene von Hypothesen und haben
keine Dokumentation dieser Lektüre gefunden), hatte sich Cartesius,
obwohl er präzise die Eigenarten und Ziele einer philosophischen
Sprache erhellt hatte, ziemlich zweideutig geäußert. Das
Unterfangen einer philosophischen Sprache war ihm zumindestens
theoretisch möglich erschienen: "indem man eine Ordnung unter all
den Gedanken, die in den menschlichen Geist eindringen können, auf
die gleiche Weise festsetzt wie eine natürlich festgelegte Ordnung
unter den Zahlen existiert", könnte man eine Sprache aus sehr
leicht und sehr schnell erlernbaren Charakteren bilden. Die
Erfindung dieser Sprache - fügte er hinzu - hängt deshalb von der
"Einrichtung der wahren Philosophie ab, denn anders wäre es
unmöglich, alle Gedanken der Menschen aufzuzählen und in Ordnung zu
bringen". Eine solche Sprache wäre auf der Feststellung der
"einfachen Ideen gegründet, die in der Imagination der Menschen
liegen und aus denen sich alles zusammensetzt, was die Menschen
denken"; sie wäre leicht zu erlernen und zu schreiben und, was das
wichtigste ist, "würde das Urteil unterstützen, indem sie die Dinge
so deutlich darstellte, daß es unmöglich wäre, sich zu täuschen,
während die Worte, über die wir gegenwärtig verfügen, im Gegenteil
nur verworrene Bedeutungen haben, an die sich seit langem der Geist
der Menschen gewöhnt hat: deswegen wird gewissermaßen kein Wort
vollkommen verstanden".
Aber kurz vorher hatte Cartesius den utopistischen
Charakter eines Unternehmens dieser Art untertrichen und hatte
radikalen Skeptizismus gegenüber der Möglichkeit einer praktischen
Realisierung zum Ausdruck gebracht.
Ich halte dafür, daß diese Sprache möglich ist und
daß sich die Wissenschaft finden ließe, von der sie abhängig ist:
durch sie werden die Bauern besser über die Wahrheit der Dinge
urteilen können, als es jetzt unsere Philosophen tun ... aber hofft
nicht, sie jemals in Gebrauch zu sehen: das setzt große
Veränderungen in der Ordnung der Dinge voraus und und würde
erfordern, daß die ganze Welt ein irdisches Paradies wäre, was man
sich nur im Land der Romane vorstellen kann
Eines hatte Cartesius ganz klar gesehen: die enge
Beziehung zwischen der vollkommenen Sprache und der wahren
Philosophie (die Wilkins universal philosophy oder
Enzyklopädie nennt). Cartesius hatte diese Beziehung als
Abhängigkeitverhältnis aufgefaßt: der Mangel eines geordneten
Verzeichnisses aller Gedanken der Menschen, aus der das Verzeichnis
der einfachen Ideen zu gewinnen wäre, machte die Konstruktion einer
Universalsprache unmöglich und illusorisch. Dalgarno und Wilkins
hatten die Durchführung einer totalen Klassifikation der Begriffe
und Dinge versucht. Leibniz, der diese Versuche
weitgehend benutzt, wird in einem Kommentar zu dem gerade erwähnten
Brief an Mersenne ausdrücklich die cartesianische Position
verwerfen:
Wenn auch diese Sprache von der wahren Philosophie
abhängt, hängt sie doch nicht von ihrer Vollendung ab. Das heißt:
diese Sprache kann eingerichtet werden, auch wenn die Philosophie
noch nicht vollkommen ist; im Maße wie die Wissenschaft der
Menschen wachsen wird, wird auch diese Sprache wachsen. Einstweilen
wird sie ein wunderbares Hilfsmittel sein: sowohl um uns dessen zu
bedienen, was wir wissen, als auch um klar zu sehen, was uns
mangelt und um die Mittel zu finden, es zu erlangen; vor allem
aber, um die Kontroversen in den Disziplinen auszurotten, die vom
Raisonnement abhängen. Denn Raisonnieren und Rechnen wird dann
dasselbe sein.